Eine harte Nuss

Von Robert Poth · · 2009/10

Die Treibhausgasemissionen der Zementindustrie sind in Sachen Klimaschutz ein Albtraum. Doch das Problem ließe sich einigermaßen in den Griff bekommen, wenn schon nicht lösen – umso rascher, wenn die reichen Länder etwas springen lassen.

Die Treibhausgas-Emissionen (THG) der Zementindustrie stammen größtenteils aus der Herstellung des Klinkers (siehe "Fakten" Seite 30), der dann erst mit Gips, Calciumsulfat und anderen Zuschlagstoffen zum Endprodukt Zement gemischt und vermahlen wird. Die Umwandlung der Rohstoffe, v.a. Kalkstein, erfordert Temperaturen von über 1.400 Grad Celsius, weshalb in der Regel fossile Brennstoffe eingesetzt werden. Der Energieeinsatz ist aber nur für den geringeren Teil der Emissionen verantwortlich. Der Rest – 50-60% der Gesamtemissionen – stammt aus dem Brennen des Kalks, wobei CO2 frei wird.



Die Herstellung einer Tonne Zement setzt derzeit zwischen 0,65 bis 0,95 Tonnen CO2 frei, je nach der Effizienz des Verfahrens, den verwendeten Brennstoffen und der Art des Zements. 2007 ergaben sich daraus weltweit ca. zwei Milliarden Tonnen CO2 oder 5% der von Menschen verursachten THG, etwa soviel wie die Emissionen des gesamten privaten Kfz-Verkehrs. Eine Fortschreibung des Status quo ergibt ein fatales Szenario: Die Zementindustrie würde 2050 mehr als fünf Mrd. Tonnen THG emittieren. Das wäre annähernd die Hälfte der zulässigen weltweiten Emissionen, wenn die Erderwärmung auf plus 2°C beschränkt werden soll (siehe Grafik).



So schlimm wird es allerdings auf keinen Fall kommen. Grundsätzlich hat die Industrie betriebswirtschaftliche Anreize für die meisten Reduktionsoptionen, da die Energiekosten 30% oder mehr der Produktionskosten ausmachen und eine Verringerung des Klinker-Anteils ebenfalls den Energiebedarf senkt. Klimaschutz und Rentabilität lassen sich also bis zu einem gewissen Grad in Einklang bringen – sicher mit ein Grund für die Existenz der Cement Sustainability Initiative (CSI), eines freiwilligen Nachhaltigkeitsprogramms der Branche, das 1999 im Rahmen des World Business Council for Sustainable Development ins Leben gerufen wurde (im Web: www.wbcsdcement.org). Mittlerweile sind daran 18 (nicht-chinesische) Unternehmen beteiligt, die rund 40% der weltweiten Zementproduktion repräsentieren – darunter die vier Riesen Lafarge, Holcim, HeidelbergCement und Cemex. Unter den Erfolgen: Zwischen 1990 und 2006 konnten die CSI-Mitglieder ihre CO2-Emissionen pro Tonne im Schnitt um 12% reduzieren, und seit 2006 werden die Emissionsdaten von unabhängigen Dritten geprüft.

Natürlich: Ohne China bleibt das ein Tropfen auf den heißen Stein. In absoluten Mengen stellt das derzeit technisch realisierbare Reduktionspotenzial in China alles in den Schatten, was der Rest der Welt tun könnte, wie Berechnungen der Internationalen Energieagentur für 2005 zeigen (siehe Grafik). China "an Bord" zu bekommen, dürfte in Bezug auf diesen Sektor aber weniger schwierig sein als weithin angenommen.



Die zumeist im staatlichen Besitz befindliche Zementindustrie Chinas ist mit mehr als 5.000 Werken fragmentierter als in den reichen Ländern. Es gibt einerseits junge chinesische "Riesen" wie Anhui Conch oder Joint Ventures westlicher Konzerne wie Lafarge (Lafarge Shui On Cement, Nr. 3 in China) oder HeidelbergCement, die mit modernsten Anlagen produzieren. Daneben existieren aber viele kleinere Werke mit veralteten Schachtöfen (30% der Kapazitäten), die eine geringe Energieeffizienz und starke Staubemissionen aufweisen. Insgesamt ist die Zementindustrie für 15% des Kohleverbrauchs in China verantwortlich.

