Industrielle Revolution
Die Textilfabriken von Lancashire waren die Motoren der industriellen Revolution in England. Wegen der beklagenswerten Arbeitsbedingungen wurden sie als „infernalisch“ beschrieben – Hungerlöhne, Kinderarbeit, 18 Stunden Arbeit pro Tag. Richard Arkwright führte das erste industrielle Produktionssystem ein, das auf gestohlener Spinn- und Webtechnik beruhte und mit einem Wasserrad angetrieben wurde. Die neuen Fabriken wurden zum Ziel nächtlicher Angriffe durch Weber und Spinner („Maschinenstürmer“), die durch die Maschinen ihre Arbeit verloren hatten. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die von James Watt erfundene Dampfmaschine erfolgreich in der Textilindustrie eingesetzt. 1839 arbeiteten in der Textilindustrie Manchesters rund 200.000 Kinder. Die Lebenserwartung der Armen in Manchester belief sich auf nur 17 Jahre, 57 Prozent der Lebendgeborenen starben, bevor sie fünf Jahre alt waren. Karl Marx war dutzende Male in Lancashire. Schließlich schrieb er gerade „Das Kapital“ – und was er dort vorfand, war Kapitalismus in Reinkultur, grausam und blutrünstig, aber auch unglaublich erfolgreich, gemessen an Produktion und Profiten. Damit war die Brutalität der Baumwollverarbeitung vorgegeben, die bis heute existiert, von Dhaka in Bangladesch bis zu den Exportzonen in China.
Kolonialzeit
Der Boom der Textilindustrie in Lancashire war nur hinter hohen Zollmauern möglich, die gegen die Konkurrenz aus Indien errichtet wurden, dem damaligen Zentrum der weltweiten Textilproduktion. Indische WeberInnen hatten mit ihrer hohen Qualität und ihren niedrigen Kosten das Geschäft seit Jahrhunderten dominiert. Dass sich das änderte, war britischem Protektionismus und der Ausdehnung des Herrschaftsbereichs des britischen Kolonialreichs durch die East India Company zu verdanken, einer frühen Form einer „Public Private Partnership“. Indien wurde von einem Textilexporteur in einen Lieferanten von Rohbaumwolle für die Fabriken in Lancashire verwandelt. Dazu brauchte es einige Brutalität: Indischen WeberInnen wurden die Hände zerquetscht oder die Daumen abgeschnitten; Wuchersteuern wurden eingeführt, um die Baumwollproduktion anzukurbeln, was nebenbei zu Hungersnöten führte. Als sich Gandhi an die Spitze der Bewegung gegen importierte britische Textilien und für indische Handwebstühle setzte, traf Winston Churchill die damalige Mentalität auf den Punkt, als er Gandhi als „aufrührerischen zweitklassigen Anwalt“ und „halbnackten Pseudo-Fakir“ denunzierte.
Sklaverei
Die Geschichte der Baumwolle und der Sklaverei sind eng miteinander verbunden. Die SklavInnen von der Westküste Afrikas wurden für alle möglichen Zwecke verwendet, vor allem aber zur Arbeit auf den Zucker- und Baumwollplantagen. Insgesamt elf Millionen Menschen wurden aus ihren Familien und Gesellschaften herausgerissen, um den Reichtum der Neuen Welt zu begründen. Im so genannten „Dreieckshandel“ wurden SklavInnen nach Westen, Baumwolle nach Osten und Industriewaren nach Süden transportiert.
Von Brasilien bis Georgia wurde „Baumwollpflücken“ zum Synonym für die Degradierung von Menschen zum bloßen Hab und Gut. Die mündliche Überlieferung der Sklaverei in den USA ist von den Rhythmen der Baumwollfelder geprägt. Um 1860 deckte der Süden der USA 80 Prozent des britischen Baumwollbedarfs und zwei Drittel der Weltnachfrage. Indische BäuerInnen konnten nicht mit Sklavenarbeit konkurrieren. Aber die Herren der Webstühle, die Chefs der Textilindustrie in Großbritannien und zunehmend auch im Nordosten der USA, gerieten unter Druck der AbolitionistInnen. Die Tage der Sklaverei waren gezählt. Die „Befreiung der Arbeit“ war der zentrale Slogan, auch wenn einige vom Unterschied zwischen Sklaverei und Ausbeutungsbetrieb nicht viel bemerkten.
Copyright New Internationalist