Eine Erkundung der österreichischen Seele, mit Grace Latigo, der Wiener Szene als MigrantInnen-Aktivistin bekannt, als Heurigensängerin.
Erwin Ringel hat ein ganzes Buch darüber geschrieben und viele Jahre ihrer Erforschung gewidmet, Regisseur Ernst Binder versucht, sie im Wiener Rabenhof-Theater an einem Abend darzustellen: die österreichische Seele. Anhand von zwei Künstlern des vergangenen Jahrhunderts, die man auf den ersten Blick als Antipoden heimischer Befindlichkeit bezeichnen könnte, die aber bei näherem Hinsehen gar so unterschiedlich nicht sind – Hans Carl, besser bekannt als H. C., Artmann und Hans Moser. Ein großer Kosmopolit der eine, der nie genug Sprachen und Kulturen kennen lernen konnte, offen und lebensfroh – und ein selbstbezogener Nuschler und Nörgler der andere, kauzig, missmutig und geizig.
Der Regisseur dramatisiert in dieser Inszenierung Artmanns „Nachrichten aus Nord und Süd“, einen inneren Monolog, in dem er sich an seine private Vergangenheit erinnert. Der Schauspieler Rudi Widerhofer spielt den rückblickenden H. C. – und schlüpft dabei auch in die Rolle des großen Volksschauspielers Hans Moser. Bis hierher eine nicht besonders aufregende Erinnerungsshow – wenn da nicht Grace Latigo wäre, die die Selbstbespiegelung des Homo Austriacus musikalisch begleitet. Die in der Slowakei geborene und aufgewachsene Künstlerin – Mutter aus der Slowakei, Vater aus Uganda – betätigt sich nicht nur als Malerin, Schauspielerin, Sängerin und Autorin; bekannt ist sie auch durch ihren unermüdlichen Einsatz für Asylwerberinnen und Migrantinnen und sonstige marginalisierte Menschen.
Wie ist es nun, als Frau, die in Wien immer wieder als „Negerin“ angepöbelt wird und die in ihrem Umfeld ständig von rassistischen Übergriffen hört, in einer Heurigenatmosphäre Hans Moser-Lieder zu singen? „Ich habe gesehen, wie die Österreicher sind, und habe sie von Anfang an so akzeptiert. Als junges Mädchen habe ich einmal bei einer Weinlese mitgearbeitet, und da war ich sogar ihre Lieblingsnegerin.“ Grace Latigo lebte, wegen eines Formfehlers, sieben Jahre lang illegal in Österreich und hat in dieser Zeit Heurigenlokale geputzt und in Bierzelten gekellnert. Trotz ihrer Erfahrungen als dunkelhäutige ausländische Frau am untersten Rand der Gesellschaft sieht sie den Rassismus in einem größeren Kontext. „Rassismus ist idiotisch, doch man muss erkennen, dass das nicht nur mit der Hautfarbe zu tun hat. Das Phänomen der Diskriminierung ist viel umfassender. Ich denke mir, mit diesem Stück habe ich nun eine Möglichkeit, dieses Phänomen zu knacken. Viele der Lieder haben schöne, interessante Texte, und ich werde sie ganz schön singen!“
Mann und Frau dürfen gespannt sein auf die Aufführungen im Rabenhof-Theater. Und ich stelle mir vor, wie Hans Moser, H. C. Artmann und Erwin Ringel auf einer rot-weiß-roten Wolke im Jenseits die Vorstellung verfolgen und kommentieren. Daraus könnte man wohl ein eigenes Stück machen …
Premiere am 20. Oktober, weitere Aufführungen am 22., 23., 29., 30. Oktober sowie am 9., 10., 11., 17. und 18. Dezember 2004, Beginn jeweils 20 Uhr. Kartenreservierung Tel. 01/712 82 82, Infos und Online-Reservierung www.rabenhof.at