Eisenbahnen im Süden – Der Kampf gegen den Verfall

Von Rupert Helm · · 2000/07

Auch Bahnen der vorletzten Technologie-Generation – mit Dieselloks und einem banalen Telefonnetz zur Zugsteuerung – bringen die wesentliche Vorteile des Schienenverkehrs. Heikelster Punkt ist die Erhaltung der Systeme. Hier setzt auch die österreichische Entwicklungszusammenarbeit an.

Ein Loch in der Straße kann einfach umfahren werden. Ist der Schienenstrang unterbrochen, geht nichts mehr. Alles in allem sind Eisenbahnen eine Technologie, mit der Entwicklungsländer gut fahren. Die geringere Rollreibung von Rad/Schiene gegenüber Gummi/Asphalt und die Koppelung zu mehreren hundert Meter langen Einheiten bringen Energie-, Öko- und Personalkostenvorteile. Ein LKW verbraucht rund die vierfache Energie, um eine Tonne Nutzlast einen Kilometer zu bewegen. Der geringere Verbrauch an Landschaft (10 Meter Breite für eine zweigleisige Strecke) ist zumindest in dicht besiedelten Zonen ein weiteres, wesentliches Argument. Zudem machen die mit dem Zugverkehr verbundenen versteckten Kosten (Unfall-Folgekosten, Luftverschmutzung, Erhaltung) nur einen Bruchteil der Kosten beim Straßenverkehr aus.

Schienennetze sind jedoch verletzliche und komplexe Systeme. Unter- und Oberbau müssen für einen sicheren Betrieb regelmäßig gewartet werden. Damit die Geleise schön gerade liegen, muss der Schotter darunter herausgebaggert, gesiebt, mit neuem Schotter versetzt und wieder hineingestopft werden. Ein aufwendiger und teurer Vorgang, der in der Regel von Plasser & Theurer-Maschinen aus Österreich erledigt wird.

Wird in diesem Bereich gespart, verliert der Schotter seine federnde Wirkung und Entgleisungen können die Folge sein. Selbst dem hart gesottenen Eisenbahnbenützer Werner Pilz, der als Konsulent für den Transportbereich der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ÖEZA) oft mit afrikanischen Bahnen unterwegs ist, kann das Schwanken und Schlingern des Zuges auf solchen Strecken den Angstschweiß auf die Stirn treiben.

Im Zuge von Kriegshandlungen sind Eisenbahnen auf Grund ihrer strategischen Bedeutung bevorzugte Angriffsziele. Die mosambikanische RENAMO zwang die BewohnerInnen ganzer Dörfer dazu, mit vereinten Kräften die Geleise auf mehreren Kilometer Länge herauszureißen und verkehrt – mit den Schwellen nach oben – auf den Bahndamm zu werfen. Damit waren Verbindungen über Jahre blockiert.

Eisenbahnen als praktische Umsetzung des Bedürfnisses nach Mobilität haben für die ÖEZA große Bedeutung. In einem Rohentwurf für eine Sektorpolitik zu Verkehr und Mobilität wird die Entwicklung des Verkehrswesens als unverzichtbare Voraussetzung für die sozioökonomische Entwicklung eines Landes bezeichnet. Die Sicherstellung von Mobilität stellt für die ÖEZA „…eine gleichrangige Kategorie wie Ernährungssicherung, Zugang zu Bildung, Recht auf Arbeit etc. dar.“

In der praktischen Umsetzung dieser Politik hatte sich die ÖEZA in den letzten Jahren auf das südliche Afrika, die SADC-Staaten, konzentriert.

Die Eisenbahn gilt in vielen afrikanischen Ländern als Staat im Staat. Da es um sehr hohe Summen und um viele Beschäftigte geht, sind Korruption und Freunderlwirtschaft unausrottbare Begleiterscheinungen. Ständige Wechsel in den Spitzenpositionen (weil der Job so schöne Bereicherungsmöglichkeiten bietet und Einfluss sichert) erleichtern die Kooperation im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit nicht gerade, weiß Werner Pilz zu berichten. „Einige skandinavische Länder haben sich aus dem Eisenbahnbereich aus Hoffnungslosigkeit zurückgezogen. Und das nach einer Welle an Altruismus, der aus heutiger Sicht nur schwer verständlich ist. Die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden schlichtweg ignoriert“, so Pilz.

Der Internationale Währungsfonds drängt mit seinen Vorgaben und Empfehlungen die Staaten dazu, ihre beträchtlichen Zuschüsse für den Bahnbereich zu reduzieren, die Anzahl der Beschäftigten zu verringern und die Bahnen schließlich zu privatisieren.

