Ein Schritt zum Frieden

Von Wermer Hörtner · · 1999/11

Ende Oktober begann in Kolumbien endlich die erste Verhandlungsrunde zwischen Regierung und der größten Guerillaorganisation FARC

Fast schien es, als würde der vielzitierte Friedensprozeß im gewalttätigsten Land Amerikas enden, bevor er richtig begonnen hatte. Präsident Andrés Pastrana hatte schon in seiner Wahlkampagne und auch nach dem Amtsantritt im August des Vorjahres der Friedensagenda oberste Priorität eingeräumt. Doch die Aufnahme der Verhandlungen wurde immer wieder verschoben, da man sich nicht einmal über die Tagesordnung und die zu besprechenden Themen einigen konnte.

Am 24. Oktober begann nun die erste Gesprächsrunde in der Gemeinde Uribe im Departement Meta, jener Region von der Größe Österreichs, aus der sich vor einem Jahr – dies eine Vorbedingung der Guerilla für die Aufnahme von Verhandlungen – alle staatlichen Sicherheitskräfte zurückgezogen hatten. Die Gespräche werden ohne Vorbedingungen und vorerst auch ohne internationale Begleitung geführt.

„Es war ein Fehler, daß der Präsident von Anfang an allein die Friedensverhandlungen führen wollte und nicht andere Sektoren der Gesellschaft daran beteiligt hat“, erklärte der kolumbianische Menschenrechtsaktivist Jorge Salazar gegenüber dem SÜDWIND-Magazin. Und es habe auch an wirklich ernsthaften Maßnahmen seitens der Regierung gefehlt, um ihren Friedenswillen unter Beweis zu stellen, etwa im Bereich der rechtsextremen Paramilitärs.

Salazar konnte aber auch bei der Guerilla nur wenig politischen Willen für einen echten Friedensprozeß erkennen. Immer wenn die Aufnahme von Gesprächen bevorstand, verstärkten die Aufständischen ihre militärischen Aktivitäten, um ihre Ausgangsposition zu verbessern.

Am selben Sonntag, an dem sich die Vertreter von Regierung und FARC an den Verhandlungstisch setzten, fand in Kolumbien die größte zivilgesellschaftliche Demonstration in der Geschichte des Landes statt. Im Rahmen der Kampagne „No más!“ (Schluß damit!) gingen Millionen KolumbianerInnen mit der Forderung nach einem Ende des bewaffneten Konflikts auf die Straße.

Jorge Salazar war der Leiter der Abteilung für Menschenrechte, Frieden und Konfliktlösung am IPC, einer Bildungs- und Menschenrechtseinrichtung in Medellín. Ende Jänner dieses Jahres wurden er und drei weitere Führungsmitglieder dieses Instituts von den Paramilitärs am hellichten Tag aus dem Büro entführt und wochenlang gefangengehalten. Dabei wurden sie zweimal von Carlos Castańo, dem obersten Chef der kolumbianischen Paramilitärs, verhört. Doch diesmal hatte sich Castańo, der mit dieser Aktion die im Menschenrechtsbereich aktiven Nichtregierungsorganisationen einschüchtern wollte, verrechnet: Nach massiven Protesten im In- und Ausland ließ er die vier Geiseln wieder frei.

Die Gefangenschaft im Hauptquartier der rechtsextremen Todesschwadronen, die für die Vertreibung von über einer Million Menschen am Land und für Hunderte Massaker verantwortlich sind, hat Jorge Salazar in einer Überzeugung bestätigt, die er mit vielen anderen politischen BeobachterInnen in Kolumbien teilt: daß die Paramilitärs mit direkter Unterstützung der Armee agieren – und daß hinter Castańo nicht nur das Militär steht, sondern auch Politiker und Unternehmer.

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