Frieden – nur EIN Wort?

Von Redaktion · · 2016/02

Scheinbar ist klar, was unter Frieden zu verstehen ist. Manche Konzepte haben allerdings wenig mit Gerechtigkeit zu tun, meint Michael Landgraf.

Das Thema Krieg und Frieden schien uns lange nicht mehr zu beschäftigen. Während in Mitteleuropa glücklicherweise der Kalte Krieg nicht heiß wurde und wir uns nun siebzig Jahre friedlicher Zeiten erfreuen konnten, brodelte es anderswo. Alarmiert wurden wir, als das Konfliktbarometer eines Heidelberger Institutes seit 2012 extrem ausschlug, doch die Kriege schienen weit weg, dachten wir. Die Flüchtlingswelle belehrte uns eines Besseren und wir spüren, dass uns das Thema doch nicht mehr so fern ist.

Es gilt dabei die Frage zu klären, was man unter Krieg und Frieden versteht. Die gängige Definition von Krieg umschreibt einen Konflikt unter Einsatz von Waffen, der in einem Land als Bürgerkrieg oder zwischen Ländern geführt wird. Das Wort bedeutete ursprünglich Anstrengung. Spannend ist, dass wir im Alltag das Verb kriegen benutzen, wenn wir etwas haben wollen. Stimmt uns also unsere Sprache schon auf Krieg ein?

Krieg wird oft verharmlost – als gangbarer Weg der Politik und der Selbstbehauptung eines Volkes, wie es Carl von Clausewitz vor 200 Jahren formulierte. Andere wie der österreichische Schriftsteller Karl Kraus (1874-1936) waren da schon weiter: „Krieg ist zuerst die Hoffnung, dass es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, dass es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, dass es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, dass es beiden schlechter geht.“

Frieden im Geist. Nach dem Zweiten Weltkrieg war für die Völkergemeinschaft klar, dass es anders weitergehen muss. So formulierte die UNESCO in ihrer Präambel 1945: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“

Doch gerade in dieser Völkergemeinschaft gibt es ein unterschiedliches Verständnis von dem, was Frieden eigentlich meint – je nach Sprache und Kultur.

Unser deutsches Wort Frieden wurzelt im germanischen Verständnis von Eintracht und Schutz innerhalb des Stammesverbandes. Frieden galt nicht für die anderen. So gibt es heute noch die Einstellung, dass es genügt, wenn Frieden in meiner eigenen kleinen Welt herrscht.

Das lateinische Pax ist die Wurzel von Peace (Englisch), Paix (Französisch), Paz (Spanisch; Portugiesisch) oder Pace (Italienisch, Rumänisch). Pax leitet sich von Pactum ab, einem Pakt als Vereinbarung zwischen ehemals kämpfenden Parteien, der nicht auf Augenhöhe geschlossen wird. Der Unterlegene hat sich gefälligst dem Sieger zu unterwerfen – ein „Römischer Friede“ oder „Pax romana“, wie wir heute noch den Unterwerfungsfrieden nennen. Auch diese Vorstellung hat sich bei so manchen gehalten.

Frieden auf Zeit. Das Wort irenisch steht für friedliebend, doch erinnert es an das griechische Eirene. Für eine gewisse Zeit, beispielsweise während der Olympischen Spiele, bekriegten sich die antiken Stadtstaaten ausnahmsweise nicht. Frieden verstanden als Abwesenheit von Krieg.

In eine andere Richtung geht das chinesische Wort He. Es meint harmonisch, aber auch den Zustand des Glücks oder ein mildes Wetter. Dahinter steckt die Weltanschauung des Daoismus, nach der die große Harmonie in der Welt angestrebt werden soll.

Mein persönlicher Favorit ist das hebräische Wort Schalom, das dem arabischen Begriff Salam entspricht. Dass Juden und Araber diese Begriffe auch als Grußformeln benutzen, sich aber gegenseitig die Köpfe einhauen, scheint anachronistisch. Schalom meint einen Zustand, in dem man mit allem versöhnt ist – mit seinen Mitmenschen, aber auch mit Gott. Dabei ist der Friede konkret gedacht. Psalm 85 beschreibt, dass eine gute Zukunft zu finden ist, wo „Frieden und Gerechtigkeit sich küssen.“ Für mich ist dies ein wunderbares Bild, gerade in der aktuellen Situation. Wenn wir Frieden sagen und ernst meinen, müssen wir auch dafür sorgen, dass es in der Welt gerecht zugeht – und zwar nicht nur bei uns, sondern überall.

Michael Landgraf ist Dozent in der Lehrerfortbildung, Vorsitzender des Schriftstellerverbandes Rheinland Pfalz und Autor vieler Erzählungen und Sachbücher.

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