Geben ist seliger denn nehmen

Von Maria Anna Dessewffy · · 1999/01

World Vision Österreich soll sich von Spendengeldern ordentlich genommen haben. Die Spendenfreudigkeit der ÖsterreicherInnen hat dadurch offenbar nicht gelitten. Doch der kritische Blick auf die Spendensammelorganisationen wächst. Diese streben ein Gütesi

„Meine Spende lebt!“ – Robert Hochner hält ein Bild von Karl Habsburg in Händen. Darunter folgender Text: In Wien, Brüssel und Bad Ischl. Jahressammlung 1998. Jede noch so kleine Spende kann eine politische Karriere retten. Erlagscheine am Postamt und bei vielen Geldinstituten. Logo: Karlitas Ohne Ihre Hilfe bin ich hilflos. (Karikatur im „Falter“ 52/98, Best of Böse)

Doch die Grundeinstellung der österreichischen SpenderInnen blieb vom World Vision-Skandal offensichtlich unerschüttert. Eine am 1.und 2. Dezember 1998 vom Meinungsforschungsinstitut Market durchgeführte Umfrage ergab, daß sich an der Spendenfreudigkeit der ÖsterreicherInnen auch nach Auffliegen der Unterschlagungsaffäre nichts geändert hat.

Die Umfrage war nur wenige Tage, nachdem der Skandal aufgeflogen war, durchgeführt worden, wobei die aktuellen Ergebnisse mit jenen des Jahres 1996 verglichen worden sind.

Während 1996 nur 4 % „grundsätzlich gerne“ spendeten, waren es diesmal 11 %. „Grundsätzlich nicht spenden“ würden jetzt 15 %, 1996 waren es noch 31 % gewesen. Eine Veränderung ergab sich bei den kritischen SpenderInnen. 46 Proznet der Befragten würden sich jetzt genauer ansehen, für wen oder welche Institution sie spenden würden, während es 1996 nur 36 % waren.

Allerdings, so Gerhard Bittner vom Österreichischen Institut für Spendenwesen (ÖIS), könnten sich diese Vorkommnisse auf den schon bisher mühsamen Umgang mit der großen Gruppe der Nichtspender, immerhin über 50 % der erwachsenen ÖsterreicherInnen, auswirken. Sie könnten sich in ihrer bisherigen Haltung bestätigt fühlen. Deshalb wird es allen Organisationen noch schwerer fallen, diese Personengruppe mit Initiativen zu erreichen.

Bei den SpenderInnen hingegen scheinen die Vorgänge um World Vision, im Sinne einer Trotzreaktion, positive Effekte gezeitigt zu haben.

Dies bestätigt auch Heinz Patzelt, Geschäftsführer der österreichischen Sektion von amnesty international. Bei seiner Organisation konnte in den letzten Wochen sogar ein deutlicher Zuwachs an SpenderInnen beobachtet werden. Seiner Meinung nach ist diese Tendenz darauf zurückzuführen, daß viele SpenderInnen, die mal die eine, mal die andere Organisation unterstützen, wieder zu jenen zurückkehren, die bekanntermaßen seriös agieren.

Nur manche kleinere Organisation, wie z.B. der Evangelische Arbeitskreis für Weltmission, mußte einen geringen Rückgang der Spendenerträge verzeichnen. Auffälliger jedoch war, so dessen Leiter Gottfried Mernyi, daß in den regionalen Sammlerkreisen jetzt sehr genau nachgefragt würde, wie die Organisation funktioniere und ob das Geld möglichst direkt und ohne hohe Verwaltungs- und Überweisungskosten ankäme.

Gemäß Robert Francan von der Interessensvertretung Österreichischer Gemeinnütziger Vereine (IÖGV) habe es bisher wenig bis keine negativen Auswirkungen des Skandals gegeben. Man könne vielmehr von einem guten Spendenjahr 1998 sprechen.

Um der Spendenbereitschaft, die ja auch im Interesse des Staates liegt, einen Anreiz zu geben, sollte dieser mit der steuerlichen Absetzbarkeit von gewissen Spendenbereichen ein Signal setzen. Dies hätte dann den positiven Nebeneffekt einer amtlichen Registrierung und wäre somit auch eine Orientierungshilfe für SpenderInnen.

Von der Steuer abgesetzt werden können bis jetzt nur Spenden für etwa 200 Forschungseinrichtungen, dem sogenannten „geförderten Empfängerkreis“, etwa der Krebsforschung des St. Anna-Kinderspitals in Wien.

Auch die IÖGV tritt für klare Regelungen ein, wer in welcher Form gefördert werden soll, z.B. bei Postgebühren oder Gebühren bei Bankeinzahlungen von Spenden. Bei einer Förderung müsse klar unterschieden werden, welche Organisationen für die Gesellschaft ganz wesentliche Funktionen übernähmen und welche Hobbyvereine seien, z.B. Briefmarkensammler-, Sport- oder Autofahrerklubs.

