Nach der Amnestierung des Großteils der Terroristen morden radikale Islamisten weiter.
Der Gewalt haftet zunehmend etwas Schicksalhaftes an, sind doch seit dem Auslaufen der Amnestieofferte keine politischen Ansätze mehr zu erkennen, wie ihr begegnet werden soll. Sowohl die Bewaffnete Islamische Gruppe GIA von Antar Zouabri wie auch die von Hassan Hatab geführte Salamistengruppe für Predigt und Kampf (GSPC) haben das Angebot Präsident Abdelaziz Bouteflikas zurückgewiesen, mit der Aussicht auf Strafmilderung oder Straffreiheit die Waffen niederzulegen. Eine zersplitterte, zur Bedeutungslosigkeit verkommene Opposition aus Sozialisten und Islamisten ruft dann und wann nach einer „politischen Lösung“, an der alle Kräfte beteiligt werden sollen, einschließlich der verbotenen Islamischen Heilsfront FIS. Die Armee und der Staatschef hüllen sich derweil in Schweigen.
Bouteflika hat es bei der Suche nach einem dauerhaften Frieden insofern nicht leicht, als er inmitten eines von rivalisierenden Militärs bestimmten Machtgefüges wenig Spielraum hat. Dass einmal diese, dann wieder jene private Zeitung den Präsidenten mit heftiger Kritik überzieht, wird in Algier als Ausdruck von Machtkämpfen an der Staatsspitze gedeutet.
Da die Generäle nicht bereit scheinen, von ihrer Machtfülle zu lassen, bietet sich wenig an, was die Terroristen zum Einlenken bewegen könnte. Ein noch großzügigeres Amnestieangebot, das ausdrücklich auch Mördern und Vergewaltigern Straffreiheit zusichern würde, stieße auf den Widerstand weiter Teile der Bevölkerung.
Ohnedies dürften sich zahlreiche Schwerverbrecher bereits dem Zugriff der Justiz entzogen haben. Von 5500 bewaffneten Islamisten, die sich nach offiziellen Angaben den Behörden gestellt haben, wurden nur 350 gerichtlich belangt. Der Rest wurde auf Bewährung freigelassen, was einer De-facto-Amnestie gleichkommt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die im Mai und im November erstmals seit fünf Jahren wieder vor Ort recherchieren durfte, beklagt denn auch die sämtlichen Rechtsstaatsprinzipien widersprechende Straffreiheit im Lande. Nachdem in der Vergangenheit bereits die Sicherheitskräfte entführt, gefoltert und gemordet hätten, ohne gerichtlich belangt zu werden, seien im Zuge der Amnestieofferte des Präsidenten auch noch die sich islamistisch nennenden Terroristen straffrei ausgegangen.
Axel Veiel ist Nordafrika-Korrespondent mehrerer deutschsprachiger Medien mit Sitz in Madrid.
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