Gekommen, um zu bleiben

Von Marina Wetzmaier · · 2020/Jan-Feb

Politischer Gegenwind zum Trotz: Die Organisationen Lefö, Peregrina und Maiz feiern ihr langjähriges Bestehen und damit ihren Einsatz für die Rechte von Migrantinnen.

Von Marina Wetzlmaier

Dienstag ist Yoga-Abend bei Maiz. Jede Teilnehmerin wird herzlich begrüßt, wie eine langjährige Freundin. Man bekommt das Gefühl von Solidarität, Solidarität unter Migrantinnen, die Widerstand leisten. Gegen Unterdrückung, Diskriminierung und Rassismus, denen sie sich in ihrem Alltag stellen müssen.

Dementsprechend kämpferisch tritt Maiz in der Öffentlichkeit auf: „Unterdrückt, aber nicht besiegt“, unter diesem Motto feierte kürzlich das autonome Zentrum von und für Migrantinnen in Linz sein 25-jähriges Bestehen. Maiz mache weiter, heißt es, „trotz Anspucke im Bus, trotz Beschimpfungen, trotz reduzierter Mindestsicherung, trotz verschimmelter Wohnungen“.

Über das ganze Jahr verteilt gab es Veranstaltungen, von Lesekreisen über künstlerische Aktione bis zu einem Wissenslabor, das im Rahmen von Workshops gemeinsam widerständiges Wissen produzieren soll. So bewegt sich Maiz zwischen kritischer Theorie, ständiger Selbstreflexion und niederschwelligen Angeboten für Migrantinnen (etwa Basisbildungskursen und Beratungen).

Ganz allein ist der Kampf für die Rechte von Migrantinnen jedoch nicht möglich. „Das geht nur miteinander“, sagt Renate Blum, eine der Leiterinnen von Lefö in Wien. Auch Lefö ist eine sogenannte Migrantinnenselbstorganisation mit „feministischen und antirassistischen Prinzipien“, wie Blum es beschreibt. Heuer feiert die Organisation bereits ihr 35-jähriges Jubiläum.

Pionierinnen-Arbeit. Was der Begriff Selbstorganisation bedeutet, veranschaulicht die Entstehungsgeschichte der beiden Vereine. Luzenir Caixeta ist eine der drei Pionierinnen von Maiz. Sie beschreibt sich und ihre Kolleginnen als Privilegierte. Sie waren Studentinnen und Akademikerinnen aus Brasilien und kamen teilweise mit Stipendien nach Österreich. Die Gründerinnen von Lefö flohen aus den Diktaturen in Lateinamerika nach Österreich, kamen als politisch Verfolgte.

Der rote Regenschirm ist das Symbol des weltweiten „Sex Worker Movement". Hier bei einer Kundgebung von Maiz in Linz.© Violetta Wakolbinger

Erste Aktivitäten fanden sporadisch statt, als lose Treffen von Frauen, welche die gleiche Sprache sprachen und sich gegenseitig beim Neuanfang in einem fremden Land unterstützten. Ihr politisches Engagement, das sie aus ihren Heimatländern mitgebracht hatten, kam bald in Österreich zum Einsatz.

Auslöser war dabei das erste Fremdenrechtspaket Anfang der 1990er Jahre. „Damals hat Lefö eine Informationsveranstaltung in Linz organisiert“, erzählt Caixeta. „Im Publikum waren fast nur Sexarbeiterinnen, über 50 Frauen. Sie waren sehr bestimmend und hatten viele Fragen.“

Lefö hatte sich als eine der ersten Organisationen speziell für die Rechte von Sexarbeiterinnen stark gemacht. Den Gründerinnen von Maiz wurde klar, wie hoch der Bedarf an Beratung war. Sie nutzten ihre privilegierte Position, um an Information zu kommen, sich zu vernetzen, die Frauen zu unterstützen und zu Behörden zu begleiten.

Gleichzeitig sieht Caixeta die Frauen in der Sexarbeit als Mitbegründerinnen. Die erste organisierte Aktivität von Maiz war ein Deutschkurs nur für diese Zielgruppe. „Sie hatten darüber geklagt, dass die bestehenden Deutschkurse nicht für sie passten. Einerseits von den Kurszeiten her, andererseits fühlten sie sich dort nicht wohl.“ Durch ihre Arbeit waren diese Frauen selbst unter den Migrantinnen stigmatisiert. Bis heute bleibt Maiz ihrer Unterstützung für Sexarbeiterinnen treu. Auch wenn der Bereich ohne öffentliche Finanzierung auskommen muss.