Zement ist allerdings in punkto Energieeffizienz eine von zehn Top-Prioritäten der Planungsbehörde NDRC für den Zeitraum 2008-2010. Fernziel: 50% Energieverbrauchseinsparung bis 2020 (pro Tonne). Und die Regierung scheint es tatsächlich ernst zu meinen. Um die Überkapazitäten im Sektor zu reduzieren (derzeit übersteigen die Kapazitäten mit 1,7 Mrd. Tonnen die Vorjahresnachfrage um 300 Mio. Tonnen), sollen nun die ältesten Werke geschlossen werden – und nicht wenige: 18% der Gesamtkapazität. Das sollte auch die Umweltprobleme entschärfen, zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Entschlossenheit ist auch wegen der sozialen Kosten – Arbeitslosigkeit – beachtlich: Die Arbeitsproduktivität in modernen Werken ist in China um das Fünf- bis Sechsfache höher als in den Werken, die mit veralteten Schachtöfen arbeiten.

Der jüngste umweltpolitische Tatendrang der Regierung in Beijing beschränkt sich übrigens nicht auf den Zementsektor. Yvo de Boer, Sekretär der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCC), zeigte sich Anfang September wieder optimistischer, was den Erfolg der großen Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen betrifft: "Die Aussichten verbessern sich… Wenn ich mir ansehe, was China bereits tut und welche Maßnahmen offenbar für die Zukunft überlegt werden, glaube ich, ganz ehrlich, ist das ein Leitstern für uns alle".

Das Problem besteht also vielleicht weniger darin, China überhaupt zu Maßnahmen zu motivieren, sondern dazu, noch rascher vorzugehen als auf rein unilateraler Basis. Was den Zementsektor betrifft, können die reichen Länder – sieht man von den USA ab, deren Reduktionspotenzial pro Tonne höher ist als in China oder Brasilien – im Wesentlichen ohnehin nur zweierlei anbieten: Technologietransfer und Geld. Im Prinzip, wenn auch in beschränktem Umfang ist etwas davon bereits über einige Projekte im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Abkommens geschehen. Auch Österreich hat übrigens ein CDM-Projekt im Zementsektor Chinas vorzuweisen: Reduktion des Klinkeranteils bei einem Zementunternehmen in Xinxiang/Provinz Henan mit einer erwarteten jährlichen Emissionsreduktion von ca. 142.000 Tonnen CO2-Äquivalent.

Ein Rahmen dafür wäre ein sektorspezifischer Ansatz auf Basis so genannter NAMAs ("Nationally Appropriate Mitigation Actions", national angemessene Minderungsmaßnahmen), seit der Klimakonferenz in Bali 2007 Teil der Optionen, wie die Entwicklungsländer zur Emissionsreduktion beitragen könnten. Darauf konzentriert sich u.a. das Center for Clean Air Policy (CCAP), ein US-Think Tank, in mehreren Studien zum Zement- und Stahlsektor in China. Am besten wäre es, so eine im August erschienene gemeinsame US-China-Studie unter CCAP-Beteiligung, China oder die Entwicklungsländer überhaupt nicht auf Emissionsreduktionsziele festzulegen, sondern sich auf die Marktdurchdringung "sauberer" Technologien zu konzentrieren. Dazu wäre insbesondere China am ehesten bereit – sofern die reichen Länder bereit sind, dafür in die Tasche zu greifen.

Ein Reduktionsszenario

Über die Optionen zur Reduktion der THG-Emissionen aus der Herstellung von Portland-Zement herrscht in der Regel Einigkeit. Die Tabelle unten zeigt die Einschätzung der Reduktionspotenziale durch das deutsche Beratungsunternehmen Ecofys (Studie im Auftrag von WWF International). Die Emissionen der weltweiten Zementindustrie 2050 könnten demnach um drei Viertel gegenüber 2007 gesenkt werden. Das Szenario illustriert indirekt aber auch die physikalischen Grenzen einer Reduktion: Die Autoren rechnen mit einer Sequestrierung – einer Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) – von 60% der 2050 verbleibenden Emissionen. CCS ist aber heute noch nicht wirtschaftlich realisierbar, und die Sicherheit der "Endlager" wird bezweifelt. Ohne CSS und Verbrauchseinsparungen ergeben sich 2,87 Mrd. Tonnen – ein Grund, warum Alternativen zum Portland-Zement attraktiv bleiben (siehe Alternativen S. 32).
 

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