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Mehr Schwarze Frauen in Politik, Medien und Technik. Das ist das Ziel des Mentoring-Programm „Yes She Can”. In Kürze startet der dritte Durchlauf.
Wie viele Schwarze Politikerinnen gibt es in Österreich? Wie viele Schwarze Journalistinnen? Und fällt Ihnen spontan eine Schwarze Frau in der Technikbranche ein? Wenn Sie jetzt länger nachdenken müssen, sind wir beim Thema angekommen: In Österreich sind auch 2025 nur wenige Schwarze Frauen einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Noch weniger waren es wohl 2012. Damals reiste Ifeoma Melissa Ofoedu als Delegierte der österreichischen Bundesjugendvertretung zur UN-Generalversammlung nach New York. „Dort traf ich viele junge Schwarze Menschen, die politisch oder in zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiv waren“, erzählt sie. In Österreich habe sie das vermisst – ebenso wie BIPoC (Black People, Indigenous People and People of Colour) in der Öffentlichkeit.
Zurück in Wien beschloss Ofoedu diesbezüglich aktiv zu werden. Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen der österreichischen Organisation African Cultural Foundation baute sie das Mentoring-Programm „Yes She Can“ auf. Es richtet sich an Mädchen und Frauen, die sich als BIPoC identifizieren. Ihnen sollen dabei die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen vermittelt werden, um in traditionell von Männern dominierten Bereichen wie Medien, Politik und Technologie Fuß fassen zu können. Ofoedu, Expertin für Genderökonomie und heute als Projektmanagerin bei der Caritas Auslandshilfe tätig, betont, wie wichtig Unterstützung und Zugang zu Ressourcen für Schwarze Frauen und junge Mädchen sind.
Türen öffnen. Im Rahmen eines dreimonatigen Mentorings gibt es Lebenslauf-Checks, Vorbereitungstrainings für Vorstellungsgespräche, themenspezifische Workshops und Möglichkeiten zum Netzwerken. Jede Teilnehmerin bekommt eine Mentorin, die ihre Erfahrungen mit ihr teilt und sie inspiriert. So erhalten die Frauen Zugang zu einer Vielzahl von Einsichten: Sie begleiten Politikerinnen zu Parlamentssitzungen, fahren gemeinsam mit Technikexpertinnen auf Konferenzen oder moderieren mit Journalistinnen Radiosendungen. Auch freiberufliche Frauen wie die Buchautorin und Influencerin Christl Clear geben Einblicke in ihre Arbeit und schaffen Verbindungen zu Netzwerken, die den Mentees sonst vielleicht verschlossen geblieben wären.
„Diese persönlichen Begegnungen sind unglaublich wichtig“, betont Ofoedu. Mentoring sei nicht nur für die Jungen wertvoll, sondern in jedem Alter. Auch sie selbst habe seit Jahren eine Mentorin, von der sie viel für ihren Beruf lernen konnte.
Heuer geht das „Yes She Can“-Programm schon in die dritte Runde. Bereits 30 Absolventinnen haben es durchlaufen. Zwei davon sind Olivia Battah und Hager Eissa, beide wurden über Instagram auf das Mentoring aufmerksam. „Ich habe mich immer schon für Antirassismusarbeit und Gleichberechtigung interessiert. Mir war aber nicht ganz klar, was ich in dem Bereich beruflich machen kann“, erzählt Battah. Sie bewarb sich und wurde im vergangenen Jahr Mentee der Wiener SPÖ-Politikerin Mireille Ngosso. Battah nahm viel vom Austausch mit ihrer Mentorin mit (siehe Box). Sie fühlte sich darin bestärkt, sich auch gesellschaftspolitisch zu engagieren. Die 25-Jährige studiert jetzt Internationale Entwicklung an der Universität Wien und arbeitet nebenbei in einer NGO.
Unterstützung gefragt. Eissa erging es ähnlich. Im Mentoring-Programm wurde sie 2022 von der ORF-Journalistin Clara Akinyosoye begleitet, die seit 2024 die Minderheitenredaktion leitet. Die beiden sprachen viel über mediale Öffentlichkeit. Heute hat Eissa eine große Reichweite im Internet und nutzt ihre Stimme, um sich für Menschenrechte und Demokratie einzusetzen. Derzeit absolviert sie das Masterprogramm Applied Human Rights an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und engagiert sich in zahlreichen Friedens- und Demokratieinitiativen. In den vergangenen zwei Jahren wurde sie sowohl von der Obama Foundation als auch den „McCain Global Leaders“ als eine Führungspersönlichkeit, die aktiv nach Lösungen sucht und einen sozialen Wandel anstrebt, in den Kreis der Vernetzungsprogramme geholt.
Die African Cultural Foundation, 1997 gegründet, möchte ein unterstützendes und stärkendes Zuhause für die afrikanische Diaspora in Österreich schaffen. Das Programm „Yes She Can“ ist kostenlos – bewusst, um finanzielle Barrieren auszuschalten. Aber die Kostenfreiheit bringt Herausforderungen für die Organisation mit sich: Die Betreuung der Teilnehmerinnen, die Workshops und die Social Media-Arbeit müssen finanziert werden.
