Erinnerung an einen schmutzigen Engel

Von Redaktion · · 2012/10

Henning Mankell

Roman. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012, 348 Seiten, EUR 22,60

Aus Hanna Lundmark wird Ana Branca und schließlich Ana Negra. In seinem neuesten Roman erzählt der schwedische Erfolgsautor Henning Mankell die Geschichte einer jungen Schwedin, die es Anfang des 20. Jahrhunderts ins heutige Mosambik verschlägt. Durch eine Verkettung von glücklichen und weniger glücklichen Umständen wird sie Besitzerin eines äußerst erfolgreichen Bordells. Bis sich eines Tages ihre Spur wieder verliert. So weit, so unwahrscheinlich. Tatsächlich aber beruht die Geschichte auf historischen Dokumenten, die die frühere Existenz einer schwedischen Bordellbesitzerin im heutigen Maputo belegen. Dazu kommt eine große Portion Phantasie des Autors.

Mankell lässt uns am unruhigen Seelenleben von Hanna, deren H im Portugiesischen verschwindet, teilhaben. In bitterer Armut im ländlichen Schweden aufgewachsen, ist Hanna plötzlich reich und – schon allein dank ihrer Hautfarbe – mächtig. Fühlt sie sich zunächst den schwarzen Frauen des Bordells am ehesten verbunden, so bringt ihr die Kolonialgesellschaft schnell ordnungsgemäßes rassistisches Verhalten bei. Doch Ana stellt Fragen, vor allem an sich selbst und im Stillen. Anfangs ist ihr Verhalten noch widersprüchlich. Doch dann trifft sie eine Entscheidung, die ganz klar zeigt, auf wessen Seite sie steht, und die ihr zum Verhängnis zu werden scheint.

Kolonialismus, Rassismus, Sexismus: Mankell behandelt große und komplexe Themen in schlichter Sprache und bisweilen auch auf schlichte Weise. Flüssiger und teils faszinierender Lesestoff, der einen in eine andere Zeit versetzt. Die Schilderungen der afrikanischen Realität mögen teilweise oberflächlich und klischeehaft anmuten. Doch die Wirklichkeit liegt im Auge des Betrachters. Und dass es mehrere Wirklichkeiten geben kann, das bekommt Ana alias Hanna in Afrika gelehrt.
Nora Holzmann

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