Fairer Kaffee und öffentliche Hand

Von Christian Mücke · · 2002/07

Die Berücksichtigung sozialer und ethischer Kriterien im öffentlichen Beschaffungswesen Österreichs ist möglich: Es darf fair konsumiert werden.

Es war ein langer Weg, aber jetzt ist es amtlich: Einrichtungen des Bundes können im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens fair gehandelten Kaffee kaufen. Die jeweiligen BeamtInnen können sich diesen nunmehr mit doppelt gutem Gewissen schmecken lassen, denn solange der Auftragswert je Ressort nicht den Schwellenwert von derzeit rund 162.000 Euro übersteigt, gilt der Kauf offiziell als rechtlich unbedenklich. Diese Erkenntnis eines Berichts der Außenministerin an den parlamentarischen Unterausschuss für Entwicklungszusammenarbeit mag unspektakulär erscheinen, aber selbstverständlich ist sie keineswegs. Bislang war nämlich unklar, ob und wieweit der Kauf fair gehandelter Produkte durch die öffentliche Hand mit den Bestimmungen des Vergaberechtes vereinbar ist, an welches alle öffentlichen Einrichtungen – Bund, Länder und Gemeinden – in ihrer Beschaffungspraxis gebunden sind.
Das österreichische Vergaberecht beruht auf sechs EU-Richtlinien, die national durch das Bundesvergabegesetz, die Ö-NORM A-2050 für Ausschreibungen, sowie neun Landesvergabegesetze umgesetzt werden. Letztere fallen ab 2003 weg, da der Nationalrat am 21. Mai dieses Jahres eine Reform der öffentlichen Auftragsvergabe beschlossen hat, wodurch in Zukunft ein vereinheitlichtes Vergaberecht in ganz Österreich gelten und die Vergabekontrolle durch das Bundesvergabeamt (BVA) neu strukturiert wird. Im § 21(7) dieses Gesetzes ist als relevante neue Bestimmung festgehalten, dass „im Vergabeverfahren auf die Beschäftigung von Frauen … sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden kann“.

Im Oberschwellenbereich, wo neben nationalem Recht auch EU- und WTO-Bestimmungen berücksichtigt werden müssen, besteht diese Unklarheit noch immer. Unsicher ist beispielsweise, ob sich Ausschreibungen auf die inhärenten Eigenschaften des Produktes selbst beschränken müssen oder ob auch der Herstellungsprozess des Produktes Kriterium einer Ausschreibung sein kann. Wenn öffentliche Einkäufer neben dem primären Beschaffungszweck (Kaffee guter Qualität) weitere beschaffungsfremde „Sekundärzwecke“ (z.B. faire Produktion) verfolgen, operieren sie in einer rechtlichen Grauzone, die erst durch eine entsprechende Spruchpraxis bestätigt werden kann. Im Gegensatz zu anderen Produktgruppen sind aber bei Kaffee wenigstens die – selbstverständlich für alle Produktgruppen verbindlichen – Standards des Gütesiegels durch eine ÖN-Regel zusammengefasst, auf die der öffentliche Auftraggeber Bezug nehmen kann. Entsprechend schwieriger ist dies in anderen Bereichen, etwa bei der Berücksichtigung von Sozialstandards in der Bekleidungsindustrie, da hier allgemeine Standards kaum zur Verfügung stehen bzw. für Beschaffungsbeamte kaum überprüfbar sind.
Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten häufen sich in jüngster Zeit Initiativen für einen ethischen Konsum der öffentlichen Hand. In einer einstimmigen Resolution zum Thema Fairer Handel forderten die vier Parlamentsfraktionen die Regierung schon im November 2000 auf, „alle Möglichkeiten zu prüfen, inwieweit in der Gesetzgebung, im Budget und im öffentlichen Beschaffungswesen die Förderung des Fairen Handels angemessen berücksichtigt werden kann“. Resolutionen für eine Bevorzugung fairer Waren gab es auch von den Landtagen in Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Vorarlberg. In Wien gibt es eine „Bio-Offensive“ von Rot-Grün, die auf eine 50%-ige Erhöhung von fair gehandelten und Bio-Produkten im öffentlichen Raum abzielt.

Um ein umweltfreundliches und soziales Beschaffungswesen langfristig abzusichern, ist es jedoch notwendig, die entsprechenden EU-Richtlinien darauf auszurichten. Die derzeitige Revidierung der noch aus den 70er Jahren stammenden Vergaberichtlinien wird zwar von allen Seiten begrüßt, der konkrete Entwurf der EU-Kommission an den Ministerrat ist aber eher enttäuschend. In den Augen vieler NGOs beschränkt er sogar die Möglichkeit, in der Zuschlagsphase der Ausschreibung soziale und Umweltaspekte zu berücksichtigen. Deshalb hat sich eine breite, europaweite Koalition mit dem Ziel gebildet, entsprechende Nachhaltigkeitskriterien in den Richtlinien zu verankern.
Die wurde besonders in der Resolution vom 30. Mai deutlich, in der die ParlamentarierInnen zum Grünbuch der Kommission über die soziale Verantwortung von Unternehmen Stellung bezogen und darauf drängten, die Auffassung des Parlaments bei der Revidierung der Beschaffungsrichtlinie zu berücksichtigen. Die Mühlen des fair gehandelten Kaffees mahlen zwar langsam, aber sie haben jedenfalls die Diskussion im öffentlichen Beschaffungswesen angekurbelt.

Der Autor ist Fachmann für Marktrisikomanagment im Bankwesen, Mitarbeiter der Clean Clothes-Kampagne und Mitglied von deren Arbeitsgruppe „Legal Initiatives“ (vgl. auch den Artikel in SWM 6/02 S.19).

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