Sexualisierte Gewalttaten durch Ausländer werden sowohl von feministischer Seite als auch von vielen Medien einseitig diskutiert. Dabei wäre eine differenzierte Betrachtung zur Bekämpfung der Ursachen bitter nötig, meint Hannah Wettig.
Fünf Tage dauerte es Anfang 2016, bis die Nachricht in die Medien gelangte, dass Gruppen von Männern arabischer Herkunft in der Silvesternacht hunderte Frauen auf der Kölner Domplatte sexuell attackiert hatten. Kaum war die Nachricht draußen, behauptete ein feministisches Bündnis, die Angriffe hätten mit der Herkunft der Täter nichts zu tun.
Gerade aus feministischer Sicht sollte eine ernsthafte Analyse dieses Zusammenhangs stattfinden. Sexualisierte Gewalt zu bekämpfen gehört nicht ohne Grund zu den wichtigsten Anliegen des Feminismus. Leider hat eine Riege junger feministischer Journalistinnen sich schon der Zur-Kenntnisnahme des Problems verweigert. Nach den Ereignissen in der Silvesternacht 2015 in Köln erklärten diese, es sei ein rassistisches Hirngespinst, die massiven Angriffe auf Frauen als ein neues Phänomen zu beschreiben. So etwas gäbe es schließlich auf jedem Oktoberfest. Andere fanden, es sei zwar ein ungewöhnliches Verbrechen geschehen, aber nur wer Rassist oder Rassistin sei, interessiere sich dafür, wer es verübt habe. Häufig wurde betont, dass Sexismus nicht mit den Geflüchteten nach Europa gekommen sei. Wohl wahr.
Verweis auf archaische Gesellschaften. Der Stimmungsumschwung in den Medien kam erst Mitte 2017 mit der Veröffentlichung einiger Kriminalstatistiken, die einen deutlichen Anstieg von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aufzeigten – auch von solchen, die schon vor den Strafrechtsreformen in Deutschland und Österreich 2016 strafbar waren. Zuwanderer aus islamischen Ländern waren häufiger für diese Taten verantwortlich als es ihrem Bevölkerungsanteil entsprach.
Hannah Wettig schreibt als Journalistin seit 20 Jahren über die arabische Welt und ist in mehreren Menschenrechtsorganisationen engagiert.
Einen ausführlichen Beitrag der Autorin zu diesem Thema finden Sie auf www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/363_sexualisierte_gewalt.
Zaghaft ertönte es hier und da, dass man über diesen Zusammenhang sprechen müsse. Meinungsjournalisten und -journalistinnen wiesen auf aggressiv-patriarchale Gesellschaften und archaische Ehrvorstellungen in arabischen Ländern hin. Diese Ehrvorstellungen gibt es zweifellos. Aber der Verweis darauf beschönigt und verallgemeinert zugleich.
Blick auf islamische Länder. Einen Erklärungsansatz für die Taten liefert aber ein Blick auf die politische Entwicklung in islamischen Ländern. Die umfassendste Literatur findet sich dabei für Ägypten, wo es insbesondere in der Folge der Revolution des arabischen Frühlings zu massenhaften Übergriffen und Vergewaltigungen auf öffentlichen Plätzen kam.
Die ägyptischen Feministinnen Hind Ahmad Zaki und Dalia Abd Alhamid bringen den Anstieg sexualisierter Gewalt mit der Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum und ihrer aktiven Rolle in der Revolution in Zusammenhang. Dass Frauen so aktiv waren, sei sowohl der Regierung als auch reaktionären Gesellschaftsschichten ein Gräuel gewesen. Frauen aus dem öffentlichen Raum zu drängen – und sei es durch sexualisierte Gewalt – wurde somit zur erwünschten Handlung.
Der Argumentation der beiden Feministinnen liegen theoretische Konzepte wie etwa das 1975 erschienene Buch „The Politics of Rape“ der amerikanischen Feministin Diana Russels oder der „Gender Konflikttheorie“ des Psychologen Richard Johnson zugrunde. Johnson entwickelte diese basierend auf seiner Beobachtung, dass sexualisierte Gewalt besonders häufig auftritt, wo Frauenemanzipation deutliche Fortschritte macht. Er erklärt dies damit, dass Männer, die entsprechend traditioneller Rollenbilder sozialisiert sind, das Hereindrängen von Frauen in männliche Sphären als Bedrohung empfinden.
Öffentliche Präsenz von Frauen. Das war in westlichen Gesellschaften vor 20 Jahren so – Sexualverbrechen kamen damals deutlich häufiger vor als heute. Mit zunehmender Gleichberechtigung nehmen diese Straftaten wieder ab.
Ein Indikator für eine solche „politische“ Gewalt gegen Frauen ist das häufigere Auftreten davon in der öffentlichen Sphäre – dort wo Männer sich bedroht fühlen. Für Ägypten sind die Zahlen dazu frappierend eindeutig. Laut einer UN-Studie von 2013 nennen Frauen Straße und öffentlichen Nahverkehr als häufigste Orte, an denen sie sexuelle Übergriffe erleben – in Europa passieren solche Übergriffe in den allermeisten Fällen in Räumen, oft den eigenen, durch Bekannte. In Ägypten sind die Täter meist Unbekannte: Nur 17 Prozent der Befragten in der UN-Studie nannten Freunde, Verwandte und Kollegen als Täter. Belästigung geht am häufigsten von Taxifahrern, Ladenbesitzern, Polizisten und Männern, die auf der Straße rumhängen, aus.
Andere Autorinnen beobachten eine Zunahme von sexualisierter Gewalt seit den 1980er Jahren und bringen dies ebenfalls in Verbindung mit der stärkeren Präsenz von Frauen bei gleichzeitiger sozialer Desintegration von Männern. Bildungsprogramme führen in vielen Ländern seit den späten 1970er Jahren zu höherer Erwerbstätigkeit von Frauen. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Männer verlieren ihre Rolle als Ernährer. Frauen sind für sie die Ursache ihrer Malaise und werden zum Hassobjekt.
Islamistische Propaganda. Während überall auf der Welt in solchen Umbrüchen Frauen Zielscheibe von Ressentiments werden, erfährt die abwertende Haltung gegen Frauen in islamischen Ländern eine deutliche Verstärkung durch islamistische Propaganda.
Die Islamisten bedienen punktgenau die Minderwertigkeitsgefühle dieser Männer. Sie propagieren alte Rollenbilder und wollen Frauen im öffentlichen Raum unsichtbar machen. Frauen, die unverschleiert und ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen, werden als Huren verunglimpft. Zuweilen rufen sie sogar zur Vergewaltigung solcher Frauen auf, wie etwa der salafistische Prediger Abu Islam, der über Demonstrantinnen hetzte. Frauen werden zu ehrlosen Feindinnen erklärt..
In einem solchen Kontext ist Gewalt gegen Frauen eindeutig politisch.
Islamistische Welterklärungsmuster erreichen in allen islamischen Ländern breite Schichten. Gleichwohl ist nur ein Bruchteil der hier angekommenen Flüchtlinge islamistisch.
Wer sie mit dem Etikett „Männer aus patriarchaler Kultur mit archaischen Ehrvorstellungen“ belegt, negiert nicht nur die Lebensleistung vieler, die für Demokratie und gegen Islamismus gekämpft haben, sondern vertut auch die Chance, diese Ideologie zu bekämpfen. Denn unter ihnen sind die Experten, die uns helfen können, die auch hierzulande ausufernde islamistische Berieselung durch manche Migranten-Medien und Moscheen zu stoppen.
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