Der Bus der Liberty Church rast vorbei, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Er ist gefüllt mit Born Again-Gläubigen, die die Kirche der ugandischen Pastorin Imelda Namutebi auf dem Lugala-Hügel besuchen. Den ganzen Tag pendelt der Bus zwischen Innenstadt und Stadtrand. Jeden Freitagabend ist die Pastorin mit ihrer Religionsshow auf Lighthouse TV zu sehen, einem Fernsehsender, der den ganzen Tag Gottesdienste von PastorInnen aus dem In- und Ausland überträgt.
Die Gerüchte, sie habe ihre heilenden Kräfte durch einen Pakt mit dem Satan erworben und würde sich zeitweise in einen Leoparden verwandeln, haben Namutebis Popularität nichts anhaben können. Seit kurzem fährt sie einen US-amerikanischen Luxuswagen der Marke Hummer und streckt ihre Fühler bis nach Südafrika aus. Auch ihre wohlhabenden AnhängerInnen kommen in Geländewagen mit Allradantrieb, die weniger Betuchten folgen im Windschatten.
Vorläufig ist die Liberty Church noch ein kleiner Fisch unter den Born Again-Kirchen in Ugandas Hauptstadt Kampala. Das Miracle Centre von Pastor Robert Kayanja im Stadtteil Rubaga fasst zehntausend Menschen. Kayanja hat einen weltweiten Kreis von AnhängerInnen. Durch das amerikanische Trinity Broadcasting Network (TBN) wird seine Religionsshow in die ganze Welt ausgestrahlt. Während seiner Heilungsseancen verkünden viele einfache Leute, Kayanja habe sie von verschiedensten Krankheiten geheilt, einschließlich Aids.
Die Christian Life Church von Pastor Jackson Senyonga, zugleich Besitzer der religiösen ugandischen Radio- und Fernsehstation Top, ist mit neuntausend Plätzen fast ebenso groß wie die Miracle-Kirche. Der kanadische Pastor und Unternehmer Gary Skinner hat noch größere Pläne für seine Kampala Pentecostal Church. Mit Hilfe seines Watoto-Chores für „arme Waisenkinder“, der das ganze Jahr um die Welt tourt und Werbung für sein Pfingstkirchen-Projekt macht, will er gleich fünf Mega-Kirchen in Kampala bauen lassen. Über die Stadt verstreut sind bereits mehr als zwölf Born Again-Kirchen, die mehreren tausend Menschen Platz bieten.
Der ausgeprägte christlich-religiöse Eifer in Uganda hat eine lange Tradition. Als die ersten katholischen und anglikanischen Missionare Ende des neunzehnten Jahrhunderts das Buganda-Königreich in Zentraluganda erreichten, trafen sie auf eine gut organisierte Feudalgesellschaft mit einem König, genannt Kabaka, an der Spitze. Kabaka Mwanga ließ die Ausländer zunächst gewähren, in der Hoffnung, von der technischen Überlegenheit der Weißen zu profitieren. Ihr wachsender religiöser und politischer Einfluss wurde dem autoritären Herrscher aber bald zuviel. 1886 ließ er eine Gruppe junger Diener hinrichten, weil sie sich weigerten, der neuen Religion abzuschwören. Die europäischen Missionare mussten das Königreich verlassen. Als sie nach einigen Jahren zurückkehrten, fanden sie eine stetig gewachsene christliche Gemeinschaft vor, die im Untergrund lebte und die Verfolgung durch den Kabaka überlebt hatte. Die dreizehn katholischen und elf anglikanischen Diener, die damals bei lebendigem Leib verbrannt wurden, gelten heute als Ugandas erste Märtyrer. Die katholischen Opfer wurden später durch den Vatikan heilig gesprochen. Am Märtyrertag im März pilgern jährlich hunderttausende Gläubige zu den Schreinen in Namugongo, um ihrer Vorgänger zu gedenken.
Die FührerInnen der Born Again-Kirchen heute behaupten, dass seit den 1980er Jahren zwischen fünf und acht Millionen UganderInnen „gerettet“ wurden, wie es in der Sprache der FreikirchlerInnen heißt. Auch wenn es keine offiziellen Statistiken gibt, sticht doch ins Auge, wie sehr das öffentliche Leben von der evangelikalen Botschaft durchdrungen ist. Viele Autos tragen den Aufkleber „Jesus hat mich bekehrt“. Das Top-Radio und kleinere Sender rufen ihre HörerInnen dazu auf, sich zu bekehren, „solange es noch nicht zu spät ist“. Im Umkreis der Kirchen üben sich darüber hinaus Dutzende Möchtegern-PastorInnen als PredigerInnen.
