Eisendünger für die Ozeane

Von Hermann Klosius · · 2008/04

Neuerdings werden Konzepte zum Klimaschutz durch die technische Manipulation natürlicher Systeme („Geoengineering“) wieder breiter diskutiert. Das „Düngen“ der Ozeane mit Eisen ist eine der vorgeschlagenen Methoden. Doch massive Kritik von Umweltorganisationen und Wissenschaft ließ Mitte Februar einen ihrer Hauptbetreiber die Segel streichen.

Ob das Ausbringen von Eisen im Ozean ein geeignetes Mittel ist, um den Klimawandel zu bekämpfen, wird von WissenschaftlerInnen seit Jahren diskutiert. Eisen fördert die Blüte von Phytoplankton, winziger einzelliger Algen, die im Ozean gelöstes Kohlendioxyd (CO2) für ihre Photosynthese verbrauchen – so viel wie alle Pflanzen auf dem Land zusammengenommen. Dadurch nehmen die oberen Wasserschichten zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre auf. Dass das Düngen der Ozeane mit Eisenpartikeln dazu beiträgt, mehr von diesem Treibhausgas nachhaltig aus der Luft zu entfernen, wird vom Großteil der ForscherInnen jedoch bezweifelt.
Das Unternehmen Planktos aus Foster City, Kalifornien, hatte im Mai letzten Jahres medienwirksam angekündigt, es werde 600 km nordwestlich der Galapagos-Inseln den ersten von sechs geplanten Großversuchen durchführen und auf einer Fläche von 10.000 km2 50 Tonnen fein gemahlenes Hämatit verteilen. Die auf den Inseln ansässige Charles Darwin-Stiftung zeigte sich „wegen der unbekannten Auswirkungen, die das auf das Meeresleben haben könnte“, alarmiert. Umweltorganisationen protestierten lautstark gegen das Experiment.
Planktos behauptet – unter Berufung auf eine Studie der NASA aus dem Jahr 2003 -, dass der Eintrag natürlichen Eisens im äquatorialen Pazifik, für den vor allem Stürme in den Wüsten Zentralasiens verantwortlich sind, seit Beginn der 1980er Jahre um 15% gesunken sei. In der Folge habe das Phytoplankton um 6% und die CO2-Absorption um 3% abgenommen. Gelinge es, durch die Eisendüngung des Ozeans diesen Rückgang wieder auszugleichen, so wird das 70% der heutigen CO2-Emissionen der Welt absorbieren, erklärte das Unternehmen.
Ein Dutzend ähnlicher Experimente hat in den letzten Jahren zwar gezeigt, dass die Zugabe von Eisen zu Phytoplankton-Blüten führt, es ist aber nicht geklärt, ob der gebundene Kohlenstoff auf lange Sicht in tieferen Schichten des Ozeans gebunden bleibt. Wie der Ozeanograph Philip Boyd vom Nationalen Institut für Wasser- und Atmosphärenforschung Neuseelands berichtet, seien bei einem dieser Versuche „nur zehn Prozent des zusätzlich gebundenen Kohlenstoffs in 120 Meter Tiefe abgesunken“. Große Teile des fixierten Kohlendioxyds könnten somit innerhalb weniger Jahre wieder an die Atmosphäre abgegeben werden.
Auch die Behauptung, in den letzten Jahren sei durch Stürme in Asien weniger Eisen eingetragen worden, wird bestritten. Neuere Untersuchungen der Daten, auf denen der NASA-Bericht beruht, durchgeführt von einem Team um David Antoine am Ozeanographischen Laboratorium von Villefranche in Frankreich, kamen sogar zum gegenteiligen Ergebnis: Demnach hat das Ausmaß an Chlorophyll (und somit Phytoplankton) sogar um 37% zugenommen. Allfällige Schwankungen des Phytoplankton-Bestands können, so eine weitere Studie, auch mit mehrjährigen Klimazyklen wie El Niño zusammenhängen.

KritikerInnen von Planktos und ähnlichen Firmen halten deren Behauptung, es gehe ihnen um den Schutz des Ozeans oder um zusätzliche Nahrung für die Sicherung der Fischbestände, für Propaganda. „Es handelt sich in erster Linie um Geschäfts- und nicht um Forschungsprojekte“, so Philip Boyd. Planktos sehe den Ozean als ein simples, voraussehbares und leicht zu manipulierendes System.
Dass sich Planktos verrechnet hatte, wurde am 13. Februar deutlich, als die Firma erklärte, sie gebe ihr Vorhaben angesichts der breiten Opposition und der Schwierigkeit, das dafür nötige Kapital aufzutreiben, auf. Kein einziger der groß angekündigten Versuche hat stattgefunden.

Tatsächlich geht es beim Klimaschutz um viel Geld. Noch verlockender ist jener Markt, der es Unternehmen erlaubt, zum Ausgleich für die eigenen Emissionen von Treibhausgasen in Projekte zur Kohlenstoff-Vermeidung zu investieren. Dieser Markt hat sich laut Weltbankzahlen vom Mai 2007 im Jahr 2006 auf fünf Milliarden US-Dollar verdoppelt.
Projekte zur Ozeandüngung sind dabei attraktiv, weil sie billiger zu sein versprechen als andere Methoden wie alternative Energiequellen oder das Sequestrieren und unterirdische Lagern von Kohlendioxyd (CCS). Während Planktos kalkulierte, durch das Ozeandüngen ließe sich eine Tonne CO2 um den Preis von vier Dollar beseitigen, werden für CCS bei Kohle-betriebenen Kraftwerken 50 Dollar je Tonne CO2 veranschlagt.
Ronald Prinn, ein Klimaforscher am MIT in Cambridge, bringt die verbreitete Skepsis über derartige Projekte des „Geoengineering“ zum Ausdruck, wenn er sagt: „Wie kann man ein System manipulieren, dessen Verhalten man nicht versteht?“

Der Autor lebt als freier Journalist und Solidaritätsaktivist in Wien.

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