Mit Irene Giner-Reichl, Expertin für internationale Kooperationen im Bereich Energie und nachhaltige Entwicklung, sprach Südwind-Redakteurin Irmgard Kirchner über die Ergebnisse des Gipfeltreffens Rio+ 20.
IIrene Giner-Reichl nahm im Juni als Beraterin von UNIDO-Generaldirektor Kandeh K. Yumukella für „Nachhaltige Energie für alle“ an der Konferenz Rio + 20 teil. Die ehemalige Leiterin der Sektion Entwicklungszusammenarbeit im österreichischen Außenministerium ist seit Frühjahr Botschafterin in Peking.
Südwind-Magazin: Gemessen an Ihrer langjährigen Erfahrung mit multilateralen Konferenzen: War Rio + 20 ein Erfolg?
Irene Giner-Reichl: Ich würde Rio + 20 nicht als Misserfolg einstufen, auch wenn ich nicht enthusiastisch bin. Was die Konferenz vor allem erfolgreich gemacht hat, war das, was außerhalb der Verhandlungsplattform passiert ist.
Gab es im Abschlussdokument etwas Überraschendes oder besonders Enttäuschendes?
Für die EU war einiges enttäuschend. Beim zukünftigen Status von UNEP, bei der Ausformulierung der Entwicklungsziele nach 2015 oder auch beim ganzen Fragenkomplex zur Green Economy geht das Schlussdokument bei weitem nicht so weit, wie es sich die EU gewünscht und wofür die EU auch gekämpft hat.
Wenn man Rio + 20 als Bühne für den Nord-Süd-Konflikt betrachtet: Wer hat sich stärker durchgesetzt?
Ideologisch war das Ergebnis für den Süden nicht so schlecht. Doch unter dem Strich ist auch für ihn nicht sehr viel herausgekommen. Ich denke, dass diese Konferenz, also das Format dieser Konferenzen mehr oder weniger ausgereizt ist. Es gibt bereits so viele Beschlüsse auf Ebene aller Mitgliedsstaaten in Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung, die noch nicht umgesetzt sind, dass es eigentlich fast unmöglich ist, jetzt noch weitergehende Beschlüsse zu erzielen, die eine Chance auf Umsetzung haben. Somit ziehen sich alle Gruppen auf die Wiederholung von alten Standpunkten zurück.
Wie wird es mit der internationalen multilateralen Politik insgesamt weitergehen?
Das hängt sehr von den Themen ab. Besonders im Menschenrechtsbereich und im Bereich der Frauenrechte befürchtet man Rückschritte. Ich hätte zum Beispiel Angst, die Dokumente der Frauenkonferenz von Peking 1995 einem neuen Verhandlungsprozess auszusetzen.
Ich glaube, dass es besser ist, in kleineren Formaten sachbezogene Lösungen zu suchen. Dass man die ganz großen Konferenzen aufhebt für jene Fragen, bei denen es wirklich notwendig ist, einen globalen Konsens zu erzielen oder weiter zu entwickeln.
Wie ist das Ergebnis von Rio bezüglich Green Economy zu bewerten?
Nicht so schlecht. Im Abschlussdokument wird Green Economy sehr stark im Konzept der nachhaltigen Entwicklung verankert. Es hat auch Positionen und Proponenten gegeben, die Ökonomie und Ökologie aus dem Kontext nachhaltige Entwicklung herauslösen wollen. Dabei bliebe das Soziale auf der Strecke. Eine gefährliche Tendenz.
Herausgekommen ist ein typischer Kompromisstext, der die Bedenken der einen und die Anliegen der anderen unter einen Hut bringen will. Konzeptionell passt das noch nicht zusammen.
Wie sind die neuen Nachhaltigkeitsziele zu bewerten?
Es ist wichtig, dass in Rio Konsens hergestellt worden ist, dass das nächste Set von Entwicklungszielen für die ganze Welt gelten muss. Es kann nur ein Paradigma von nachhaltiger Entwicklung geben, das letztlich für die ganze Welt gelten muss. Wie man zu den Nachhaltigkeitszielen kommen soll, liegt allerdings völlig in der Zukunft.
Welche Bedeutung wird der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit zugeschrieben?
Ich glaube, dass die OECD-Geber, die staatlichen Quellen, mittelfristig an Bedeutung verlieren werden. Das hängt auch damit zusammen, dass es neue Geber gibt, dass große Teile der Entwicklungsländer sich auf gute Art und Weise entwickeln. Es werden in Teilen der Dritten Welt neue Naturgüter gefunden – zum Beispiel Erdgas und Schiefergas. Es verschiebt sich die Balance zwischen Arm und Reich, zwischen rohstoffreichen und rohstoffarmen Ländern. Das Ergebnis der Verhandlungen spiegelt auch die Situation in den Geberländern wider, die wir alle kennen: Die Geberländer mit ihren engen Budgetsituationen hatten nicht die Möglichkeit, etwas Neues und Zusätzliches zuzusagen.
Hat Österreich irgendwelche Spuren in Rio hinterlassen?
Im Bereich „Nachhaltige Energie für alle“ haben wir uns sehr eingesetzt und alle an einem Strang gezogen. Das Konzept hat in den Verhandlungstext Eingang gefunden, wofür sich auch die Europäische Union stark gemacht hat. Am Rande der Verhandlungen hat es Treffen gegeben mit weitreichenden Zusagen von 50 Staaten, von internationalen Organisationen, von Firmen, von Organisationen der Zivilgesellschaft. Österreich kann zu Recht sagen, dass wir durch die Wiener Energiekonferenzen 2009 und 2011 den Boden dafür bereitet haben.
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