Geschichte

Von Redaktion · · 2012/04

Vor der Eroberung: Die Insel Hispaniola wird vom Volk der Taíno bewohnt. Sie sprechen eine in der Karibik verbreitete arawakische Sprache. Die Insel ist in fünf von Kaziken beherrschte Gebiete unterteilt; der größte Teil des heutigen Haiti gehört zu Xaragua.
1492: Kolumbus geht am 5. Dezember in Hispaniola an Land und reklamiert die Insel für die spanische Krone. Am Widerstand beteiligt sich auch Anacoana, eine Prinzessin von Xaragua, die später hingerichtet wird.
Frühes 16. Jahrhundert: Die Taíno werden von Beginn an von den spanischen Eroberern unterdrückt und ausgebeutet. Sie werden gezwungen, in Goldbergwerken zu arbeiten, und von europäischen Krankheiten dahingerafft. Binnen Jahrzehnten sind sie praktisch ausgestorben, mit Ausnahme isolierter Gemeinschaften in den Bergen.
1517: Karl V. genehmigt die Substitution der indigenen ZwangsarbeiterInnen durch importierte afrikanische SklavInnen.
17. Jahrhundert: Zuckerrohr- und Tabakplantagen werden angelegt, doch der westliche Teil der Insel wird von französischen Piraten und Plantagenbesitzern besiedelt.
1697: Mit dem Vertrag von Rijswijk tritt Spanien den Westen von Hispaniola an Frankreich ab. Das Gebiet ist nun als St. Domingue bekannt.
18. Jahrhundert: Unter französischer Kolonialherrschaft wird der Zuckerrohranbau ausgeweitet. Jedes Jahr kommen 20.000 neue afrikanische SklavInnen hinzu. Ende des 18. Jhdts. leben 465.000 afrikanische SklavInnen auf der Insel, außerdem zumindest 30.000 Farbige als freie Menschen und 20.000 EuropäerInnen.
1793: Zwischen dem französischen St. Domingue und dem spanischen Santo Domingo bricht Krieg aus. Auf spanischer Seite werden schwarze Rebellen rekrutiert und bewaffnet, darunter Toussaint Bréda, der den Namen seines früheren Herren und Plantagenbesitzers ablegt und sich fortan L’Ouverture („die Öffnung“) nennt.


