Eine neue Studie widmet sich dem Thema Fremdenfeindlichkeit und Integration in Österreich.
Zwar ist die Sprechweise moderner geworden, im Land des „Fremdenverkehrs“ mit seinen vielen „Fremdenbetten“ und seinen zahlreichen FVVs („Fremdenverkehrsvereinen“) und seinen „Fremdarbeitern“ gibt es nunmehr „Gästebetten“ und „Gastarbeiterinnen“, doch Fremdenfeindlichkeit ist weiterhin ein widersprüchlicher Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Eher auf dem Land anzutreffen, wo weniger MigrantInnen leben als in der Stadt. Es erinnert an den Antisemitismus, der geblieben ist, während der Großteil der Juden zum Verschwinden gebracht worden ist. Hier wird leider nicht erhellt, woher der kulturelle Grundwasserstrom kommt, aus dem sich Fremdenfeindlichkeit (auch ohne Fremde) speist.
Die vorliegenden 11 Beiträge zum sozioökonomischen und soziokulturellen Kontext von Fremdenfeindlichkeit und der Entwicklung politischer Gegenstrategien fördern aber eine realitätsgerechtere Auseinandersetzung und zeigen, wie komplex das Thema ist und wie differenziert Maßnahmen sein müßten.
Um allerdings Österreich als fremdenfeindlichen bösen Buben Europas vorzuführen, eignen sich die Daten jedenfalls nicht. Das wäre auch verwunderlich, ist doch Österreich nicht nur ein Land der Hetzplakate, sondern auch ein Land, dessen Zivilgesellschaft sich 1956 (Ungarn), 1968 (CSSR), 1980ff (Polen und Vietnam), 1992ff (Bosnien), 1999 (Kosovo) etc. für MigrantInnen beeindruckend engagiert hat – und gleichzeitig Gesetze zugelassen hat, die Migranten elementare Rechte vorenthalten. Wenn 40% der Arbeiterschaft Wiens kein Wahlrecht haben, weil dieses an die Staatsbürgerschaft gebunden ist, stellt sich allerdings weniger die Frage nach der Fremdenfeindlichkeit, sondern die Frage nach dem demokratischen Selbstverständnis dieses Landes.
Die mehrfachen Hinweise, daß Fremdenfeindlichkeit mit dem Lebensalter steigt und mit steigender Bildung sinkt, sind nicht wirklich so neu. Bemerkenswert ist jedoch, wenn gezeigt wird, daß nicht allein die bloße Anwesenheit von Migranten Fremdenfeindlichkeit fördert, sondern die Bedingungen einen wesentlichen Einfluß haben. So verstärkt die Wohnnachbarschaft von In- und AusländerInnen, wenn es nicht zu verstärkte Kontakte zwischen den beiden Gruppen kommt, fremdenfeindliche Einstellungen.
Bekanntermaßen bietet die Stadtgesellschaft besonders günstige Voraussetzungen für die Integration von Fremden: entweder durch eine Kultur der Gleichgültigkeit oder ethnische Communities. Doch der moderne Städtebau hat mit seinen funktionalistischen Konzepten die Übergangs- und Aufenthaltsräume für Zuwanderer beseitigt und es ihnen zunehmend erschwert, sich einfach „unterzumischen“.
Zu den Besonderheiten Österreichs zählt die Verfestigung der ethnischen Segmentierung des Arbeitsmarktes verbunden mit Mechanismen struktureller Diskriminierung ausländischer Arbeitskräfte. Letztlich haben diese in Österreich selten die Chance auf eine innerbetriebliche Karriere, auch weil sie vorwiegend in Klein- und Mittelbetrieben beschäftigt sind.
Ohne rechtliche und faktische Gleichstellung aller auf Dauer in einem Gebiet lebenden Menschen und Schutz vor Diskriminierung wird Integration jedenfalls nicht gelingen.
Abgrenzen, ausgrenzen, aufnehmen: Empirische Befunde zu Fremdenfeindlichkeit und Integration. Hrsg. v. Heinz Fassmann, Helga Matuschek und Elisabeth Menasse (Publikationsreihe des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr zum Forschungsschwerpunkt Fremdenfeindlichkeit, Bd 1), Klagenfurt/Celovec, Drava Verlag, 1999, 255 S., öS 380.-
Ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie Hinweise zu den AutorInnen (inkl. e-mail-Adressen) ermöglichen eine Auseinandersetzung, die über das Buch hinausgeht. Die nächsten beiden Bände werden das Thema aus psychologischer, kulturwissenschaftlicher und diskursanalytischer Perspektive erläutern.
Martin Jäggle ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie in Wien und Herausgebervertreter des SÜDWIND-Magazins.
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