Wie die Vogelgrippe die Aktienkurse eines Pharmakonzerns in die Höhe treibt und die öffentliche Hand den Säckel tief öffnen muss, um sich auf den „worst case“ vorzubereiten.
Kürzlich wurde ein von vielenau großen und kleinen Gesundheitsbewegungen, Nichtregierungsorganisationen, ÄrztInnen und WissenschafterInnen zusammengestellter erster alternativer Weltgesundheitsbericht, „Global Health Watch 2005-2006“ in London, Frankfurt und Cuenca (Ecuador) vorgestellt. In der ecuadorianischen Stadt deshalb, weil dort im Juli die internationale „People’s Health Assembly“ tagte, an der an die 1.300 VertreterInnen von Basis-Gesundheitsdiensten teilnahmen.
Der Bericht stellt die Erfolgsstory, die die Akteure und Verteidiger der neoliberalen Globalisierung ständig erzählen, in Frage. Nicht nur in Afrika, auch in Zentralasien, Lateinamerika und Osteuropa eskaliert die Armut, wächst die Ungleichheit der Einkommensverteilung. Etwa 30.000 Menschen sterben täglich, weil es für sie keine Medikamente gibt. Die Staaten wollen oder müssen immer mehr auch an den Gesundheitsbudgets sparen – eine Entwicklung, die auch in die so genannte Erste Welt drängt.
Auch wenn die Verteidiger des freien Marktes und der Globalisierung sich als Avantgarde des wirtschaftlichen Fortschritts sehen, so ist ihre Ideologie, die sich am deutlichsten in der Welthandelsorganisation (WTO) und in den internationalen Finanzinstitutionen materialisiert, ein Hauptverursacher des bedenklichen Ist-Zustandes auf diesem Planeten. Ein Zustand, der sich trotz aller Millenniums-Entwicklungsziele nicht wesentlich verändern wird, wenn sich die wirtschaftspolitischen Parameter nicht verändern. Die da sind: Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen bis hin zu den lebensnotwendigen Basisdiensten, unbedingte Priorität des Investorenschutzes, Patentschutz, geistige Eigentumsrechte im Dienste der Konzerne usw.
Gut organisierte und allgemein leistbare Gesundheitssysteme sind ein Kernelement des Kampfes gegen die Armut. WTO & Co. verlangen als Gegenleistung für Kredite oder Hilfe oft die Durchführung neoliberaler Strukturanpassungsprogramme und die Liberalisierung von Wasser- oder Gesundheitsversorgung. Außerdem führt die herrschende Wirtschaftsideologie zu einem enormen Einsparungsdruck auf die öffentlichen Haushalte, von dem die ArbeitnehmerInnen und der öffentliche Sektor am meisten betroffen sind.
Da bedroht uns plötzlich eine Pandemie in Gestalt der Vogelgrippe. Das einzige Medikament, das dieses Virus H5N1 eindämmen könnte, ist „Tamiflu“ vom Schweizer Pharma-Konzern Roche. Die österreichischen Bundesländer geben nun viele Millionen Euro aus, um sich mit Tamiflu-Vorräten zu versorgen. 18 Euro kostet die Packung, weltweit. „Alle Staaten müssen gleich viel bezahlen“, entschied der Konzern mit seinem marktwirtschaftlichen Gerechtigkeitssinn.
Wieder muss also die öffentliche Hand rettend einspringen. Dieselbe, die man ja möglichst schlank halten will, da freier Markt und Privatwirtschaft alles bestens regulieren.
Im ersten Halbjahr 2005 konnte Roche den Umsatz von Tamiflu um über 500% auf 600 Mio. Euro steigern, und die Aktienkurse des Pharmaunternehmens klettern unaufhaltsam in die Höhe.