Toussaint L'Ouverture

1794-1798: Toussaint L’Ouverture wechselt auf die Seite der französischen Republik, möglicherweise unter dem Eindruck der Abschaffung der Sklaverei in allen französischen Kolonien durch die Jakobiner am 4. Februar 1794. Seine Truppen bleiben gegen britische, spanische und royalistische Invasoren siegreich. Das Ideal der Gleichheit gilt, anders als in der französischen oder amerikanischen Revolution, in Haiti auch für Menschen nicht-weißer Hautfarbe.
1801: Unter L’Ouverture wird eine separatistische Verfassung erlassen. Napoleon Bonaparte entsendet eine Armee, um St. Domingue unter Kontrolle zu bringen und die Sklaverei wiedereinzuführen. Toussaints Truppen verteidigen sich erfolgreich. Bei vorgetäuschten Friedensverhandlungen wird er entführt und später in ein französisches Gefängnis gebracht, wo er 1803 stirbt.
1803: Die französischen Truppen werden in der Schlacht von Vertières im Oktober endgültig geschlagen, die Unabhängigkeit ist gesichert. Die früheren SklavInnen haben Armeen der drei mächtigsten Nationen der Erde besiegt.
1804: Der erste Tag des Jahres ist der Geburtstag der neuen, unabhängigen Nation Haiti. Sie ist nach dem Taíno-Wort „Ayiti“, „Land der Berge“ benannt. Toussaints Nachfolger als Armeeführer, Jean-Jacques Dessalines, wird Präsident.
1804-25: Großbritannien, Frankreich, Spanien und die USA sehen ihre auf Sklaverei basierenden Wirtschaften durch Haiti bedroht, verweigern dem neuen Staat die Anerkennung und verhängen ein ruinöses Embargo.
1806: Dessalines wird ermordet, was einen Bürgerkrieg zwischen dem schwarzen Norden und dem mulattischen Süden auslöst. Das Land zerfällt in zwei Teile.
1820: Jean-Pierre Boyer gelingt die Wiedervereinigung des Landes.
1822: Spanien zieht sich aus dem Westteil von Hispaniola zurück, Boyer übernimmt die Kontrolle über die Insel.
1825: Gegen eine Entschädigung von 150 Millionen Francs anerkennt Frankreich Haiti und hebt das Embargo auf. Um 1900 werden 80% des haitischen Budgets für die Schuldentilgung verwendet.
1844: Nach einer Revolution wird der Ostteil der Insel als Dominikanische Republik unabhängig.
1867: Beginn einer langen, von Bürgerkrieg und Wirtschaftskrisen geprägten Periode. Unternehmer aus Europa und den USA gewinnen zunehmend Einfluss.
1915: Die USA besetzen Haiti, der Widerstand wird in den folgenden vier Jahren von der Marineinfanterie niedergeschlagen. Haiti wird faktisch zur US-Kolonie. Straßen, Brücken und Schulen werden gebaut, oft unter Einsatz von Zwangsarbeit. Eine Nationalgarde sorgt für Ruhe und Ordnung.
1934: Die USA ziehen ab, behalten aber weiter Einfluss über die Armee und die mulattische Geschäftselite. Die Nationalgarde putscht gegen vier Präsidenten nacheinander.
1957: François Duvalier kommt an die Macht, unterstützt von den USA, der Armee und der Nationalgarde. Der ehemalige Landarzt wird als „Papa Doc“ bekannt.
1959: Duvalier gründet eine paramilitärische Truppe zur Absicherung seiner despotischen Herrschaft, die Tontons Macoutes.
1964: Duvalier wird Präsident auf Lebenszeit.
1971: „Papa Doc“ stirbt, doch seine absolute Macht geht auf seinen 19-jährigen, als Playboy bekannten Sohn Jean-Claude über.
1986: Unter Druck von Organisationen der Zivilgesellschaft und der internationalen Kritik an Menschenrechtsverletzungen flieht Duvalier in einem Transportflugzeug der US-Armee. Unter seiner Herrschaft sollen 40.000 Menschen ermordet worden sein.
1987: Bei einem Referendum wird eine neue demokratische Verfassung angenommen.
1988: Wahlen finden statt, doch der Sieger wird binnen Monaten von der Armee abgesetzt. Der Putschgeneral wird drei Monate danach selbst gestürzt.
1990: Mit Unterstützung der aufblühenden Zivilgesellschaft gewinnt der Befreiungstheologe und Priester Jean-Bertrand Aristide mit überwältigender Mehrheit die Präsidentschaftswahlen.
1991: General Raoul Cédras setzt Aristide ab. In der Folge verhängt die UNO ein Finanz-, Öl- und Waffenembargo.
1994: Nach drei Jahren brutaler Unterdrückung und 5.000 Morden an RegimegegnerInnen gelangt Aristide wieder an die Macht.
1995: UN-Friedenstruppen kontrollieren Haiti; René Préval gewinnt die Präsidentschaftswahlen.
2001: Aristide wird neuerlich zum Präsidenten gewählt. Die USA und multilaterale Institutionen halten ihre Hilfszusagen nicht ein.


Michel Martelly

2004: Der 200. Jahrestag der Unabhängigkeit ist von Demonstrationen geprägt. Frankreich und die USA fordern den Rücktritt Aristides. Aristide und seine Familie werden ins Exil in Afrika gezwungen. Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (MINUSTAH) übernimmt die Kontrolle Haitis; westliche Geberländer sagen eine Mrd. US-Dollar für den Wiederaufbau zu.

 

2004-6: Unter dem De-facto-Regime von Gnaden der UNO und der USA sind Aristide-AnhängerInnen und Demokratie-AktivistInnen neuerlich einer intensiven Verfolgung ausgesetzt.
2010: Im Jänner wird Haiti von einem schweren Erdbeben erschüttert; geschätzte 220.000 Menschen sterben, 1,6 Millionen werden obdachlos. Später im Jahr bricht in Zentral-Haiti die Cholera aus, die von nepalesischen Soldaten der MINUSTAH eingeschleppt wurde. Bisher forderte die Epidemie 6.472 Todesopfer, 700.000 Menschen erkrankten.
2011: Der beliebte Sänger und Entertainer Michel Martelly, bekannt unter seinem Bühnennamen „Sweet Micky“, wird zum Präsidenten gewählt. Zuvor hatte internationaler Druck für eine Korrek-tur der Ergebnisse der ersten Wahlrunde gesorgt, um seine Teilnahme an der zweiten Runde sicherzustellen.

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