Christa Esterházy ist aus der entwicklungspolitischen Szene Österreichs nicht wegzudenken. Heuer wurde sie 75 Jahre alt. Ein Porträt von Brigitte Pilz.
Sie ist eine wirkliche Dame, vornehm, etwas distanziert vielleicht, sie kommt aus gutem Hause und spricht gewählt. Sie ist nicht der Kumpel von nebenan. Aber sie ist eine gute Zuhörerin. Doch Christa Esterházy ist viel mehr als das. Ihre Meinung wird gehört, ihre Mitwirkung gewünscht, ihre Erfahrung geschätzt. Ihre Kommentare sind offen und kritisch. Ungerechtigkeit regt sie auf, Missachtung der Menschenwürde ebenso. Sie vertritt klare Standpunkte, doch sie ist tolerant. „Eine Kommunistin hat zu mir einmal gesagt: Man weiß genau, wo du stehst. Aber man kann mit dir reden.“ Seit Jahrzehnten ist sie in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv. Heuer ist Christa Esterházy 75 Jahre alt geworden. Ans Aufhören denkt sie nicht. „Solange ich etwas tun kann, tue ich es halt“, sagt sie bescheiden.
Ihr Lebensweg war sehr früh auf Internationalität und Kontakt mit anderen Kulturen gerichtet. Bereits mit zehn Jahren kam sie gemeinsam mit ihrer Schwester in ein englisches Internat, ein katholisches Kloster. Ihr Vater, jüdischer Abstammung, wollte die Töchter in Wien nicht als „Menschen zweiter Klasse“ aufwachsen sehen. Das war 1938. Bis 1946 blieb Christa Esterházy in England und war nach der Matura auch finanziell auf sich gestellt. Die Mädchen verkehrten in liberalen gesellschaftlichen Kreisen, „in denen Menschen aus aller Welt vertreten waren“. Dies passte auch zur Tätigkeit in der Redaktion einer politisch engagierten katholischen Wochenzeitschrift.
Ende 1946 ist Christa Esterházy nach Österreich zurückgekehrt. Geblieben sind lebenslange Freundschaften aus diesen frühen Jahren und eine ganz große Liebe zur englischen Sprache. Noch heute liest sie Bücher lieber auf Englisch als auf Deutsch, obwohl dies ihre Muttersprache ist. Sie arbeitete beim British Council in Wien; hier war die junge Mitarbeiterin unter anderem für englische Buchimporte nach Österreich zuständig. Dann folgten Heirat und die Geburt von vier Kindern. Auch in dieser Zeit war Christa Esterházy nie „nur Hausfrau“. Sie schrieb einige Bücher über Österreich, auf Englisch versteht sich.
1975 begann das zeitlich längste berufliche Engagement: 15 Jahre Arbeit für die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö), verantwortlich für den Familienfasttag. Und noch heute spürt man im Gespräch die innere Verbundenheit Christa Esterházys mit dieser Einrichtung, auch den Stolz über deren Leistungen: „Die katholischen Frauen sind wirklich als erste innovative Wege in der Entwicklungshilfe gegangen.“ Man hat zuerst in Südkorea, dann in Indien und Indochina gearbeitet. Sehr bald ist man von der Errichtung baulicher Infrastruktur weggekommen, auch gegen den Widerstand lokaler Bischöfe. Viel sinnvoller schien die Investition in Menschen. Esterhazy: „Bildungsprojekte halte ich nach wie vor für zielführend, damit Menschen sich selbst aus der Misere befreien können.“ Doch bis heute wollten „Geber protzen und sich in Gebäuden und Dankestafeln verewigt finden“.
Die Pensionierung mit 61 Jahren erfolgte auf eigenen Wunsch, „damit junge Menschen drankommen“. Sie bedeutete nicht das Ende entwicklungspolitischer Aktivitäten. So wurde etwa die Tätigkeit für die CIDSE, eine Dachorganisation katholischer Initiativen, verstärkt. Damit waren längere Aufenthalte in Indochina verbunden. Im Auftrag der UNO verbrachte Christa Esterházy sechs Monate in Kambodscha zur Vorbereitung demokratischer Wahlen in diesem Land.
Reisen ist für sie reine Freude: „Ich bin eine gute Reisende. Ich werde nie müde, ich kann alles essen, ich schlafe überall gut. Es sind unbezahlbare Erfahrungen, die man beim Reisen sammelt.“ Und das ist auch ihr Rat an junge Menschen: den Horizont erweitern durch eine Tätigkeit im Ausland. Bereits vor vielen Jahren hat Christa Esterházy im Rahmen des Familienfasttags Begegnungsreisen nach Indien organisiert. „Viele Frauen aus den Diözesen haben mir gesagt, diese Reisen haben ihr Leben und Denken verändert.“ Die nächste Reise nach Vietnam ist schon geplant. Im Laufe der Jahre ist eine große Verbundenheit mit Indochina, besonders mit Vietnam gewachsen. Und Christa Esterházy bedauert es sehr, dass diese Region in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit nur von marginaler Bedeutung ist.
Die vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten lassen keinen Ruhestand zu. Nicht zuletzt war Christa Esterházy von 1989 bis 1997 Vorsitzende der AGEZ, der Dachorganisation von österreichischen Entwicklungsorganisationen. Im kirchlichen Bereich ist ihr vor allem die Ökumene ein Anliegen: „Wenn es die Ökumene nicht gäbe, hätte ich keinen Platz mehr innerhalb der katholischen Kirche.“ Ja, sie selbst habe sich verändert im Laufe der Jahre, die Kirche weniger. „Und wenn ich sterbe, will ich einen ökumenischen Gottesdienst und keine Seelenmesse.“
Bei allem beruflichen Engagement ist Christa Esterházy ein Familienmensch, sicher keine Glucke. Ihren Mann hat sie bereits mit 57 Jahren verloren. Ihre Kinder werden im Gespräch immer wieder zitiert. Sie ist stolz auf sie, freut sich über ihre Weltoffenheit.
Und bringt der Name Esterházy Vorteile? „Materiell sicher nicht, denn mein Mann stammte aus einem verarmten Zweig der Familie. Der Name öffnet aber durchaus viele Türen. Und es ist toll, einen solchen Namen zu haben. Er bedeutet ja etwas.“ Mindestens so stolz ist sie aber auch auf ihre eigene Herkunftsfamilie: „Mein Großonkel war der geniale Finanzminister Emil Steinbach.“
So haben Herkunft und Tradition Christa Esterházy sicher geprägt. Sie waren aber nie Hemmschuhe, den Horizont so weit wie möglich auszudehnen, neugierig zu bleiben und offen für neue Begegnungen.
Brigitte Pilz ist Journalistin mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik und Herausgebervertreterin des SÜDWIND-Magazins.