Was treibt einen Großkonzern dazu, sich für den fairen Handel einzusetzen? Kann man sich als Konsument sicher sein, dass Fair Trade drinnen ist, wo es draufsteht? Ein Streifzug durch die Eis-Branche von Martina Weinbacher.
Ben und Jerry’s war weltweit die erste Eismarke, die nach Kriterien des fairen Handels produziert wird. So weit genügend Mengen von Bestandteilen wie Nüsse, Bananen, Zucker und Schokolade vorhanden sind, werden diese von mittlerweile 33.000 KleinproduzentInnen bezogen, die mit dem Fair Trade Gütesiegel ausgezeichnet sind. Ziel ist es, in der Zukunft alle Rohstoffe, die aus dem globalen Süden stammen, über Fair Trade-Kanäle zu beziehen.
„Schon bei der Gründung 1978 wurden soziale Standards in den Firmenleitlinien festgelegt“, erklärt der Produktmanager von Ben und Jerry’s Deutschland, Timm Duffner. Seit 2000 gehört die Eismarke zum Unilever Konzern. „Primär entschied sich Unilever zum Kauf von Ben und Jerry’s, weil es als Premium-Marke das Markenportfolio optimal ergänzte.“ Beim Verkauf wurde aber auch die Weiterführung der ökologischen und sozialen Mission von Ben und Jerry’s vertraglich festgelegt. Unilever ist einer von vielen Großkonzernen, die sich in den letzten Jahren für fair gehandelte Rohstoffe zu interessieren beginnen.
Die stetig wachsende Nachfrage verändert den Fair Trade-Markt. Was noch 1959 eine Idee einiger Pioniere in den Niederlanden war, die die erste alternative Handelsorganisation gründeten, wächst zu einem florierenden Weltmarkt.
Von 2004 bis 2007 etwa hat sich der globale Verkauf von zertifizierten Fair Trade-Gütern fast verdreifacht. „Dass sich der Markt so entwickelt, als wir 1993 Trans Fair – heute FAIRTRADE – Österreich gründeten, daran hätten wir nicht im Traum gedacht“, sagt Helmut Adam, Geschäftsführer in der Gründungsdekade von FAIRTRADE und Mitinitiator des weltweiten Dachverbandes FLO (Fair Trade Labelling Organisations International). Trotzdem, so der Experte, befindet sich der faire Handel noch immer in einer Pionierphase.
Es kommen immer neue Produkte, Absatzmärkte und Lizenznehmer hinzu, zuletzt große Multis. „Am Anfang ist die Nachfrage der Multis nach fair gehandelten Gütern nicht einfach zu meistern“, erklärt Adam. Durch die großen Mengen, die ein transnationaler Konzern einkauft, begebe man sich in eine gewisse Abhängigkeit. „Wenn der Großabnehmer ausfällt, wird es problematisch für die Produzenten.“ Sobald allerdings mehrere Big Player am Fair Trade-Markt teilnehmen, verteile sich das Risiko erneut. „Ich gehöre zu den Leuten, die immer das Ziel hatten, den gesamten Handel auf Fair Trade umzustellen“, erinnert sich Adam. Dabei sei klar, dass Problematiken bestünden.
Großkonzerne entschieden sich etwa oft nicht aus ethischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen für den Fairen Handel. „Trotzdem leisten sie ihren Beitrag, weil sie in der Öffentlichkeit zu etwas stehen. Außerdem denke ich, dass die Umstellung einer Konzern-Marke auf Fair Trade langfristig zu einer Veränderung der Konzernkultur führt“, so Adam. Dies bestätigt Timm Duffner: „Mittlerweile ist Ben und Jerry’s nicht mehr die einzige Eiscreme bei Unilever, bei der höhere Standards als notwendig berücksichtigt werden.“
Seit heuer bezieht Eskimo einen Teil des Kakaos für die Magnum-Schokolade aus nachhaltigem Anbau. Dieser ist mit dem Label der Rainforest Alliance zertifiziert. Ab 2020 will Eskimo Kakao für alle Eissorten aus nachhaltigem Anbau kaufen. Auch möchte der Unilever-Konzern bis dahin sein Geschäft verdoppeln, gleichzeitig aber den ökologischen Fußabdruck halbieren. Doch kann man den Botschaften des Großkonzerns wirklich trauen? Derzeit gibt es weltweit und auch innerhalb der EU keine gesetzlichen Bestimmungen, die regeln, was genau ein nachhaltiges oder ein Fair Trade-Produkt ist. Allerdings erleichtern Labels es den KonsumentInnen, sich am Markt zu orientieren.
Im Falle der Eismarken Ben und Jerry’s und Magnum wurden zwei internationale Siegel mit hoher Glaubwürdigkeit gewählt, wie ein Label Check gezeigt hat, der 2008 im Auftrag von Fair Trade Österreich durchgeführt wurde. Beide Labels werden von gesetzlich anerkannten externen Stellen zertifiziert, arbeiten aber nach unterschiedlichen Kriterien. Bei FAIRTRADE steht der Handel mit Kleinbauern und -bäuerinnen mit einem garantierten Mindestpreis im Vordergrund. Die Organisation garantiert zudem ProduzentInnen, die nach biologischen Standards anbauen, eine Bioprämie.
Die Rainforest Alliance hingegen hat mit ihren Kriterien auf die ökologischen Aspekte beim Plantagenanbau fokussiert, soziale Aspekte sind nur begrenzt enthalten. Im Sinne der Definition von F.I.N.E, einem Zusammenschluss internationaler Fair Trade-Organisationen, ist das Rainforest Alliance-Siegel deshalb kein Fair Trade-Label. Kritisch zu beurteilen ist laut dem Label Check auch, dass das Siegel nicht garantiert, dass Produkte zu 100 Prozent zertifizierte Zutaten enthalten. Deshalb ist für Helmut Adam Fair Trade jenes Label, das derzeit am umfassendsten nachhaltige Entwicklung fördert und garantiert.
Martina Weinbacher hat Wirtschaftswissenschaften studiert und sich auf die Themen nachhaltige Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit spezialisiert. Sie arbeitet und lebt als freie Journalistin in Wien.
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