Wie erklärt sich der große Erfolg der Kirchen? Ein Faktor ist ihre scheinbare Überwindung von ethnischen und Klassengegensätzen. In Uganda leben sechsundfünfzig ethnische Gruppen, deren Verschiedenheiten in den gewalttätigen Konflikten und Bürgerkriegen der Vergangenheit eine wichtige Rolle spielten. Als „Wiedergeborener“ gilt man als Teil einer Gemeinschaft von Gläubigen, für die ethnische, politische oder soziale Zugehörigkeit nicht zählen
Ein weiteres wesentliches Motiv ist die Verunsicherung durch die Aids-Epidemie, die Anfang der 1990er Jahre zum landesweiten Thema wurde. Zudem ist das Land nach den Jahren der Diktatur und des Bürgerkriegs auch seit der Machtergreifung durch Yoweri Museveni nie vollständig zur Ruhe gekommen (siehe SWM 4/2006, S. 18-21). Die Wunden gehen tief. Viele Menschen suchen Rettung in einem heilenden Gott, den sie persönlich in ihren einfachen Holzkirchen aufsuchen können. Auch traditionelle Hexerei und Hexenglaube erleben, oft mit christlichen Elementen gemischt, in den letzten Jahren neuen Aufschwung.
Die besondere Anziehungskraft der Born Again-Kirchen liegt aber auch in dem Versprechen von Wohlstand und Erfolg, das sie geben. Vorbild dafür sind US-amerikanische WohlstandsevangelistInnen wie Benny Hinn, T.D. Jakes und Marilyn Hickey, deren Botschaft kurz gefasst lautet: „Gott will, dass wir in Wohlstand leben.“ Sie sind seit einigen Jahren auf Lighthouse TV zu sehen und haben ugandische Born Again-Pastoren wie Martin Ssempa von der Makerere Community Church an der Makerere-Universität deutlich inspiriert. Seine Gemeinde versammelt sich im so genannten Weißen Haus, ein deutlicher Verweis auf die enge Verbundenheit zu den Born Again-Brüdern und -Schwestern in den USA. Ssempa ist einer der einflussreichsten Stimmungsmacher in der Debatte um den „moralischen Verfall“ in Uganda und hat schon mehrfach zum „Kreuzzug“ dagegen aufgerufen.
Erste negative Schlagzeilen machten die „Wiedergeborenen“ im Jahr 2000 nach rituellen Massenmorden an über tausend AnhängerInnen der „Bewegung für die Wiedereinsetzung der Zehn Gebote des Herrn“. Nachdem deren selbst ernannter Prophet Joseph Kibwetere seit Jahren den bevorstehenden Weltuntergang gepredigt hatte, verbrannten im März 2000 Hunderte von AnhängerInnen in einer Kirche in Kanungu, die versperrt und von innen in Brand gesetzt worden war. In der Folge wurden unter Häusern und auf Grundstücken der Sektenführer Massengräber mit weiteren Ermordeten gefunden. Der frühere Katholik und Politiker Kibwetere war zwar selbst erklärtermaßen kein „Wiedergeborener“. Dennoch fragten sich viele der geschockten UganderInnen, ob die boomenden Born Again-Kirchen, die auch das biblische Ende der Welt verkünden, nicht Unheil über das Land brächten.
Kontroversen rund um die Kirchen gibt es inzwischen genug. Vor wenigen Monaten beschuldigte der Pastor Solomon Male einige seiner Kollegen, Hexerei anzuwenden. Mit seiner Arise for Christ-Organisation will er die Kirchen von den Hexern befreien, die sich als wundertätige Pastoren ausgeben. Er entfachte damit eine Debatte, die durch die Medien des Landes ging. Der jüngste Skandal betrifft Pastor Kayanja. Sein Haus am Viktoriasee wurde als Umschlagplatz für den Schmuggel von Alkohol genutzt.
Dank Unterstützung einiger prominenter PolitikerInnen muss sich die „Marke Born Again“ dennoch nicht um Nachwuchs sorgen. Das hat ihr den Ruf eingebracht, ein Vehikel der herrschenden politischen Klasse zu sein. Diese hält seit 20 Jahren an der Macht fest und gerät zunehmend wegen Korruptionsfällen unter Beschuss. Dem sollte der Minister für Ethik und moralische Integrität Einhalt gebieten. In den zehn Jahren, seit der Posten geschaffen wurde, war er immer von einem Born Again besetzt. Der kümmert sich jedoch mehr darum, gegen Homosexualität, Feminismus und den Gebrauch von Kondomen ins Feld zu ziehen.
Politisches Zugpferd der konservativen Bewegung ist die Ehefrau des Präsidenten selbst, Janet Museveni. Als treue Anhängerin startete sie vor anderthalb Jahren eine Kampagne für Enthaltsamkeit und gegen Kondome. Ihr moralischer Kreuzzug zeigte Erfolg: Verschwunden sind die großen Reklametafeln in Kampala, die dafür warben, sich mit Kondomen vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen. Selbst das Gesundheitsministerium verkündet inzwischen, in Zukunft stärker auf Enthaltsamkeit zu setzen.
Zur Überraschung vieler UganderInnen hat sich die First Lady bei den letzten Wahlen im Februar 2006 einen Platz im Parlament erobert. Ihr erster parlamentarischer Antrag bestand darin, jährlich zwei nationale Gebetstage einzurichten, um „das Böse in der Gesellschaft“, darunter die Korruption, zu bekämpfen. Der bekannte ugandische Kolumnist Charles Onyango-Obbo entgegnete daraufhin in der Zeitung East African: „Ein paar der korruptesten Menschen in Uganda stehen dem Präsidentenpalast nahe. Da wäre eine Hauskonferenz zur Bekämpfung der Korruption doch wesentlich Erfolg versprechender als Gebete.“