Wenn das Tauziehen um die Macht nach den Wahlen in Simbabwe entschieden ist, stellt sich die enorme Herausforderung eines Wiederaufbaus des bankrotten Landes.
Ende März haben 5,9 Millionen BürgerInnen Simbabwes mit ihrer Stimme in 9.000 Wahlstationen über die politische Zukunft entschieden. Doch das amtierende Regime des 84-jährigen Diktators Robert Mugabe ignorierte den Ausgang der Wahlen. Die Oppositionspartei „Bewegung für demokratischen Wandel (MDC)“ hat offiziell die Mehrheit errungen und auch die Abstimmung über das höchste Amt im Land laut Zählungen unabhängiger Organisationen mit 49 Prozent gewonnen, Mugabe erreichte 41,8 Prozent. Damit liegt ihr Führer Morgan Tsvangirai knapp unter der geforderten Marke von 50 Prozent plus eine Stimme, aber auf der Basis eigener Analysen behauptet die MDC ihren Sieg mit 50,3 Prozent und lehnt einen zweiten Wahlgang ab.
Hoffnung kam auf bei der Opposition, dass die Entwicklungsgemeinschaft südliches Afrika (SADC) bei ihrem jüngsten Krisentreffen zur Lage in Simbabwe deutlichen Druck auf Mugabe ausübt, das Amt niederzulegen. Aber es blieb nach außen bei Ermahnungen für den ehemaligen Befreiungshelden. Während das Tauziehen um die rechtmäßige Amtsnachfolge anhält, weht dennoch ein zaghafter Wind des Wandels, der schon in greifbarer Nähe schien. Es wird über den Wiederaufbau des Landes mit der höchsten Inflationsrate der Welt debattiert: Über 100.000 Prozent gepaart mit 80 Prozent Arbeitslosigkeit machen die Simbabwer zu den „ärmsten Milliardären der Welt“. So scherzen sie angesichts ihres frustrierenden Alltags, der das Überleben hart macht.
Die neue Macht steht vor der enormen Herausforderung, einen bankrotten Staat funktionstüchtig zu machen. „Institutionen müssen wieder aufgebaut werden, die vielen gut ausgebildeten Kräfte, die abgewandert sind, zurückgebracht und kompetente Leute in Führungspositionen ernannt werden“, analysiert Professor Shadrack Gutto, Leiter des Studienzentrums für afrikanische Renaissance an der Universität von Südafrika (Unisa) in Pretoria. Zudem sei es notwendig, einen Versöhnungsprozess einzuleiten. Die MDC hat sich für eine Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild ausgesprochen. Die Opposition ist bereit, Mugabe einen sicheren Abgang zu gewähren und nicht für die Jahre des Machtmissbrauchs strafrechtlich zu verfolgen. „Wenn Täter im Namen der Demokratie bestraft werden, werden sie einem Wandel in Simbabwe weiterhin entgegenstehen“, sagt Chris Maroleng, Mitarbeiter mit Schwerpunkt Simbabwe im Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria.
Morgan Tsvangirai erklärte, er werde die ins Ausland geflohenen Ärzte, Banker, Lehrer und Krankenschwestern holen. Viele der geschätzten drei Millionen SimbabwerInnen, die im Nachbarland Südafrika im Exil mit Ausländerfeindlichkeit leben, wollen lieber heute als morgen in ihre Heimat zurückkehren und sie aufbauen.
Die Regierung in Simbabwe sei nationalistisch orientiert, obwohl sie Teil der Region und der globalen Wirtschaft ist, sagt Gutto. Sie müsse produktiv in der Region sein, der Aufbau dauere mindestens 15 Jahre. Nicht alle Firmen haben Simbabwe verlassen, das internationale Kapital im Minensektor ist noch vorhanden, ebenso wie im Transport- und Kommunikationswesen. „Afrika muss jetzt vorangehen, SADC und Südafrika sollten den Internationalen Währungsfonds zur Zusammenarbeit veranlassen und die Richtung vorgeben“, meint Gutto. Investoren wollen mit einer demokratischen Regierung Geschäfte machen. Besonders von den reichen Rohstoffvorkommen Simbabwes versprechen sie sich hohe Gewinne: das Land verfügt unter anderem über Gold, Nickel, Palladium und Platin. Doch die Bedingungen, unter denen abgebaut werden kann, sind desaströs. Das verarbeitende Gewerbe ist auf ein Drittel seiner ursprünglichen Stärke geschrumpft. Dennoch reicht die Energie nicht aus, um die Unternehmen zu beliefern. Ähnlich die Lage in der Landwirtschaft, einst wichtiger Devisenbringer der „Kornkammer Afrikas“. Immer noch sind viele Farmen besetzt und liegen brach.
Die Schäden der gewaltsamen Landreform Mugabes sind nur langsam gutzumachen. Die MDC hat bisher keine konkreten Pläne vorgelegt, ob sie die neuen, erfolglosen (schwarzen) Farmer rücksiedeln und durch die ursprünglichen (weißen) Eigentümer ersetzen wird. „Das ist eine schwierige Entscheidung“, sagt Maroleng. „Die MDC wird ernsthaft beginnen, Änderungen vorzunehmen wie die Bekämpfung der Inflation und die Schaffung eines Wirtschaftsklimas, das Anreize für ausländische Investoren bietet und das Wachstum der Industrie fördert“, prognostiziert Maroleng.
Auf jeden Fall ist die internationale Gemeinschaft gefordert, bei der Beseitigung der humanitären Krise in Simbabwe zu helfen, betont MDC-Generalsekretär Tendai Biti.
Martina Schwikowski lebt als freie Journalistin in Johannesburg.