Fördergelder decken oft nur Sachkosten ab, Arbeitszeit bleibt meist unbezahlt. Doch gerade die persönliche Betreuung ist zeitaufwändig und braucht Ressourcen. Daher probierten die Organisatorinnen 2024 erstmals Crowdfunding aus. Über die österreichische Plattform Im Grätzl sammelten sie innerhalb von sechs Wochen mehr als 6.000 Euro von 118 Unterstützer:innen.
Sichtbarkeit fördern. Der Erfolg des Programms zeige sich Ofoedu zufolge nicht nur an den beruflichen Fortschritten der Teilnehmerinnen, sondern auch in deren nachhaltiger Vernetzung. Einige Mentees haben Jobs gefunden, weil sie Kontakte knüpfen konnten, die ihnen sonst verwehrt geblieben wären. „Es ist schön zu sehen, wenn sich die Frauen auch nach Ablauf des Programms noch treffen und unterstützen“, sagt Ofoedu.
Das Mentoring-Angebot soll es zukünftig alle zwei Jahre geben. Die Bewerbungsfrist für den Durchlauf 2025 endet am 14. Februar. „Es gab im vergangenen Jahr mehr Interessentinnen als Plätze“, erinnert Ofoedu und rät daher: „Schnell sein und eine vollständige Bewerbung einreichen!“ Insgesamt 25 BIPoC-Frauen können teilnehmen. „Yes She Can“ zeigt, wie es möglich ist, sie in Österreich sichtbarer zu machen – und dass es Strukturen braucht, um diese Sichtbarkeit zu fördern. Damit kann jede neue Absolventin selbst zum Vorbild werden und den Weg für kommende Generationen ebnen.
Milena Österreicher ist Chefredakteurin des vierteljährlich erscheinenden MO-Magazins für Menschenrechte. Als freie Journalistin schreibt sie über Feminismus, Menschenrechte und Migration.
Olivia Battah
Studentin und NGO-Mitarbeiterin (Mentee 2023)
„Ich habe beim Mentoring mit Mireille Ngosso einen tollen Einblick in die Welt einer Politikerin bekommen. Ich konnte mit ihr in den Gesundheitsausschuss im Wiener Gemeinderat, zu Demonstrationen oder Talks mit Aktivist:innen mitkommen. Mir war zuvor nicht bewusst gewesen, wie viel Hintergrundarbeit Politik bedeutet: ständige Meetings, Arbeit in den Ausschüssen oder Treffen mit verschiedenen Menschen. Wir haben auch darüber gesprochen, wie schwierig es für sie als Schwarze Frau in der Politik war und manchmal immer noch ist. BIPoC sind leider immer noch in vielen Bereichen unterrepräsentiert. Daher finde ich es wichtig, dass es solche Programme gibt, die einen Zugang zu Räumen vermitteln, die anfangs unerreichbar scheinen. Schön war auch, die anderen Mentees kennenzulernen und mein Netzwerk zu erweitern. Die Mentoring-Erfahrung hat mich darin bestärkt, in Zukunft für eine gesellschaftspolitische NGO tätig sein zu wollen.“
Hager Eissa
Public Speaker und Menschenrechtsaktivistin (Mentee 2022)
„Das Mentoring war definitiv eine der besten Erfahrungen, die ich gemacht habe. Ich finde es toll, dass junge Frauen, die in einem Bereich tätig sein wollen, die Möglichkeit haben, von anderen zu lernen, die bereits in diesem Bereich Profis sind. Es ist nicht einfach, Politikerin zu sein. Besonders für jemanden wie mich, die aus dem Sudan kommt, ist das schwierig. Ich habe von meiner Mentorin Clara Akinyosoye viel gelernt: zum Beispiel, wie man die Kraft aufbringen kann, um weiterzumachen trotz der vielen Hindernisse, die einer begegnen. Es gibt viele Schwierigkeiten, die manche Leute nicht verstehen, weil sie sie nicht kennen. Aber wenn man dann mit jemandem spricht, der oder die ähnliche Erfahrungen gemacht hat, und man so nicht immer alles erklären muss, ist das nicht nur hilfreich, sondern auch auf eine gewisse Art heilsam.“
Claudia Unterweger
ORF-Journalistin und Moderatorin (Mentorin)
„Für mich geht es beim Mentoring darum, Frauen in ihrer Persönlichkeit und ihrem Tun zu stärken. Ich hätte mir als junge Journalistin eine Mentorin gewünscht. Nun versuche ich das weiterzugeben, was ich damals gebraucht hätte. Gleichzeitig ist es toll, welches Wissen und welche Erfahrungen ich von den Mentees mitbekomme. Ich möchte sie in dem bestärken, was sie gerne machen. Mir gefällt dazu folgendes Zitat der deutschen Autorin und Unternehmerin Tijen Onaran: ‚Hab‘ den Mut die Erste zu sein. Ihr wisst gar nicht, für wie viele ihr Vorbild seid.‘ Wir leben in Österreich in einer diversen Gesellschaft, doch in der Medienlandschaft mangelt es noch in Sachen Diversität. Deswegen ist es mir auch persönlich ein Anliegen, jene Menschen dabei zu unterstützen, ihren Weg in die Medien zu finden, die es üblicherweise nicht so einfach haben, da reinzukommen.“
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