Journalismus zwischen Krieg und Frieden: Anfang Mai tauschten in Berlin Journalistinnen aus Afrika, Asien und Europa Erfahrungen aus.
Auf der Konferenz der International Association of Women in Radio and Television (IAWRT) zum Thema Zwischen Krieg und Frieden: Journalismus im Konflikt diskutierten Journalistinnen aus Afrika, Asien und Europa über ihre Erfahrungen mit der Krisenberichterstattung. Der Austausch unter Frauen auf regionaler und globaler Ebene in elektronischen Medien ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Arbeit der IAWRT. Wir wollen ein weltweites Netzwerk von starken Frauen im Rundfunk und Fernsehen sein, betonte die Präsidentin des Verbands, die Norwegerin Gundel Krauss Dahl, in ihrer Eröffnungsrede.
Die IAWRT, die heuer ihr 50-jähriges Bestehen feiert, wurde von einer Hand voll Frauen aus Europa, den USA und Australien mit dem Ziel gegründet, die Stimmen, Ansichten und Prioritäten von Frauen in den Medien mehr in den Vordergrund zu rücken sowie Journalistinnen im Süden in ihrer Arbeit zu unterstützen. Der Verband zählt heute rund 160 Mitglieder weltweit.
Die Frage, ob Frauen als Journalistinnen in einem Krisengebiet eine besondere Rolle spielen, wurde auf der Konferenz vorrangig diskutiert. Agnes Nindorera, freie Radiojournalistin aus Burundi und Präsidentin der Burundischen Journalistinnenvereinigung, glaubt, dass sich Männer und Frauen Themen unterschiedlich annähern. Als Beispiel führt sie Vergewaltigungen an Frauen im Bürgerkrieg von Burundi an.Unter Journalistinnen sei das Interesse größer, solch eine schwierige Thematik aufzugreifen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Als Frau fiele es ihr leichter, Zugang zu den Opfern zu finden und sie auch besser zu verstehen.
Bettina Rühl, freie Hörfunk- und Fernsehjournalistin aus Deutschland, meint, dass Journalistinnen nicht nur mehr Bereitschaft mitbringen, über Zivilistinnen und Zivilisten als Opfer zu berichten, sondern dass das Interesse dafür schon viel früher vorhanden sei als bei männlichen Kollegen. Rühl: Männer sind zuerst einmal vom Einsatz der unterschiedlichen Waffen und den verschiedenen Fliegertypen fasziniert. Aus ihrer Erfahrung als Krisenberichterstatterin im Kosovo und in Eritrea weiß sie von noch einem brisanten Unterschied zwischen Frauen und Männern zu berichten: Journalistinnen näherten sich schwierigen Themen mit viel größerer Sensibilität als ihre männlichen Kollegen. Als Beispiel führt sie eine Recherche über Kindersoldaten an. Eines Tages wurde ihr der bereits bestehende Kontakt zu einem Rehabilitationszentrum für vergewaltigte Kinder verwehrt. Zuvor war ein Fernsehteam dort gewesen. Der Reporter hatte mit der Frage an eines der Opfer Na, wie war es denn, als du vergewaltigt wurdest? jegliche weitere Zusammenarbeit zunichte gemacht. Die Gefahr sei groß, betont Rühl, dass diese Art von journalistischer Arbeit die Opfer retraumatisiere.
Inge von Bönninghausen, Gründerin und Vorstandsmitglied des deutschen Journalistinnenbundes, weist darauf hin, dass 90 Prozent der Opfer in Kriegen und Konflikten Zivilistinnen und Zivilisten seien. Die Kämpfe von heute fänden nicht mehr am Schlachtfeld statt. Angesichts dieser Tatsache sei eine sensible und verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit den Menschen vor Ort mindestens so wichtig wie die Berichterstattung über militärische Manöver an sich.
Wir müssen die ganze Geschichte erzählen und nicht nur Teilaspekte, betont auch Agnes Nindorera.
Weiters wurde über die Diskrepanz zwischen objektiver und subjektiver Berichterstattung diskutiert. Unter den Teilnehmerinnen besteht weitgehend Konsens darin, dass die Person der Journalistin und des Journalisten nicht von ihrer/seiner Botschaft zu trennen sei. Der Spiegel, den diese der Gesellschaft vorhielten, sei keineswegs neutral, da die Objektivität der Berichterstattung durch immer neue subjektive Entscheidungen geprägt werde.
Nahed Awwad, Fernsehredakteurin aus Palästina, betont entschieden, dass sie keinen Weg fände, in ihrer Arbeit objektiv zu sein. Du lebst an dem Ort, an dem auf deine Freunde geschossen wird, wo sie im Gefängnis landen und deine Freiheit von Checkpoints beeinträchtigt ist.
Die Diskutantinnen stimmen überein, dass in solch einer Situation Journalistinnen und Journalisten aus dem Ausland mitunter ausgewogener berichten würden. Sie könnten sich von den Problemen vor Ort besser distanzieren. Das erfolge jedoch nur, wenn die Bereitschaft bestehe, in der Berichterstattung nicht nur an der Oberfläche des Konflikts zu kratzen.
Beispiele unterschiedlicher Medienprojekte aus dem Nahen Osten, Sri Lanka und Südafrika, die die Aussöhnung der lokalen Konfliktparteien bewusst unterstützen, zeigen alternative Herangehensweisen an Journalismus zwischen Krieg und Frieden: Journalistinnen und Journalisten sollten im Sinne einer friedlichen Lösung bewusst eine vermittelnde Position beziehen, indem sie die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien untereinander und mit einer breiteren Öffentlichkeit ermöglichen und fördern. Darin waren sich die KonferenzteilnehmerInnen einig.
Die Autorin ist freie Mitarbeiterin beim Rundfunksender Ö1. Sie lebt in Wien.
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