Der Afghanistan-Krieg – ob Nebeneffekt oder Vorwand – dient einem stratetischem Ziel der USA: Kontrolle über die Erdöl- und Erdgasressourcen der Kaspischen Region.
Ein Narr, wer in der Wertegemeinschaft die Menschenrechte vom Erdöl trennt“, meint der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech in einer Analyse des NATO-Statuts von 1999, das Interventionen bei der „Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen“ vorsieht. Und auch beim „Krieg gegen den Terror“ ist das Erdöl nicht weit: Die Schachzüge der USA seit dem 11. September fügen sich fast perfekt in eine Strategie zur Kontrolle der bislang noch kaum erschlossenen Erdöl- und Erdgasressourcen im und um das Kaspische Meer, die nach den Öl- und Gasfeldern am Golf wahrscheinlich größten Lagerstätten der Welt. Mit dem Aufbau einer auf Dauer angelegten militärischen Präsenz in Zentralasien – in Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan; mit Kasachstan wird verhandelt – und dem Sturz des Taliban-Regimes sind die USA diesem Ziel um einiges näher gekommen.
Was die USA in Zentralasien wollen, ist kein Geheimnis. Bei einem Hearing im US-Kongress im Februar 1998 wurden die folgenden Ziele genannt: Förderung der Unabhängigkeit der zentralasiatischen Staaten und ihrer Bindung an den Westen, Beseitigung des russischen Monopols über Erdöl- und Erdgastransportrouten, Förderung der Energiesicherheit des Westens durch eine Diversifizierung der Versorgung (sprich: weniger Einfluss der OPEC), und Unterbindung eines „gefährlichen Einflusses“ des Iran auf die zentralasiatischen Wirtschaften. Dazu kommt ein gewisser Zeitdruck: Vor allem eine stark steigende Nachfrage in Süd- und Ostasien könnte die Erdölpreise weltweit in die Höhe treiben, wenn nicht rasch in die Erschließung neuer Energieressourcen investiert wird – und in Pipelines, die diese Energieträger möglichst kostengünstig zu den Abnehmern schaffen.
Gepokert wird in der Region vor allem um die zukünftigen Transportrouten (siehe Grafik). Die Präferenzen der USA stehen fest: Möglichst keine weiteren Pipelines durch Russland (die Pipeline des Caspian Pipeline Consortium zum Schwarzmeerhafen Novorossiisk ist seit November in Betrieb) und keine Pipelines durch den Iran. Die von Peking gewünschte Pipeline nach China fällt aus Kostengründen derzeit aus; daher favorisiert Washington eine Erdölpipeline von Baku über Georgien nach Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste (um den Bosporus zu vermeiden, ein Wunsch der Türkei) und eine Gaspipeline über Georgien nach Erzurum/Türkei. Seit dem Sturz der Taliban ist aber auch die Option Afghanistan wieder aktuell.
Für die letztere Option wurden in den letzten Jahren einige Projekte vorgeschlagen, darunter eine Erdölpipeline von Turkmenistan nach Pakistan (vom US-Energieunternehmen Unocal) und eine Erdgaspipeline von Turkmenistan nach Multan in Zentralpakistan und weiter nach Indien (vom internationalen Konsortium CentGas, aus dem sich Unocal 1998 zurückzog). Unocal hatte zwar auch mit den Taliban über die Pipelines verhandelt, das Projekt aber zumindest offiziell auf Eis gelegt, nachdem sich die US-Einschätzung des Taliban-Regimes in Folge der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 (für die Usama bin Laden verantwortlich gemacht wurde) endgültig gewandelt hatte. Da die Taliban außerdem auch die Islamische Bewegung von Usbekistan unterstützten, die das autoritäre Regime von Präsident Islam Karimov bekämpft, und damit nicht gerade zu einem für Erdölinvestoren günstigen Umfeld beitrugen, standen sie den US-Zielen gleich doppelt im Wege.
Spätestens seit der Berufung des früheren Unocal-Chefberaters Zalmay Khalilzad zum US-Sonderbotschafter für Afghanistan am 31. Dezember (er war bereits seit Juni 2001 im Nationalen Sicherheitsrat der USA für die Region verantwortlich) sind die Pipeline-Pläne jedenfalls wieder auf dem Tisch, und insbesondere die Regierung in Turkmenistan zeigt sich an einer raschen Reaktivierung der Projekte interessiert. Dass der Krieg gegen den Terrorismus nur ein Vorwand sei, „um mehr Einfluss über unsere Energieressourcen zu gewinnen“ (ein kasachischer Regierungsvertreter im Jänner gegenüber dem britischen Observer), ist sicher übertrieben. Aber es sieht beinahe so aus.
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