„Gerechtigkeit“ ist kein Begriff der Ökonomie. Dennoch steht der wirtschaftliche Erfolg des fairen Handels außer Streit. Aber wie geht es weiter? Der Blick zurück und nach vorne von einem kritischen Optimisten.
Der faire Handel ist eine Erfolgsgeschichte. Das ist keine Frage. Die Weltläden und ihr Importeur EZA GesmbH. haben seit den 1970er Jahren ein solides Fundament für den fairen Handel in Österreich gelegt und waren 1993 wesentlich an der Gründung der Siegelinitiave Fairtrade beteiligt. Die Entwicklung, die der faire Handel hierzulande seither genommen hat, hätten sich die GründerInnen nicht träumen lassen.
Erfolg birgt aber auch Gefahren: Es ist wahrlich nicht einfach, so rasches Wachstum erfolgreich zu managen. Das System des fairen Handels wird zunehmend komplexer. Lohnarbeit funktioniert ganz anders als kleinbäuerliche Produktion. Der Einstieg in Produkte aus Baumwolle mit langen Zulieferketten schafft neue Herausforderungen. Der Umgang mit den größten multinationalen Unternehmen erfordert nicht nur strukturelle Anpassungen. Hier könnten auch Abhängigkeiten entstehen, die der Bewegung des fairen Handels bisher fremd waren.
KritikerInnen beklagen, dass das Label Fairtrade weniger politisch geworden sei und damit kaum noch dazu beitrage, die ungerechten Strukturen in der Weltwirtschaft zu verändern. Auch wird überlegt, ob nicht gezielte Lobbyarbeit bei politischen EntscheidungsträgerInnen zielführender wäre.
Sicher ist es gekonntem Marketing und nicht politischen Statements zu verdanken, dass die Einbindung des gesamten Lebensmittelhandels und renommierter Markenartikelfirmen gelang. Mit seinem Bekanntheitsgrad, dem exzellenten Image und der Erfolgsstory ist Fairtrade jedoch selbst zur politischen Botschaft geworden: Soziale Fairness ist auch in der normalen Wirtschaft möglich und erfolgreich. Weltweit agierende Lebensmittel-Konzerne, die vor zehn Jahren den fairen Handel noch als lächerliches Unterfangen abgetan haben, mit dem sie sich ob der Absurdität der Idee gar nicht auseinandersetzen wollten, sind heute die größten Lizenznehmer. Und im Kielwasser des Siegels tummeln sich längst andere Labelorganisationen, die mit weniger strengen Standards versuchen, sich auch auf dem Markt sozial nachhaltiger Produktion zu etablieren.
Ich meine, der Erfolg am Markt ist die Vorbedingung für wirksame Lobbyarbeit, die ja ständig geschieht – durch die Weltläden, EZA, Fairtrade und seine Träger, durch Debatten und Initiativen rund um die sozialverantwortliche öffentliche Beschaffung oder durch die starken Produktkampagnen.
Das ursprüngliche Konzept des fairen Handels für Kleinbauernkooperativen hat sich ja längst auf ein Konzept der fairen Produktion ausgeweitet. Neben Fairtrade-Siegel und Weltladenprodukten stehen nun starke Kampagnen, die über Codes of Conduct soziale Menschenrechte in der Produktion durchsetzen wollen.
Die Clean Clothes Kampagne hat es bereits geschafft, der Sportartikelindustrie Transparenz in der Lieferkette abzuringen, wodurch die gröbsten Mängel offengelegt und beseitigt wurden. Mit der Clean-IT-Kampagne bei Computern, einer Multistakeholder-Initiative zur Steine-Produktion und der Kampagne für fair produziertes Spielzeug werden auch in anderen Branchen gravierende Missstände an die Öffentlichkeit gezerrt.
Fairer Handel und die genannten Produktkampagnen ergänzen und verstärken einander sinnvoll: Jede Branche, die global produziert, muss inzwischen fürchten, wegen sozialer Verantwortungslosigkeit in die Schlagzeilen zu geraten. So ist es nicht primär ein Wertewandel in den Direktionsetagen der Multis, der zu positiven Veränderungen führt, sondern ökonomisches Kalkül: Weniger verantwortungslos zu agieren beginnt sich zu rechnen.
Häufig wird vom „gerechten“ Welthandel gesprochen, der erreicht werden soll. Der Begriff „gerecht“ ist kein Ausdruck der Ökonomie. Nach meiner Einschätzung bewegen wir uns aber langsam in Richtung menschenwürdigerer Arbeitsbedingungen, weg von Löhnen unter dem Existenzminimum, Wochenarbeitszeiten jenseits der 60 Stunden, unbezahlten Überstunden, Entlassung bei Krankheit oder gewerkschaftlicher Betätigung. ArbeiterInnen in den Exportfabriken werden von den eingeleiteten Entwicklungen generell profitieren. Entscheidend wird sein, was in der Exportgroßmacht China passiert. Zumindest steigen dort die Löhne bereits merkbar.
ProduzentInnen von Agrarprodukten können jedoch auch in Zukunft wohl nur innerhalb von Zertifizierungssystemen mit garantiertem Mindestpreis Verbesserungen erfahren. Zu sehr tobt auf dem Weltmarkt der Preiskampf.
Wir KonsumentInnen in den reichen Ländern werden für die viel zu billigen Produkte des globalen Marktes vermutlich bald mehr bezahlen. Wenn wir dann diese Produkte länger nutzen und weniger davon wegwerfen, wäre das über Umwege ein konstruktiver Beitrag, unseren Planeten zumindest nicht mehr so atemberaubend schnell zu ruinieren wie wir es derzeit tun.
Helmut Adam war viele Jahre Geschäftsführer von Fairtrade Österreich und danach der Südwind-Agentur.
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