Frohe Botschaft für Kinder

Von Rudi Lindorfer · · 2007/12

Kindergerechte Literatur ist gar nicht so einfach zu finden. Der Buchhändler unseres Vertrauens trifft eine aktuelle Auswahl für den Gabentisch.

Wieder naht das Gedenken an die Herbergssuche. Doch Jahr für Jahr wird der Geburt Christi hierzulande derart gedacht, dass Gabentische überquellen, nach den Feiertagen die Müllcontainer mit weggeworfenem Essen übergehen – während weltweit unzählige Kinder täglich, das ganze Jahr über, nach einem Platz zum Überleben suchen. Beispiel Persien: Mitra und ihr kleiner Bruder Babak müssen fliehen. Seit ihr Vater den Kampf gegen die Staatsmacht verloren hat, müssen sie um ihr Leben fürchten. Zuerst verstecken sie sich in den Höhlen am Rande der Stadt und schlagen sich mit Betteleien durchs Leben, ständig in Angst, erkannt zu werden. Ihre Hoffnung ist, von einer Karawane bis Palmyra mitgenommen zu werden, wohin ein Teil ihrer Familie angeblich geflüchtet ist, aber dazu brauchen sie Geld, viel Geld. Als sich ihnen doch eine Gelegenheit bietet, werden sie entdeckt und reißen aus. Ihr Weg führt sie über über steile Gebirge, reißende Flüsse, durch Sümpfe, Sandstürme – bis nach Bethlehem. Diese Flucht, die Susan Fletcher in ihrem Jugendroman „Alphabet der Träume“ (ab zwölf Jahren) schildert, beginnt ein Jahr vor Christi Geburt; sie unterscheidet sich aber kaum von heutigen tatsächlichen Geschehnissen. Glaubhaft beschreibt sie rund um die Romanhandlung das Leid und die Gefahren, denen gerade Kinder auf der Flucht ausgesetzt sind. Doch Romane machen ein glückliches Ende möglich. Babak hat nämlich die Gabe, im Traum die Zukunft sehen zu können, was die Kinder nicht nur rettet, sie bringt ihnen Geld ein und führt auch zu einer kleinen Umschreibung der Geschichte rund um die Geburt zu Bethlehem.

Über die Geburt von Musik erzählt Timna Brauer fantasievoll in dem Bilderbuch „Reise durch die Weltmusik“ (ab fünf Jahren) – siehe auch Rezensionen SWM 11/2007 -, von der Bogensaite, die nachschwingt, nachdem sie der Pfeil verlassen hat, zu den Saiteninstrumenten oder davon, warum Italiener anders singen als Afrikaner? Auf der CD sind Musikbeispiele mit verschiedenen Instrumenten zu hören, die zum Mitspielen anregen.
Von ihrer eigenen Geburt berichtet Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú in „Das Mädchen von Chimel“ und weiter von ihren glücklichen Kinderjahren in dem Dorf. Dabei fließen in ihre Erinnerungen Lausbubenstreiche, die allerdings von ihrem Großvater verübt wurden, ebenso ein wie Weisheitsgeschichten aus der Mayakultur. Ein von Barbara Steinitz treffend illustriertes Buch für Kinder und Erwachsene.
Quasi die „Geburtsstunde“ des Todes erzählt Hermann Schulz in dem witzigen Bilderbuch „Die schlaue Mama Sambona“ (ab vier Jahren). Mama Sambona bekommt eines Tages Besuch vom Tod, aber die lebensfrohe Alte hat noch viel zu erledigen und so lädt sie ihn zu einem Fest ein, in dem sich der Tod in das Leben verliebt. Den großen Blick über den Tellerrand bieten die großartigen Fotos von Josette und Charles Lénars in „Feste in fernen Ländern für Kinder erzählt“ (ab acht Jahren) mit den Texten von Élisabeth Dumont-Le Cornec. Welche Feste in nah und fern gefeiert werden, ob es freudige oder traurige sind und wie sich die Leute dabei auch ausstaffieren, gemeinsam ist ihnen: Sie sind wichtige Abschnitte im Leben der Menschen.

Bücher für Kinder zu schreiben ist ist ein waghalsiges Vorhaben: Sie sollen kindergerecht, aber keinesfalls kindisch sein. Sie sollen Wissen vermittlen, aber keinefalls belehren. Vor allem aber sollen sie Freude bereiten und Kindern Kraft zum Kindsein geben.
„Heute ist die Welt voller Pläne, wie man Kinder am schnellsten zu Erwachsenen macht. (…) Für den Raub des kleinsten Wertgegenstandes gibt es auf der ganzen Welt eine Strafe, doch alle rauben straflos die Kindheit, weil das Kindervolk in einer permanenten Niederlage lebt“, sagt der Schriftsteller Rafik Schami.
Würde das Wünschen (noch) helfen, wünschte ich, dass die Kindheits-Räuber erst gar nicht an die Kinder kommen, wünschte ich allen ein menschenwürdiges Dasein – das erscheint schon fast wie eine belächelnswerte Utopie. Aber schließlich ist gerade die Zeit der „Frohen Botschaft“.

Der Autor ist Buchhändler bei Südwind-Buchwelt in Wien.

Susan Fletcher
Alphabet der Träume
Hanser, München 2007;
384 Seiten, EUR 18,40

Timna Brauer
Reise durch die Weltmusik
Picus, Wien 2007; 32 Seiten + CD; EUR 19,90

Rigoberta Menchú mit Dante Liano
Das Mädchen aus Chimel
P. Hammer, Wuppertal 2007; 56 Seiten, EUR 16,40

Hermann Schulz/Tobias Krejtschi
Die schlaue Mama Sambona
P. Hammer, Wuppertal 2007; 28 Seiten, EUR 14,30

Charles und Josette Lénars
Feste in fernen Ländern für Kinder erzählt
Knesebeck, München 2007;
78 Seiten; EUR 15,40

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