Im Gespräch mit der SÜDWIND-Redaktion erläutert Außenministerin Benita Ferrero-Waldner ihre Zielvorstellungen zur Entwicklungszusammenarbeit und ihre entsprechenden Arbeitspläne.
FERRERO-WALDNER: Angesichts der Kompetenzverschiebungen nach der Regierungsbildung wird der Gesetzesentwurf zunächst intern überarbeitet und sodann dem Bundesministerium für Finanzen zur Stellungnahme übergeben werden. Anschließend wird er den EZA
NROs übermittelt. Vorgesehen ist, das Gesetz – wenn möglich – noch dieses Jahr im Parlament einzubringen.
Es geht dabei darum, die rechtlichen Voraussetzungen für die Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungspolitik zu verbessern und einen Rechtsrahmen zu schaffen, in dem die Ziele (z.B. Armutsbeseitigung, nachhaltige Friedenssicherung, Schutz der Umwelt) und Prinzipien (z.B. Hilfe zur Selbsthilfe, Frauengleichstellung, Integration in die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen) der ÖEZA besser umgesetzt werden können. Das Gesetz soll auch die verschiedenen Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe besser zusammenführen.
SÜDWIND: Wie wird der neue Entwicklungshilfe-Beirat bestellt, welche Kriterien sind bei der Besetzung ausschlaggebend?
– :Der Beirat ist eine Beratungskommission für den für EZA-Angelegenheiten zuständigen Minister. Bisher wurden die – zuletzt 24 – Mitglieder gewöhnlich für die Dauer von 3 Jahren ernannt; die Form der Zusammenkünfte war allerdings nicht wirklich befriedigend.
Ich überlege daher, bereits dieses Jahr einen kleineren Beirat zu ernennen. Dieser soll als entwicklungspolitischer Beirat neu gestaltet werden: zum einen durch eine personelle Aufwertung, d.h. die verstärkte Aufnahme prominenter Experten, und zum anderen durch eine Ausweitung der inhaltlichen Themenstellungen auf einen umfassenderen entwicklungspolitischen Ansatz und eingebettet in einen makroökonomischen Kontext, der auch Fragen wie Exportförderung, Umwelt etc. beinhaltet.
Diese prominenten Experten möchte ich auch ersuchen, sich neben ihrer inhaltlichen Beratung auch für konkrete Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung zu stellen.
SÜDWIND: Wie kann die Annäherung an Ihr erklärtes Ziel (mittelfristig wieder zur Milliarde und darüber hinaus für Programm- und Projekthilfe zu kommen) politisch durchgesetzt werden? KommEnt hat ja im Widerspruch zu diesem von Ihnen erklärten Ziel bereits weitere Kürzungen für die kommenden Jahre angekündigt.
Ich bekenne mich zum im Regierungsprogramm vorgesehenen Konzept der ausgabenseitigen Sanierung des Budgets. Davon kann kein Bereich ausgenommen sein. Mir ist aber sehr wichtig, dass beim Sparen nicht nach dem „Rasenmäherprinzip“ vorgegangen wird: Ich habe mich daher persönlich dafür eingesetzt, dass die Budgetkürzungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in einem vertretbaren Umfang bleiben.
Mit den veranschlagten knapp 750 Mio. Schilling für die Programm- und Projekthilfe liegen wir rund 12% unter dem Budgeterfolg des Vorjahres. Dies konnte nur durch massivste Sparmaßnahmen in anderen Bereichen meines Ressorts, wie etwa beim Erhalt unserer Botschaften, möglich gemacht werden. Mein Ziel ist, mittelfristig wieder auf den Stand der Budgetmilliarde für die Entwicklungszusammenarbeit zu kommen und längerfristig eine darüber hinausgehende Erhöhung des Entwicklungshilfebudgets anzustreben.
Das 0,7%- Ziel (Anteil der öffentl. Entwicklungshilfe am BIP; Anm. d. Red.) bleibt als wichtiges internationales Ziel bestehen; vorerst sollte von Österreich allerdings konsequent die Erreichung des näher liegenden EU-Durchschnitts von 0,33% schon in den nächsten Jahren angestrebt werden.
Die notwendigen Detailarbeiten der Förderungsabwicklung im Informationsbereich durch KommEnt erfolgen in unserem Auftrag und im Einklang mit diesen Zielen.
Für Förderungen der NRO-Informationsarbeit werden im Jahr 2000 ca. 44 Mio. Schilling zur Verfügung stehen. Diese Kürzung gegenüber 1999 ist real geringer als beim Gesamtbudget der Programm- und Projekthilfe, da ich zugesagt hatte, die Auswirkungen auf österreichische Nichtregierungsorganisationen so weit irgendwie möglich abzufangen. Diese Verschiebung eines Teiles der Kürzung in der Informationsarbeit zu Lasten anderer Projekte muss aber 2001 ausgeglichen werden, da Österreich seinen Partnern in den Entwicklungsländern mit verlässlichen Leistungen im Wort ist.
SÜDWIND: Wird es zu einer Veränderung / Verschiebung der geographischen und der inhaltlichen Schwerpunktsetzung der österreichischen Programm- und Projekthilfe kommen?
