Es klingt und ist auch paradox: Gerade im Iran der Mullah-Herrschaft haben die Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen eine hohe Präsenz erobern können. Fünf frauenpolitisch aktive Iranerinnen berichteten in Wien.
Auf die Frage, weshalb die Frauen in diesem repressiven Staat der Mullahs und der Revolutionswächter eine derart starke Stellung erreichen konnten, haben die Frauen am Podium verschiedene Antworten parat. Einig sind sie sich jedoch in der Referenz auf das Jahr 1979, dem Sturz des Schah-Regimes und dem Beginn der so genannten Islamischen Revolution. „Es war eine Reaktion auf die Situation der Unterdrückung der Frauen durch die Islamische Revolution“, meint Shahla Lahiji, mit internationalen Preisen ausgezeichnete Journalistin und Verlegerin. Für die unermüdliche Vorkämpferin für Meinungsfreiheit und Menschenrechte ist die Situation im heutigen Iran paradox und widersprüchlich. Das „Ministerium für geistige Führung“ zensuriert Bücher, schließt Zeitschriftenredaktionen; wenn „männerfeindliche Literatur“ veröffentlicht wird, drohen Peitschenhiebe und Gefängnis. Gleichzeitig gibt es auf den Universitäten mehr weibliche als männliche Studierende – 62 Prozent aller Neu-Inskribierungen sind junge Frauen -, und auch beim Theater und beim Film gibt es mehr Frauen denn je.
Chista Yasrebi ist Psychologin, sie studierte auch englische Literatur und schrieb über 50 Bücher zu Theater und Literatur. „Vor über 20 Jahren war die Theaterbranche eine rein männliche Domäne“, erinnert sie sich, „doch heute hat sich das völlig verändert. Die Mehrheit der Studierenden der Theaterwissenschaft sind junge Frauen, und viele Regisseurinnen führen Stücke auf.“ Wobei die kritischen Botschaften natürlich geschickt verpackt werden müssen, um den Ohren der Zensoren zu entgehen, doch Diktaturen sind wenigstens für die Entwicklung dieser Kunstpraxis förderlich.
Der Geheimdienstminister Gholam Hossein beschuldigte Studierende und die Frauenbewegung öffentlich des Versuches, einen „sanften Regierungssturz“ herbeiführen zu wollen. Der Journalist und Zeitungsherausgeber Ali Farahbakhsh wurde im November 2006 verhaftet, als er von einer Konferenz aus Bangkok nach Teheran zurückkehrte. Er sei ein „Spion“ und habe Geld von Ausländern entgegengenommen, lautete die Anklage. Im Oktober des Vorjahres wurde er freigelassen und leitet heute die Wirtschaftszeitung „Sarmayeh“, bei der auch die 26-jährige Ameneh Shirafkan arbeitet. Sie dissertierte über „die zivile Partizipation der Frauen in Teheran“ und hält Workshops über Demokratie und zivile Rechte.
Shirafkan schrieb gerade an einem Artikel für das Frauenmagazin „Zanon“, als die Herausgeberin hereinkam und sagte: „Jemand hat angerufen und gesagt, das Magazin ist ab sofort eingestellt!“ Die Zensoren meiden nämlich schriftliche Anweisungen, da diese vor Gericht bekämpft werden könnten – laut Verfassung ist Zensur verboten. Die junge Journalistin macht immer wieder Erfahrungen mit der „roten Linie“, der Grenze zu jenen Themen, deren Erwähnung im Journalismus tabu ist: das Thema Atomkraft etwa, oder die barbarische Steinigung als Todesstrafe, gewisse politische Themen. Das Verbot einer Zeitschrift betrachtet sie bereits als etwas Normales: „Man eröffnet dann eben eine neue.“
Die fünf Botschafterinnen aus einem anderen, bei uns großteils unbekannten Iran kamen auf Einladung des Vereins ProFrau – der auch die jährlichen Frauenfilmtage im März organisiert – und der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft nach Wien. Bleibt nur zu hoffen, dass es ihnen nach der Rückkehr nicht auch so ergeht wie dem Zeitungsherausgeber Ali Farahbakhsh.