Humaira Aziz aus Bangladesch setzt sich für von Gewalt, Diskriminierung und Ausbeutung betroffene Frauen und Mädchen ein. Christina Schröder hat sie in Wien getroffen.
Vor Jahren hat eine bangladeschische Sexarbeiterin Humaira Aziz einen Satz gesagt, der ihr seither in Erinnerung geblieben ist: „Jede Frau kann Pech haben im Leben und, unabhängig von ihrer Herkunft oder Ausbildung, mitunter auch als Prosituierte in einem Bordell landen.“
Aziz ist bei CARE Bangladesch für das Women Empowerment Programm verantwortlich. Die 47-jährige wortgewandte Frau wurde in Dhaka, der Hauptstadt des südasiatischen Landes, geboren. Die Mutter, eine Lehrerin, und der Vater, ein Beamter, ermöglichten ihr eine universitäre Ausbildung, legten ihr in der Erziehung aber traditionelle Werte nahe.
Aziz wollte jedoch anders leben. Statt nach dem Studium der Internationalen Beziehungen gleich zu heiraten – wie es „üblich“ ist – begann sie für NGOs zu arbeiten. Ihr Fokus von Anfang an: Frauen und Mädchen, die von sexuellem Missbrauch, Menschenhandel und Ausbeutung betroffen sind.
Auf Du und Du. Die Arbeit brachte sie in weit abgelegene Gegenden Bangladeschs und bis nach Indien. „Ich wanderte manchmal stundenlang von Dorf zu Dorf und da fiel mir auf, dass ich nie Mädchen mit Spielzeug sah – das war einfach nicht vorgesehen oder vorhanden.“
In ihren ersten Berufsjahren war ihre Motivation, Einzelnen helfen zu können: zum Beispiel, einer Frau, die als Prostituierte nach Indien gebracht wurde – ohne Reisepass oder andere Papiere, und dort im Gefängnis landete. Sie sei am Rande des psychischen Kollapses gewesen, berichtet Aziz, die sie in der Haft besuchte.
Als Aziz erfuhr, dass die Frau in Bangladesch ein Kind hatte, ermöglichte sie eine Kontaktaufnahme zwischen Mutter und Kind. Dadurch habe sie verhindern können, dass die Frau völlig zusammenbrach und womöglich alleine und isoliert in einer psychiatrischen Klinik gelandet wäre.
Mit den Jahren habe sie allerdings bemerkt, dass es noch mehr als Hilfe für Einzelne brauche. Aziz wollte auch strukturelle Veränderungen erreichen. Sie ging nach Großbritannien, studierte wieder und machte ihren Master in Development Studies.
Rollenwechsel. Zurück in Bangladesch kehrte Aziz wieder in die NGO-Szene zurück, wo sie seither im Lobbyingbereich aktiv ist. Nach wie vor ist sie aber auch in direktem Kontakt mit Frauen, die von Gewalt betroffen sind. „Ich kann mir immer noch nicht wirklich vorstellen, wie es ist, wenn du jeden Tag von deinem Mann geschlagen wirst und dennoch immer weiter in so einer Familie lebst, weil es einfach keine Alternative gibt“, so Aziz. „Was ich den Frauen anbieten kann, ist das Zuhören. Viele haben schlicht und einfach niemanden, dem sie sich anvertrauen können.“ Diesen Frauen spreche sie Mut zu, das Reden mache diese selbstbewusster.
Aziz selbst heiratete für bangladeschische Verhältnisse spät und bekam einen Sohn. Heute setzt sie sich weiterhin durch Lobbying für Frauenrechte ein und bezeichnet sich als Feministin.
In Bangladesch wurden in den vergangenen Jahren viele Frauen das erste Mal in ihrem Leben erwerbstätig, dank der Jobs in der Bekleidungsindustrie. Das ist ein großer Wandel im muslimischen Land, der auch Herausforderungen mit sich bringt.
Aziz begrüßt die neuen Chancen auf Unabhängigkeit der Arbeiterinnen, betont jedoch, dass das nur ein erster Schritt sei: „Solange Frauen nicht auf politischer Ebene auch etwas mitzureden haben, wenn es um gesellschaftliche Strukturen geht, wird sich nichts Grundsätzliches ändern.“ Keine Frage, sie wird weiter daran arbeiten.
Humaira Aziz war auf Einladung von CARE Österreich in Wien.
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