Heuer ist das Europäische Jahr für Entwicklung. Die Südwind-Magazin-Redaktion fragt sich: Macht ein solches Themenjahr Sinn?
Ja, sagt Richard Solder:
Viel Lärm um nichts? Zugegeben, der Autor dieser Zeilen hat sich auch schon gefragt, ob das Theater um das Europäische Jahr für Entwicklung Sinn macht: Internationale Themenjahre existieren fast schon inflationär. Für viele NGOs bedeutet das EYD 2015 zudem wohl mehr Stress ohne zusätzliche Gelder.
Aber dann musste ich an Gespräche mit Journalistinnen und Journalisten aus Mainstream-Medien denken, in denen sie in Fragen ihr Unwissen verrieten: Was meint der Begriff „Entwicklung“? Was ist der Unterschied zwischen Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit? Darf man noch „Dritte Welt“ sagen?
Und ich bin über Ergebnisse von Eurobarometer-Umfragen gestolpert: 2011 hatten 72 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher noch nie von den Milleniumszielen gehört. Laut der Eurobarometer-Umfrage aus 2014 wissen zudem mehr als die Hälfte der befragten Österreicherinnen und Österreicher nicht, wohin die Mittel der nationalen Entwicklungszusammenarbeit gehen.
Schließlich sind mir jene Menschen aus dem NGO-Bereich und der Politik eingefallen, die jahrelang für das EYD 2015 lobbyiert haben.
Dank ihnen haben wir eine Bühne, auf der wir Werbung für Entwicklungszusammenarbeit machen können. Was dabei herauskommt, hängt nicht zuletzt von uns selbst ab. Das Material dafür haben wir schon: Wir alle arbeiten in so vielen wichtigen Projekten, kennen so viele interessante Personen, spannende Geschichten und Schicksale rund um Entwicklungsthemen – bringen wir sie vor den Vorhang!
Nein, sagt Christina Bell:
Was haben junge KraftfahrerInnen, Freiwillige und der Fremdenverkehr gemeinsam? Sie alle standen bereits im Mittelpunkt eines EU-Themenjahrs. 2015 geht es also um Entwicklung.
Zweifelsohne wird es dem professionellen Kommunikationsapparat gelingen, Interesse für Entwicklung zu wecken, was begrüßenswert ist. Allerdings trübt das Bild, dass dafür kein zusätzliches Geld in die Hand genommen wird. Das heißt, das Jahr für Entwicklung geht auf Kosten anderer Projekte der entwicklungspolitischen Bildung, die sonst aus diesem Budgettopf finanziert werden.
Natürlich ist es fundamental, bei der Bevölkerung Verständnis für das Thema Entwicklung zu schaffen – gerade weil die EU eine wichtige Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit spielt. Die Energien in einer Imagekampagne zu bündeln verkennt aber das eigentliche Problem: Aufgabe der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten und der Institutionen der EU wäre es, Entwicklung als Querschnittsthema zu verstehen und durch konsequentes Handeln den Menschen ihre Bedeutung näher zu bringen.
Die Tendenz geht aber in eine andere Richtung: Die Staaten verfolgen mit Entwicklungspolitik lieber eigene Prioritäten und Interessen, anstatt an der überfälligen Kohärenz zwischen den Politikbereichen zu arbeiten. Hier anzusetzen wäre wichtiger als der Druck bunter Broschüren. Wenn die EU ihre eigenen Grundsätze ernst nimmt, sollte nicht 2015 das Jahr für Entwicklung sein. Sondern jedes Jahr.
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