Unter den Südwind-Leserinnen und Lesern gibt es sicher überdurchschnittlich viele, die die Objekte unserer Berichterstattung, Afrika, Asien, Lateinamerika, aus eigener Anschauung kennen, die aus Neugierde oder aus Wissensdurst oder ganz einfach aus dieser offenbar angeborenen Sehnsucht nach der Ferne die so genannte Dritte Welt besuchen. Dann gibt es noch das Heer der Projektreisenden, die ihre Entwicklungspartner in Peru oder Indien oder Simbabwe evaluieren, und die Fachleute aus den Projekten, die zu uns eingeladen werden. Und tausende ExpertInnen, die zu Tourismusmessen oder Klimakonferenzen fliegen. Und gar die JournalistInnen, die ständig unterwegs sind. Unzählige Millionen Flugkilometer gehen auf unser Konto, die wir eigentlich ökologisch und sozial verträglich leben wollen. Das Reisen hat zweifellos seinen Preis, und der geht nicht nur zu Lasten des Kontos.
Auch wenn wir Individualreisende sind, weder die Tourismus-Ghettos in der Dominikanischen Republik noch die verschwenderischen Fünfstern-Hotelanlagen bevölkern und kritisch auf die bekannten Auswüchse der globalisierten Tourismusindustrie blicken: Ein Unbehagen bleibt. Man kann nur versuchen, es möglichst gering zu halten.
In den letzten zwei Jahrzehnten ist ein ganzes Netz von Organisationen in den reichen Ländern der Welt entstanden, die ein ökologisch und sozial verträgliches Reisen, einen fairen, begegnungsorientierten Tourismus propagieren. In Deutschland hat der Evangelische Entwicklungsdienst die Arbeitsstelle TourismWatch eingerichtet, deren gleichnamige Zeitschrift über die wichtigsten Aspekte des Ferntourismus und des ethischen Reisens berichtet. Die Verantwortung der Tourismusindustrie für den Klimawandel wird genauso thematisiert wie die für Kinderprostitution und Sexarbeit. Die Arbeitsstelle ist auch an der Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung in Stuttgart beteiligt, die Soziale Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility CSR) im Tourismus propagiert.
Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung aus dem bayrischen Ammerland hat bereits knapp ein halbes Hundert „Sympathie-Magazine“ herausgegeben, kleine handliche Broschüren zu Ländern, Themen, Weltreligionen. Zuletzt erschienen Magazine über die mittelamerikanischen Länder Costa Rica-Guatemala-Nicaragua sowie über Kinderrechte. „Wenn Sympathie Zuneigung bedeutet, dann ist Sympathie für die Welt nötiger denn je. Schließlich gehört sie uns allen“, umreißt Herausgeber Armin Vielhaber die Philosophie dieser Edition.
Der Studienkreis schreibt auch einen Wettbewerb für sozial verantwortlichen Tourismus aus, den To Do!-Preis, mit dem vor allem Projekte, die die Dorfgemeinschaften selbst organisieren, ausgezeichnet werden.
In Österreich beschäftigt sich „respect – Institut für Integrativen Tourismus & Entwicklung“ mit Informations-, Öffentlichkeits- und Forschungsarbeit zu Themen des Tourismus und des ethischen, nachhaltigen Reisens. Respect gibt eine Schriftenreihe sowie die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „Integra“ heraus, die sich in ihren Schwerpunktthemen mit aktuellen Aspekten wie Tourismus und Migration, Reisen in undemokratische Länder, Klimawandel und Tourismus befasst. Die Devise des von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geförderten Instituts ist es, Tourismus und Entwicklung im Hinblick auf das Leben und die Lebensqualität aller Menschen in „einer“ Welt zu betrachten. Der schon in 3. Auflage erschienene Führer „Reisen mit Respekt“ bietet Fernreisenden in 20 Kapiteln vielfältigste Tipps für das Verhalten in fremden Kulturkreisen an.
Eine ehrende Auszeichnung erhielt Österreichs alternativer Reiseveranstalter „Weltweitwandern“ bei der Tourismusmesse in Berlin, wo er gleich zwei der vier möglichen Goldenen Palmen einheimste (siehe S.37). Das Grazer Unternehmen entstand aus einem Schulprojekt im Himalaya, das Geschäftsführer Christian Hlade im Jahr 2000 begann. Aus den Projektreisen von ihm und anderen UnterstützerInnen entwickelte sich eine Nebentätigkeit als Reiseveranstalter und schließlich eine erfolgreiche Firma. Weltweitwandern hat heute über 500 Wanderreisen im Angebot, beschäftigt in Österreich 14 MitarbeiterInnen und weltweit ca. 500 Personen, über die auch Sozialprojekte in den Zielländern mitfinanziert werden.
Ausführliche Informationen und weiterführende Literatur www.tourism-watch.de,
www.respect.at,
www.studienkreis.org,
www.todo-contest.org,
www.weltweitwandern.atNeue Literatur zum Thema:Peter Aderhold, Armin Vielhaber u.a.:
Tourismus in Entwicklungsländer. Neuauflage der Standard-Studie von 2000. 280 S., 1 30,- (www.studienkreis.org/deutsch/publikationen)
Krystian Woznicki:
Abschalten. Paradiesproduktion, Massentourismus und Globalisierung. Kadmos Verlag, 2008, 238 S., 1 19,90
Mandy Dietzschkau:
Die soziale Verantwortung der Tourismuswirtschaft. Gegen Kindermissbrauch. Verlag Dr. Müller, 2008, 180 S., 1 68,-
Kurt Luger:
Auf der Suche nach dem Ort des ewigen Glücks. Siehe Rezension auf S. 38.