Spezielles Wissen gefragt. Warum spezielle Angebote für Migrantinnen wichtig sind, erklärt Gamze Ongan: „Migrantinnen sind in einer rechtlichen Situation, die eine besondere Expertise braucht“, so die Obfrau des Vereins Peregrina in Wien. „Eine Frau ohne österreichische Staatsbürgerschaft muss doppelt so gut verstehen, wie sich eine Situation auf ihr Leben auswirkt.“ Etwa wenn sie vor einer Scheidung steht und damit womöglich ihr Aufenthaltsrecht verliert.

Wie Maiz und Lefö hat Peregrina anfänglich rein ehrenamtlich begonnen. Die Gründerinnen waren Frauen aus der Türkei und aus Österreich. Sie waren Studentinnen, die sich Deutschland zum Vorbild nahmen, wo es bereits Vereine für Migrantinnen gab. Mittlerweile sind Frauen aus vielen Ländern bei Peregrina zu finden, in den Kursen und als Mitarbeiterinnen: „Wir sind so vielfältig wie unsere Klientinnen“, sagt Ongan.

So wuchsen die Organisationen mit den Migrantinnen, die zu ihnen kamen, auch thematisch.  „Wir haben immer von den Frauen gelernt, die zu uns gekommen sind“, sagt Renate Blum von Lefö. Ebenso beschreibt Luzenir Caixeta die Arbeit von Maiz: „Wir haben nur Angebote, für die Bedarf besteht. Wenn die Frauen sagen, wir brauchen das, helft uns das zu organisieren.“ Peregrina begann unter anderem mit Alphabetisierungskursen, Lernhilfen für Kinder und Maschinenschreiben. Später wurde das Freizeitangebot durch „hard facts“ abgelöst, wie es Ongan nennt: Rechts- und Sozialberatung sowie Therapieangebote gehören zu den heutigen Schwerpunkten. Seit ein paar Jahren reagiert Peregrina auf die steigende Armut und auf höhere Scheidungsraten bei ihren Klientinnen.

Für Caixeta wird das Thema „alt werden“ in der Migrationsgesellschaft immer aktueller: „Die erste Generation kommt ins Pensionsalter. Die Frauen sind dann mit neuen Herausforderungen konfrontiert.“

Förderkürzungen. Nach den Jahrzehnten ihres Engagements sind Lefö, Peregrina und Maiz zu wichtigen gesellschaftspolitischen Akteurinnen geworden. Nicht nur Bildung und Beratung für Migrantinnen sind ihnen ein Anliegen, sondern Interventionen auf verschiedenen Ebenen. Durch Stellungnahmen bei Verschärfungen des Fremdenrechts, aber auch in Form von Kunstaktionen im öffentlichen Raum und der Beteiligung an Forschungsprojekten. Dass sie damit nicht nur Anerkennung erhielten, liegt auf der Hand. „Seit es uns gibt, werden wir verfolgt“, beschreibt eine Aktivistin von Maiz die Situation. Dies führte Ende 2017 dazu, dass Maiz (ebenso wie den Frauenorganisationen FIFTITU% und ARGE Sie) die gesamte bis dahin vom Land Oberösterreich gewährte Förderung gestrichen wurde. Maiz hatte bereits davor auf Schwierigkeiten reagiert und den Bildungsbereich in einen eigenen Verein ausgelagert, der sich „das Kollektiv“ nennt. „Wir sehen es nicht als Trennung, sondern als Vermehrung“, sagt Caixeta schmunzelnd. Vor dieser Vermehrung hatte die Organisation über 40 Mitarbeiterinnen, viele davon Deutschlehrerinnen, heute arbeiten bei Maiz zwölf Personen.

„Wir kämpfen permanent ums Budget“, klagt auch Blum. Vor allem die türkis-blaue Regierung habe das Umsetzen neuer Projekte gestoppt. Somit finden etwa weniger Beratungen statt. „Das erhöht den Druck auf die Mitarbeiterinnen und auf die Frauen“, so die Lefö-Leiterin. „Es gäbe erhöhten Bedarf, aber dem können wir nicht mehr nachkommen.“

Peregrinas Motto zum 35-Jahr-Jubiläum, „still standing“, deutet auf die Hochs und Tiefs in ihrer Arbeit hin. Immer wieder fielen Geldgeber weg, wurden Projekte nicht mehr verlängert oder mussten Stellen gestrichen werden. Doch Obfrau Ongan sieht es auch positiv: „Immerhin gibt es uns seit 35 Jahren und wir haben uns von drei Ehrenamtlichen zu einem Verein mit 20 angestellten Mitarbeiterinnen entwickelt.“

Marina Wetzlmaier ist freie Journalistin und lebt in Wels/Oberösterreich.

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