Mit der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) würde Österreich Schiedsverfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten akzeptieren. Warum das im Fall von Österreich nicht sinnvoll wäre und die Verfahren einseitig sind, darüber sprach Südwind-Mitarbeiter Ralf Leonhard mit der Anwältin Mahnaz Malik.
Südwind-Magazin: In Österreich macht man sich Sorgen, dass das TTIP die sozialen sowie Umweltstandards drücken könnte. Zu Recht?
Mahnaz Malik: Das kommt darauf an. Nehmen wir den Fall des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall in Deutschland: Vattenfall klagte Deutschland wegen des Atomausstiegs und verlangt Entschädigung für erwarteten Gewinnausfall. Das wirft die Frage auf, ob österreichische Steuerzahler sich das Risiko aufbürden wollen, dass sie für Entschädigungszahlungen aufkommen, wenn etwa Umweltstandards gegen Schutzklauseln im TTIP verstoßen.
Würden sich Unternehmen ermutigt fühlen, unsere Standards anzugreifen, wenn sie deren Geschäfte schädigen?
Manche Unternehmen fürchten schlechte Presse, wenn sie Umweltstandards attackieren. Andere kümmert das wenig. Der Tabakkonzern Philip Morris klagt Australien, weil ein neues Gesetz einheitliche Zigarettenpackungen ohne Logo vorschreibt. Entscheidend ist, dass es einen Mechanismus gibt, der solche Klagen erlaubt. Ob er dann wirklich genutzt wird oder nicht, ist eine andere Frage.
Wie oft setzen sich die Unternehmen in Schiedsverfahren durch?
Laut UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) gewinnen die Investoren etwa 40 % der bekannten Fälle. Die Staaten setzen sich in etwa 30 % der Verfahren durch und etwa 26 % enden mit einem Vergleich. Für einen Staat ist ein Sieg aber meist ein Pyrrhussieg, weil er auf seinen Kosten sitzen bleibt. Wenn ein Investor gewinnt, dann bekommt er in der Regel eine hohe Entschädigungssumme. Selbst die Vergleiche sind teuer. Entweder ist der Anspruch des Klägers so schwach, dass er diesen Ausweg sucht oder der Staat kommt ihm finanziell entgegen. Sonst gäbe es ja keinen Anreiz für einen Vergleich.
Schiedsgerichte zum Schutz von Investoren
1959 schlossen Deutschland und Pakistan das erste Investitionsschutzabkommen. Inzwischen gibt es weltweit etwa 3.000 solcher Abkommen. Konzerne versichern sich damit gegen unberechenbare Regierungen und voreingenommene Justiz im Gastland. Dabei geht es um die Streitschlichtung zwischen zwei oder mehreren Parteien. Entscheidend ist nicht die Anzahl der Beteiligten, sondern die freiwillige vertragliche Unterwerfung unter dessen Entscheidung. Das wichtigste Schiedsgericht ist das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) mit Sitz in Washington D.C. Die breitere Auslegung des Begriffes der Enteignung durch das ICSID ermunterte viele Investoren, gegen Staaten zu klagen, wenn sie durch deren Gesetze ihre Geschäfte beeinträchtigt sahen.
R.L./red
Sind Schiedsverfahren also Geldverschwendung?
Für Investoren sind sie phantastisch. Sie werden zusätzlich zum nationalen Recht noch durch völkerrechtliche Normen geschützt. Für den Staat hingegen ist es teuer und einseitig. Ein durchschnittliches Schiedsverfahren kostet 800.000 US-Dollar. Dazu kommen die Anwaltskosten. In den oft jahrelangen Verfahren geben Staaten insgesamt oft zwischen zwei und vier Millionen Euro aus. Berufungsmöglichkeiten gibt es keine.
Die US-Regierung hat noch nie ein Verfahren über Investorenschutz verloren. Sie hat eine sehr aggressive Rechtsabteilung. Um in einem komplexen Investitionsschutzverfahren zu bestehen, braucht man ein großes Team erfahrener Anwälte. Österreich hat zwar auf dem Gebiet großartiges akademisches Wissen. Aber es wäre sehr kühn, in so ein Verfahren zu gehen, ohne den Beistand eines großen internationalen Anwaltsbüros zu suchen. Die haben die Erfahrung und wissen, wie die Richter ticken.
Offenbar eine Wachstumsindustrie …
Als ich vor 14 Jahren in diesen Beruf einstig, war das eine überschaubare kleine Gruppe, die sich mit sehr speziellen Fragen beschäftigt hat. Inzwischen ist es eine blühende Industrie von Schiedsrichtern, Advokaten, Rechtsprofessoren und eigenen Studienprogrammen. Es gibt auch Leute, die damit Geld machen, dass sie solche Prozesse vorfinanzieren.
Warum sollte Österreich also in seinen bilateralen oder multilateralen Investitionsabkommen Schiedsverfahren akzeptieren?
Ich kann verstehen, wenn die österreichischen Unternehmen diesen Schutz wollen, wenn sie in Entwicklungsländern investieren. Aber es überrascht mich, dass Österreich Schiedsverfahren mit den USA vereinbaren will, die ja dieses System am meisten und erfolgreichsten nutzen. Wie kann es das Parlament rechtfertigen, wenn es bestimmten Investoren durch eigene Regeln eine Besserstellung gegenüber den eigenen Staatsbürgern verschafft? Wie kann das auch verfassungsmäßig gerechtfertigt werden? Diese Fragen muss sich Österreich stellen.
Mahnaz Malik ist Anwältin in London. Sie hat schon über 25 Staaten bei Schiedsverfahren im Rahmen bilateraler Investitionsschutzabkommen vertreten. Erfolgreich war etwa ihre Vertretung von Albanien und Pakistan. Sie ist zudem Richterin am Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington, der wichtigsten Schiedsstelle. Sie war Ende April auf Einladung der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) in Wien.
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