Sophia So setzt sich in Hongkong für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Fabriken ein. Was das bedeutet, hat sie Christina Schröder erzählt.
"Und kann ich jetzt ein Foto von Ihnen machen? Es wäre für unsere Kampagne gegen Arbeitsrechtverletzungen bei Apple-Zulieferbetrieben. Würden Sie das Plakat dafür hochhalten?“ Sophia So bezieht die Autorin dieser Zeilen im Rahmen des Interviews gleich in ihre aktuelle Aktion ein und fotografiert sie (nachdem sie selbst fotografiert wurde). Eine Herzblut-Aktivistin wie die 36-Jährige aus Hongkong lässt eben keine Gelegenheit aus, um ihre Anliegen in den Fokus zu rücken.
In den Tagen zuvor war So für das NGO-Projekt „Rohstoffe der Digitalisierung“ in Polen und Tschechien unterwegs. Dort informierte sie bei Veranstaltungen über die Ausbeutung in chinesischen Fabriken, die iPhones und andere IT-Geräte herstellen.
In den Fabriken, so berichtet Sophia So, werden etwa StudentInnen als „PraktikantInnen“ eingestellt und dafür schlecht oder gar nicht bezahlt.
Nach ein paar Tagen Informationsarbeit in Österreich wird sie wieder nach Hongkong zurückkehren. In ihrer Heimat lehrt sie an der Universität Hongkong Soziologie – und engagiert sich ehrenamtlich für NGOs.
In der ersten Reihe. Bei der Organisation SACOM (Students and Scholars Against Corporate Behaviour) ist sie heute Vizepräsidentin und gehörte 2005 zu den MitbegründerInnen. Damals schloss sie sich als Studentin einer Aktivismus-Gruppe an, die in den Sommerferien die schlechten Arbeitsbedingungen beim neu eröffneten Disneyland in Hongkong und in Fabriken, die in Südchina Disney-Produkte herstellten, aufdeckte. „Nach den Ferien gingen fast alle wieder ihrem eigenen Leben nach, aber trotzdem schafften wir es, eine neue Initiative zu gründen. Das war der Anfang von SACOM“, erzählt Sophia So im Rückblick.
In den ersten Jahren stand sie zumeist in der ersten Reihe mit dem Megaphon in der Hand, um die Hongkonger Öffentlichkeit über die sozialen Missstände zu informieren. Die AktivistInnen sprachen mit WanderarbeiterInnen, die beschrieben, wie sie in den an die Zulieferbetrieben angeschlossenen Wohnheimen auf engstem Raum, unter unhygienischen Bedingungen leben und für Hungerlöhne arbeiten mussten. Dann erforschte SACOM, für welche internationalen Unternehmen unter diesen Bedingungen produziert wird und forderten Apple, Disney und Co. auf, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen.
Keine Angst. Als Sophia nach ihrem iPhone greift, um Fotos von diesen Aktionen zu zeigen, stellt sie – auch in Bezug auf ihr eigenes Apple-Gerät – klar: „Konsum-Boykott ist nicht die Lösung. Wir fordern eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und wir lassen nicht locker.“
Auf die Frage, ob es nicht auch gefährlich wäre, solch mächtige Unternehmen öffentlich anzuklagen, zuckt sie mit den Schultern.
„Als ich die ersten Male mit Transparenten im Fernsehen zu sehen war, etwa vorm Eingang von Disneyland in Hongkong, hatten meine Eltern Angst um mich“, sagt sie. „Heute nehmen sie alles auf und zeigen es anderen.“ Weniger aus elterlichem Stolz, meint Sophie So, sondern weil sie mittlerweile auch voll hinter ihren politischen Anliegen stünden.
Nachsatz zum Risiko von AktivistInnen: „Solange wir nicht die Regierungen von Hongkong und China kritisieren, können wir in Hongkong unsere Meinung relativ frei äußern. Die Unternehmen halten sich mit Drohungen gegenüber NGOs zurück. Aber nur, wenn das, was wir ihnen vorwerfen, nachweisbar ist. Wir müssen sehr genau in unseren Recherchen sein – und das ist schwierig, weil uns die Unternehmen natürlich nicht einfach in die Fabriken lassen oder ihre Zulieferer nennen.“
Das Engagement der AktivistInnen hat dabei durchaus etwas bewirkt, auch wenn es dauerte: Als kürzlich ein Disneyland-Park in Shanghai eröffnet wurde, wären die schon von Anfang an besser gewesen, als in Hongkong vor zwölf Jahren, meint Sophia So mit einem zuversichtlichen Lächeln. Sie nimmt ihr Handy und lädt das Foto für die Apple-Kampagne hoch: eine Aktivistin, die keine Pause macht.
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