– :Grundsätzlich erscheint mir Kontinuität ein wichtiges Element der Entwicklungszusammenarbeit zu sein. Abrupte Veränderungen im Programmbereich sind daher nicht geplant. Überschneidungen oder allfällige Doppelgleisigkeiten werden allerdings auch hinkünftig bereinigt werden müssen.
Das DAC hat anlässlich seiner letzten Prüfung festgestellt, dass wir angesichts unserer begrenzten Mittel für Projekt- und Programmhilfe noch immer eine viel zu große Zahl von Partnerländern haben und weiter einschränken sollten. Das halten wir zunächst für schwierig, werden uns aber auch dieser Frage stellen. Auszuschließen ist aber in jedem Fall eine Ausweitung unserer Entwicklungszusammenarbeit auf neue Länder.
In inhaltlicher Hinsicht habe ich vor, die Schwerpunkte, die bisher im Bereich der ÖEZA gesetzt wurden, weiter zu entwickeln. Gegen Ende der letzten Legislaturperiode habe ich einige anerkannte Wissenschafter und Politiker ersucht, ihre Visionen über „Die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit“ zu Papier zu bringen. Das Ergebnis habe ich in einem Buch veröffentlicht. Ich leite aus diesem Prozess ab, künftig folgende drei Ziele verstärkt in den Vordergrund unserer Kooperation zu stellen:
Im Zentrum der Entwicklungsbemühungen wird weiterhin die Armutsbekämpfung stehen.
Der Sicherung des Friedens soll noch stärker als bisher unsere Aufmerksamkeit gelten; damit meine ich zahlreiche unterschiedliche „Interventionsebenen“. Einerseits die klassische Konfliktprävention, jedoch auch darüber hinausgehend den gesamten Bereich der guten Regierungsführung, der Demokratie und der Menschenrechte. Nur ein funktionierender Staat in unseren Partnerländern kann Friede und Entwicklung sicherstellen.
Umwelt / nachhaltige Entwicklung: es gibt nur eine Welt, es ist damit klar, dass das Umweltthema uns mit den Entwicklungsländern verbindet. Wir werden versuchen, mit unserer Entwicklungszusammenarbeit zu zeigen, dass Entwicklung nicht nur umweltverträglich sein kann, mehr noch, dass Armutsbekämpfung eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung der Umwelt darstellt. Österreich hat ein gutes internationale Niveau an Umwelttechnologie. Die UNIDO widmet diesem Bereich verstärkt ihre Aufmerksamkeit. Es ist daher nahe liegend, dass wir diesem Bereich einen hohen Stellenwert einräumen werden.
SÜDWIND: Welche Maßnahmen wollen Sie für eine Verankerung der Entwicklungspolitik im Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher setzen? Was sind Ihre inhaltlichen Schwerpunkte in der entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit?
Ich habe mir zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der oben angeführten drei globalen Dimensionen den Österreicherinnen und Österreichern stärker bewusst zu machen. Um meine Botschaft in einem Satz zusammenzufassen: „Entwicklungspolitik geht uns alle an!“
EZA-Maßnahmen in den Entwicklungsländern und Informations- und Bildungsmaßnahmen in Österreich dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden – beide Ansätze der EZA-Arbeit sind aufeinander bezogen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Entwicklungszusammenarbeit es mit globalen Fragen zu tun hat, die auch nur global angegangen werden können.
Es gibt viele Tausende, denen Entwicklungszusammenarbeit ein echtes Anliegen ist. Nun geht es darum, diese Einstellung auch auf die Ebene der politischen Entscheidungsträger zu bringen.
In diesem Zusammenhang lade ich alle in diesem Bereich tätigen öffentlichen und privaten Stellen und insbesondere die Projektträger der Informationsarbeit ein, mit uns (etwa im Rahmen des gemeinsamen internationalen Schwerpunktes „Armutsbekämpfung“) verstärkt „Public support“ für eine quantitativ und qualitativ verbesserte ÖEZA zu erreichen und andererseits die aus EZA-Mitteln geförderten Strukturkosten dafür gering zu halten.
SÜDWIND: Wie beurteilen Sie als Außenministerin angesichts des internationalen Ansehens Österreichs die Bedeutung eines politischen Schwerpunktthemas „Antirassismus“ in Österreich, das auch in die entwicklungspolitische Bildungsarbeit einfließen könnte?
– : Als Außenministerin stehe ich für ein Österreich, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden und auch in Zukunft nicht finden werden. Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte ist mir stets ein persönliches Anliegen gewesen und ich werde mich dafür sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene aktiv einsetzen. Ich glaube, dass dies der beste Weg ist, um Kriege und Konflikte zu verhindern, die Menschen in ihren Rechten verletzen, vertreiben oder zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.
Engagierte Menschenrechtspolitik bedeutet für Österreich traditionell eine enge Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Einrichtungen im nationalen und internationalen Rahmen.
Schon im vergangenen Jahr nach dem „Fall Omofuma“ hat die Sektion Entwicklungszusammenarbeit begonnen, sich intensiv mit diesem Thema auseinander zu setzen, weil ja jeder Ausdruck von Rassismus in Österreich direkt die Zielsetzungen der Entwicklungszusammenarbeit in Frage stellt. Daher begrüße ich ein Schwerpunktthema Antirassismus, mit dem bei uns offene Türen eingerannt werden.
SÜDWIND: Wir danken für das Gespräch.
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