Ein Mittel zur Feststellung der Förderungswürdigkeit wäre beispielsweise das Vergeben eines Spendengütesiegels. Nach Auffliegen von einschlägigen Skandalen ist man sich einig, daß so etwas kommen muß. Über das „Wie“ scheiden sich die Geister.

Sowohl das ÖIS als auch die IÖGV arbeiten seit geraumer Zeit an diesem Ziel. Ein öffentlich anerkanntes Spendengütesiegel könnte bis Weihnachten 1999 ausgearbeitet werden. Schließlich gibt es so etwas schon in Deutschland (DZI-Gütesiegel, vom Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen ausgestellt), in Schweden, Holland und in der Schweiz. Sie alle folgen einem einheitlichen europäischen Kriterienkatalog, und da müsse man bloß abschreiben.

Warum es trotzdem solange dauert, kann sich Gerhard Bittner nur so erklären: „Viele große Organisationen haben Angst um ihre Marke. Sie meinen, ihr Logo wäre bei einem Spendenaufruf vertrauenswürdig genug, daher brauchen sie nicht unbedingt ein Gütesiegel, denn dadurch könnte ihre Marke abgeschwächt werden.“

Ein anderer Grund kann aber sein, daß sich die Organisationen einfach nicht auf einen Kriterienkatalog einigen können. Einig sind sich zumindest alle Kleinen darin, daß ein Spendengütesiegel keinen Sinn hat, wenn die Großen daran nicht teilnehmen.

Wichtig ist allen Organisationen in erster Linie Transparenz und Glaubwürdigkeit – und da bedarf es zuerst einer Reform des Vereinsrechtes. Ein entsprechendes Modell soll nicht nur formale Kriterien für die Wirtschaftsprüfung, sondern auch eine inhaltliche Prüfung hinsichtlich der Satzungskonformität der Mittelverwendung enthalten. Das, so die ÖIGV, soll eine Basis für weitere Begünstigungen sein.

Der Staat, die Wirtschaft und ihre Partner sollten sich darauf verlassen können, daß sie seriös agieren und Qualitätsstandards einhalten, und zwar von der Entscheidungsfindung bis hin zur Abrechnung eines einzelnen Projektes.

Vorschläge zur Finanzierung dieser Kontrolle gibt es bereits. Wenn es nach den Liberalen geht, so sollte ein derartiges Prüfinstitut in den ersten drei Jahren von der öffentlichen Hand finanziert werden. Danach müßten die so ausgezeichneten Vereine Mittel aus ihren Einnahmen zur Verfügung stellen. Wer dieses Gütesiegel erhalte, solle automatisch zum bereits vorhin erwähnten „geförderten Empfängerkreis“ gehören.

Elisabeth Hotter, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Information der Caritas, sieht vorallem drei wichtige Ansatzpunkte: die bereits erwähnte Reform des Vereinsrechtes, wobei Vereine ab einem bestimmten Budget genauer kontrolliert werden sollten. Zweitens: eine Verbesserung des Qualitätsmanagements, und drittens: eine seriöse Wirtschaftsprüfung.

Eine Vorreiterrolle in puncto Spendengütesiegel kommt den evangelischen Hilfsorganisationen zu. Ihre Kirche hat bereits seit 1996 die Evangelische Evidenzstelle für spendensammelnde Organisationen eingerichtet. Innerhalb dieser wurden Kriterien zur Selbstverpflichtung ausgearbeitet, wobei auch nicht-evangelische Organisationen willkommen sind. Hier werden nicht nur formale finanztechnische Kriterien, sondern auch inhaltliche Kriterien überprüft. Beispielsweise, ob bei einer Sammelaktion Provisionen gezahlt werden.

Gute Vorschläge gibt es zu Hauf. Zu den am häufigsten gehörten zählt die Angabe von Prozentsätzen für Verwaltungskosten am Gesamtbudget. Was diese umfassen, definiert allerdings jede Organisation für sich selbst.

Können Mittelbeschaffungs-, Buchführungs- oder Personalkosten etwa in einen Topf geworfen und nach einem Grundraster beurteilt werden, ohne die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen? Kann etwa eine Caritas, die nach eigenen Angaben die Infrastruktur der Pfarren nützt und dadurch Personalkosten spart, mit einer viel kleineren Organisation wie z.B. der Christoffel Blindenmission verglichen werden? Wohl kaum. Auch wenn man bei der Caritas bemüht ist, so sparsam und kreativ wie möglich zu sein: Für die Zentrale werden als Verwaltungskosten 7 %, für die Bundesländerzweigstellen zwischen 5 und 10 % des Gesamtbudgets angegeben.

