Frühling auch für die Mapuche

Von Werner Hörtner · · 2011/10

Ausgerechnet unter dem rechtskonservativen Präsidenten Sebastián Piñera scheinen in Chile bessere Zeiten für die Mapuche-Bevölkerung anzubrechen.

Noch hat Chiles Staatspräsident Piñera sein Versprechen vom vergangenen Herbst nicht erfüllt: sich für die Anerkennung der chilenischen Urbevölkerung in der Verfassung einzusetzen und ein neues Antiterrorgesetz zu erlassen, das die grundlegenden Persönlichkeitsrechte respektiert. Dennoch weht nunmehr in Chile doch ein anderer Wind, was die Mapuche betrifft. Im vergangenen Juni wurden die Haftstrafen von vier Mapuche-Aktivisten, die zu 20 Jahren Haft verurteilt waren, auf drei Jahre reduziert, woraufhin sie ihren 80-tägigen Hungerstreik abbrachen und ankündigten, eine „Kommission zur Verteidigung der Rechte des Volkes der Mapuche“ ins Leben zu rufen. Dieser mittlerweile gegründeten Kommission gehören u.a. die Leiterin des Nationalen Menschenrechtsinstituts, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte und der Erzbischof von Concepción an.

Der Aktivist Carlos Huenu­man wurde nach 23-monatiger Untersuchungshaft und einem Hungerstreik von 64 Tagen freigelassen und die Anklage gegen ihn fallen gelassen. Das berüchtigte „Antiterrorgesetz“ aus der Zeit der Pinochet-Diktatur, das bisher fast ausschließlich gegen Mapuche angewendet wurde, findet in letzter Zeit keine Anwendung mehr. Ein hoher Beamter im Justizministerium erklärte, es liege im Ermessen jedes Staatsanwaltes, ob er sich bei einer Anklage auf dieses Gesetz berufen wolle oder nicht.

Im vergangenen August erhob die Interamerikanische Menschenrechtskommission beim Interamerikanischen Gerichtshof Klage gegen den chilenischen Staat „wegen Verletzung der Rechte der indigenen Bevölkerung“, wobei sie sich ausdrücklich auf die Anwendung des Antiterrorgesetzes berief.

Der vielleicht wichtigste Meilenstein in der jüngeren Geschichte der Mapuche ist jedoch die Einbindung der indigenen StudentInnen in die allgemeine Protestbewegung (vgl. Titelgeschichte in diesem Heft). Bis vor kurzem noch gab es keine Verbindung zwischen ihnen und der Confech, dem Dachverband der chilenischen Studierenden. Heute kämpfen Mapuche-StudentInnen an vorderster Front für eine radikale Änderung der staatlichen Bildungspolitik, und ihre SprecherInnen sitzen im Confech-Vorstand – ein Schritt, dem sich nur die Kommunistische Partei in den Weg gestellt hatte.

Besiegelt wurde diese historische Annäherung bei einer Confech-Konferenz, die in Temuco, der Hauptstadt der Mapuche Region Araukanien, für Ende August einberufen und von Mapuche-StudentInnen organisiert wurde.

Auch Camila Vallejo, die bekannteste Führungspersönlichkeit des studentischen Aufstands, reiste zu dem Kongress und hob dort die Rolle hervor, die die Femae, die Mapuche-Föderation der Studierenden, bei den Protesten spielt. Vallejo, selbst Kommunistin, kritisierte dort auch das Verhalten der KP gegenüber den Mapuche. „Wir haben als Confech die Herausforderung angenommen, die Rechte des Mapuche-Volkes anzuerkennen und dabei immer deren Kultur, Identität und autonome Organisationsräume zu schützen.“ Die junge Studentenführerin fordert eine Überprüfung der Lehrbücher auf Vorurteile gegenüber den Mapuche. Vallejo: „In der Diskussion über kostenlosen Zugang oder Qualität der Bildung neigt man dazu, das Thema der Inhalte zu vergessen. Wir vergessen, wie die Themen Interkulturalität und Multikulturalität in dem Paradigmenwechsel, den wir anstreben, sich widerspiegeln sollen.“

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