Pilz dazu: „Ohne begleitende Maßnahmen wird das zu kurz greifen, da die Eisenbahnen nicht darauf vorbereitet sind, unter betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen zu arbeiten. Durch die, vom Staat verlangten, kostenlosen oder schlecht bezahlten Transportleistungen entsteht chronischer Kapitalmangel, der nicht einmal die wichtigsten Erhaltungsmaßnahmen erlaubt.“

Für Franz Breitwieser, den Zuständigen für das südliche Afrika in der Sektion Entwicklungszusammenarbeit ist klar, dass hier angesetzt werden muss: „Wir versuchen mit einem Programm zur systematischen Instandhaltung, mit logistischen Maßnahmen und arbeitsintensiven Methoden zu verhindern, dass der Zustand der Bahnstrecken sich weiter verschlechtert und so volkswirtschaftliches Vermögen verschleudert wird.“ Er geht davon aus, dass sich in einigen Jahren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so weit geändert haben, dass Bahntransporte sich direkt oder indirekt wieder rechnen werden. Dann müsse eine Revitalisierung der Bahnen mit vertretbaren Mitteln möglich sein. Erst dann mache es Sinn über Privatisierungen in einem größeren Rahmen nachzudenken. „Derzeit wären wir froh, wenn wir uns ein Stück in Richtung Kommerzialisierung und in Richtung eines Mitteleinsatzes nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bewegen würden“, fasst Franz Breitwieser die aktuelle Lage zusammen.

Schwerpunkt der österreichischen Eisenbahn-Aktivitäten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ist die Tazara-Bahn (Tanzania-Zambia Railway Authority). Diese Bahn wurde Anfang der Siebziger Jahre von China mit einem Aufwand von etwa 5 Mrd. Dollar errichtet. 9.000 Chinesen schlugen eine Schneise in den Busch und errichteten nicht nur die Bahn selbst sondern auch die gesamte, dazu nötige Infrastruktur mit Wasser- und Energieversorgung. Die Strecke verbindet den wichtigen Hafen Dar es Salaam in Tansania mit den Kupferminen in Sambia. Ursprünglich errichtet, damit Sambias Kupferminen Zugang zu einem Hafen außerhalb der Südafrikanischen Einflusssphäre erhielten, hat die Bahn mit dem Ende der Boykottmaßnahmen gegen Südafrika deutlich an Bedeutung eingebüßt. Die Transportleistung ging von etwa 1,2 Millionen Tonnen 92/93 auf 550.000 Tonnen 96/97 zurück, die Anlagen begannen nach und nach zu verfallen. Alleine im letzten Jahr entstand ein Schaden von 5 Millionen Dollar durch Vandalismus und Entgleisungen.

Die Summen, die Österreich hier investierte, können sich sehen lassen: Für die Behebung der gröbsten Mängel als Voraussetzung für eine kontinuierliche Erhaltung der Tazara-Strecke (Tansania) wurden in den letzten Jahren mehr als 300 Millionen Schilling aufgewendet. Im Jahr 2000 werden noch einmal etwa 35 Millionen für Schienenschweißung und Rehabilitation des Oberbaues bezahlt. Diese Investitionen, die begleitenden Ausbildungsmaßnahmen und eine ausgegliederte Erhaltungsabteilung sollten die Leistungsfähigkeit so weit steigern, dass die Bahn das erwartete Wachstum beim Kupferabbau in Sambia locker verkraften kann.

Im Rahmen des SADC-Transportprotokolls haben sich die SADC Staaten verpflichtet, viele Ungereimtheiten, die die Entwicklung des Transportsektors behindern, zu bereinigen. Kostenwahrheit zwischen Schiene und Straße soll hergestellt werden. Mit entsprechenden organisatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen soll eine positive Entwicklung unter Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Komponenten eingeleitet werden.

Österreich hat sich während seiner EU-Präsidentschaft bei der im Oktober 1998 abgehaltenen SADC-EU-Konferenz in Maputo darum bemüht, dass dieses Protokoll nicht nur am Papier existiert sondern auch umgesetzt wird.

Die Regierungen der Region haben allerdings in den vergangenen fast zwei Jahren nur wenig unternommen, um die Resolutionen der Konferenz umzusetzen. Nur wenn die Weltbank und die Europäische Union als die größten Geber klar erkennen lassen, dass weitere, kostspielige Interventionen in diesem Sektor nur mehr stattfinden, wenn die betroffenen Länder mit ihrer Politik nachziehen und damit die Umsetzung des Protokolls gewährleisten, wird sich nach Meinung von Insidern etwas bewegen.

Rupert Helm ist Verlagsleiter der SÜDWIND-Magazins mit gelegentlichen Ausflügen in das journalistische Fach und begeisterter Eisenbahnfahrer.

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