Laut Gerhard Bittner ergab eine Umfrage 1996, daß die SpenderInnen Verwaltungsausgaben von ca. 11 % als akzeptable Obergrenze empfinden. Doch die Berechnungskriterien sind eine Frage der Definition. So werden bei SOS-Kinderdorf nur 4,9 % Verwaltungskosten als solche deklariert. Sie umfassen aber nur das Rechnungswesen im klassischen Sinn. Und „da fängt schon das Dilemma an“, meint Geschäftsführer Wilfried Vyslozil: „Unsere Organisation müßte, wenn sie zur Gänze nach dem Handelsrecht buchen würde, ihre Buchhaltungsmannschaft von derzeit 9 auf 14 Personen aufstocken. Und das steht in unseren Augen in keiner vernünftigen Relation. Es muß auch klar sein, daß mehr Transparenz, also vollprofessionelle und handelsrechtliche Grundlagen teurer sind.“

Unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen arbeitet wiederum amnesty international. Mit den Spenden wird ganz bewußt die Organisation finanziert, was bei anderen verpönt ist. Denn das Geld, das in die Organisation fließt, wird für die Arbeit im Rahmen der Organisation verwendet, z.B. für die Bezahlung der Researcher, die in Krisengebiete reisen und über die dortige Menschenrechtssituation berichten.

Der Spendenmarkt ist heiß umkämpft. Wie viele Organisationen um Spenden heischen, kann nicht einmal geschätzt werden. Diesem Wettbewerb entspringen phantastische Blüten – nicht nur in Österreich. In Spanien z.B., wo die Spendenunlust der Frommen durch Angst vor Straßenräubern erklärt wird, fand man sichere Abhilfe. Die Madrider Almudena-Kathedrale akzeptiert bereits Kreditkarten, Automaten regen zum Spenden an.

Aber modern ist die Kirche dort schon länger. So sind Bankomaten von Neonkerzen flankiert, die bei jeder Geldbehebung praktischerweise ans gute Herz appelieren.

Weniger modern, dafür aber umso aggressiver gehen hierzulande manche Tierschützer vor. Rotgekleidete Gestalten bringen ahnungslose Passanten durch Fragen in Verlegenheit wie: Haben Sie kein Herz für Tiere? Wußten Sie schon, daß eine Gesetzesnovelle vorbereitet wird, die den Genuß von Hundefleisch gestattet? Nicht weniger hartnäckig sind Keiler, die in Uniformen und mit vorbereiteten Daueraufträgen anrücken. Wenn jemand bereits für eine andere Organisation spendet, wird ihm angeboten, den alten Dauerauftrag zu stornieren und einen zu ihren Gunsten zu erteilen.

Einen weniger aggressiven, aber umso nachhaltigeren Weg beschreitet nun Greenpeace: Wohlhabende Bürger werden gezielt angesprochen und aufgefordert, die Umweltorganisation testamentarisch zu bedenken. Ein eigener Mitarbeiter wurde für diese Aufgabe abgestellt.

Der Grund für solche und ähnliche Maßnahmen ist, daß traditionelle Mailings, also per Post versendete Spendenaufrufe, heutzutage kaum mehr die Kosten hereinbringen. Deshalb hat amnesty international einen Versuch gestartet, Förderer auf der Straße anzusprechen. Damit, so Geschäftsführer Patzelt, könne man offenbar Menschen erreichen, die man durch das traditionelle Mailing nicht erreicht. Bezahlt wird ein Fixum für die aufgewendete Zeit der Informationstätigkeit, egal, ob sie zu einer Spende, einem Dauerauftrag oder bloß zur Informationsverbreitung führt. Außerdem meint man bei amnesty international, werbe man zu Recht um Spenden. Denn ein Grundsatz dieser Organisation ist, niemals Geld von Regierungen zu nehmen, um die völlige Unabhängigkeit zu bewahren.

Bei der Caritas wird die Marke in jeder Hinsicht genutzt und eingesetzt. Elisabeth Hotter meint, sie sei es gewohnt, die Leute jeden Tag zu bitten. Wichtig sei ihr: Einsatz und Phantasie. So arbeiten viele mit geringer Aufwandsentschädigung oder auch gratis für sie. Die Caritas zahle keinen Schilling für Schaltkosten, Spots oder an die Plakatfirma, denn schließlich gebe es auch bei scheinbar harten Wirtschaftsleuten ein Bedürfnis zu helfen, das angesprochen werden muß.

Die Autorin ist Dolmetscherin für Englisch und Ungarisch und langjährige Mitarbeiterin für Hintergrundberichterstattung im ORF-Hörfunk.

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