In Bangladesch wird die Garnelenzucht mit Krediten von Weltbank und Regierung gefördert. Das wertvolle Ökosystem Mangrovenwald und die Lebensgrundlagen der ansässigen Fischer und Bauern werden dabei kurzfristigen Profitinteressen geopfert.
Der Mangrovenwald bildete die Lebensgrundlage der Menschen, die seit 1929 in einer Siedlungsgenossenschaft das staatseigene Land bewohnen. In den Mangrovengewässern tummelten sich zahlreiche Fischarten, Krabben und andere Wassertiere. Der Wald bot Weidefläche für Wasserbüffel, Kühe und Ziegen. In ihm fanden die Menschen Holz, Honig, Früchte, Heilpflanzen und vieles mehr.
Der Fischer Ayub Ali ist 73 Jahre alt und erinnert sich an seine Kindheit: Es war hier alles dichter Wald. Fisch hatten wir damals in Hülle und Fülle. Einmal die Netze auswerfen, und wir hatten 80 Kilogramm gefangen. Heute kann ich froh sein, wenn ich zwei Kilo fange. Der Fischbestand ist um 90 Prozent zurückgegangen. Viele Arten gibt es gar nicht mehr.
Mit den Mangroven verschwanden auch zahllose Vogel- und Wildtierarten. Fast niemand hat mehr Wasserbüffel, denn sie Wnden kein Futter mehr.
Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre förderten EntwicklungsexpertInnen der Regierung und der internationalen Finanzorganisationen die Anlage von Garnelenzuchtbecken. Dem armen Bangladesch wollte man damit zu einer guten Devisenquelle verhelfen. Um die Zuchtbecken einzudeichen, um Schleusen und Verbindungswege zu bauen, stellte man dem Projekt unter Federführung der Weltbank Kredite in Höhe von 36,7 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Die Fischereibehörde teilte 10.000 Hektar Land in Parzellen und vergab in mehreren Schritten Pachtlizenzen. Der GarnelenGoldrausch begann. Mit allen Mitteln versuchten reiche Leute aus Dhaka und Chittagong mit guten Beziehungen, die begehrten Lizenzen zu erwerben. Bis Mitte der achtziger Jahre wurden die Mangroven bis auf vereinzelte Reste vollständig abgeholzt.
Der Widerstand der Betroffenen blieb ohne Erfolg. Zwei Dorfbewohner sind erschossen worden und viele kamen ins Gefängnis, resümiert Ayub Ali das Ergebnis. Die Regierung hat unseren Standpunkt einfach ignoriert.
Die Lebensbedingungen der Fischer haben sich durch die Garnelenzucht extrem verschlechtert. All das, was sie vorher umsonst im Mangrovenwald fanden, etwa Feuerholz oder Heilpflanzen, müssen sie jetzt für teures Geld kaufen. Doch nur die wenigsten haben einen Job auf den Garnelenfarmen gefunden.
Ganz anders sieht das Anwarul Islam Chowdury, der Präsident der Garnelenzüchtervereinigung. Er vertritt die Interessen von 1500 Garnelenfarmern. Viele davon sind Subpächter, die das Risiko der Garnelenzucht übernehmen. Der Hauptpächter streicht dabei ohne jede Mühe satte Gewinne ein. Chowdury selbst besitzt 180 Hektar Garnelenfarmen und ist zufrieden. Er versteht die Kritik nicht. Das Land profitiert von der Garnelenzucht. Wer hier investiert, macht gute Geschäfte.
Die Fisch- und Garnelenzucht verschafft Bangladesch fünf Prozent des Volkseinkommens. 1997 produzierte das Land 1,5 Millionen Tonnen Fisch und Garnelen und erzielte damit 314 Millionen US-Dollar Exporterlöse, 85 Prozent davon durch Garnelen. Die Hauptabnehmer sind die USA, Japan und Europa.
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Garnelenzucht ums Hundertfache gesteigert. Golam Mustafa, der Leiter des staatlichen Fischereiforschungszentrums in Coxs Bazar, betrachtet diese Entwicklung mit Sorge, denn die starke Ausweitung der Garnelenzucht birgt ein hohes Krankheitsrisiko. Viele Züchter mussten bereits große Verluste durch die sogenannte White-SpotDisease hinnehmen, eine Viruserkrankung, gegen die es keine wirksamen Medikamente gibt.
Er hält die Garnelenzucht in Gebieten, die vorher von Mangroven bedeckt waren, auch aus ökonomischen Überlegungen für falsch. Langfristig sei der Nutzen des Waldes wesentlich höher als der aus der Garnelenzucht. Denn die Mangroven bilden Laichund Brutplätze, sie verhindern die Erosion und tragen zur Landgewinnung bei. Außerdem schützen sie das Land vor Zyklonen. Wenn man das alles berechnet, kommt man auf den zehnfachen Wert der derzeitigen Garnelenfarmen. Aber wenn die Mangrovenwälder einmal zerstört sind, kann man sie nicht wieder aufforsten, da eine Vielzahl von Arten verloren gegangen ist.
Christian Brüser ist Print- und Hörfunkjournalist in Wien. Ermöglicht wurde die Recherchereise nach Bangladesch durch das Arbeitsstipendium des Landes Steiermark, das unter dem Titel Neoliberalismus und die Verarmung der Länder des Südens ausgeschrieben war. Ende März erhielt Brüser für ein Hörbild über den Tod eines indischen Asylwerbers den Andreas-Reischek-Preis 2000 des ORF-Oberösterreich zugesprochen.
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