Mit der Kofinanzierung eines Kohlekraftwerks will die Weltbank mithelfen, Südafrika vor einer Energiekrise zu bewahren – mangels Alternativen. Das könnte sogar stimmen.
Es war das erste größere Darlehen an Südafrika seit dem Ende der Apartheid 1994, das der Exekutivrat der Weltbank am 8. April genehmigte – per Konsens wie üblich, aber doch etwas ungewohnt: Die USA, Großbritannien, die Niederlande, Norwegen und Italien enthielten sich der Stimme. Wesentlicher Grund: Die Mittel, 3,75 Mrd. US-Dollar, sind in erster Linie für Medupi bestimmt, das erste neue Steinkohlekraftwerk Südafrikas seit mehr als 25 Jahren, errichtet in der Nordregion Limpopo. Mit einer Kapazität von 4,8 Gigawatt – rund ein Achtel der derzeitigen Stromkapazitäten des Landes – wird es eines der weltweit größten sein und entsprechend hohe Treibhausgasemissionen verursachen. Ein klimapolitischer „Sündenfall“, den eine internationale Koalition von Umwelt-Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Basisorganisationen im Vorfeld als „unnötig“ bezeichnete und mit einigem Aufwand zu verhindern suchte – vergeblich: Mehr als diese Pontius-Pilatus-Haltung war offenbar nicht drin.
Naturgemäß befriedigt zeigte sich Mpho Makwana, Interimschef des staatlichen Energieversorgers Eskom, der ca. 95% des südafrikanischen Strombedarfs deckt: „Dieses Darlehen ist ein Votum des Vertrauens in Südafrika und Eskom.“ Für NGOs wie Greenpeace, Christian Aid oder Africa Action ist die Weltbank-Entscheidung dagegen enttäuschend – oder einfach ein „Skandal“ (Friends of the Earth). Allerdings ein vorprogrammierter – sofern es überhaupt einer war.
Hätten etwa die USA tatsächlich ihr Veto einlegen können, ein Land, in dem selbst mehr als 20 Kohlekraftwerke in Bau oder geplant sind? Mehr als fraglich. Und hätte ein Nein Medupi verhindert? Mit Sicherheit nicht. Medupi ist schon in Bau – die erste der sechs Kraftwerkseinheiten soll 2012 in Betrieb gehen – und Ende 2009 hatte auch die Afrikanische Entwicklungsbank 2,7 Mrd. Dollar für das 16,5 Mrd. Dollar teure Kraftwerksprojekt locker gemacht. Vor allem aber hat sich Südafrika selbst in eine Zwangslage manövriert: Die Regierung hat eingestanden, zu spät auf den Bedarf an zusätzlichen Stromkapazitäten reagiert zu haben – mit fatalen Konsequenzen, wie sich im 1. Quartal 2008 zeigte. Probleme im Kraftwerkspark führten zu einer Netzüberlastung, die Stromabschaltungen erzwang; die Bergwerksproduktion ging in der Folge um 26% zurück und das Wirtschaftswachstum fiel auf annualisiert 1,7%, den geringsten Wert in mehr als sechs Jahren. Es war letztlich die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die Südafrika vor ständigen Blackouts bewahrte.
Mit dem Ende der Rezession steigt der Strombedarf nun wieder – im Februar etwa lag er um 8,5% höher als ein Jahr zuvor. Es wird also wieder knapp werden, bis der erste Medupi-Block am Netz hängt. Verschärfend kommt hinzu, dass die Nachbarländer Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia, Swasiland und Simbabwe 50% bis 100% ihres Bedarfs mit südafrikanischen Stromexporten decken. Es geht als nicht nur darum, die Versorgung der Bergwerks- und Schwerindustrie, dem wichtigsten Stromverbraucher Südafrikas, zu gewährleisten und damit das Rückgrat der Wirtschaft zu erhalten, sondern die gesamte Region vor einer Energiekrise zu bewahren.
Vor diesem Hintergrund hat auch ein von der Weltbank einberufenes Expertenpanel (Ogunlade R. Davidson, Klimatologe aus Sierra Leone, Neil Hirst von der International Energy Agency, William Moomaw vom Center for International Environment and Resource Policy/USA) die Kofinanzierung von Medupi empfohlen – immerhin ein modernes Kraftwerk: hocheffizient, wassersparend (luftgekühlt) und mit einer Entschwefelungsanlage nachrüstbar. Die Experten akzeptierten, dass es kurzfristig keine Alternative zur Kohlekraft gibt. Das Panel betonte allerdings die Notwendigkeit, sauberere Optionen zu entwickeln, und forderte die Weltbank zu einer längerfristigen Partnerschaft mit Südafrika auf, um das bisher fast zur Gänze von Kohlestrom abhängige Land auf einen kohlenstoffärmeren Weg zu bringen.
Grüne Triebe in der Wüste
Südafrika ist in Afrika südlich der Sahara ein Sonderfall – aufgrund seiner Dominanz in der Stromproduktion und mit seinem spezifischen Energiemix. Knapp 65% der gesamten Elektrizität der Region wurden 2007 in Südafrika erzeugt, pro Kopf mehr als 5.200 kWh – fast so viel wie in reichen Ländern (Österreich 2007: 7.551 kWh). Grund dafür ist die Bergwerks- und Schwerindustrie, denn der Verbrauch an Haushaltsstrom beläuft sich auf nur 822 kWh. Kohle ist aufgrund der großen Vorkommen des Landes der Brennstoff der Wahl – 93,6% des Stroms stammte 2007 aus Kohlekraftwerken. Südafrika betreibt außerdem das bisher einzige Kernkraftwerk Afrikas. Im übrigen Subsahara-Afrika basiert die Stromerzeugung vor allem auf Wasser- und Gaskraftwerken (fast die Hälfte davon in Nigeria) – pro Kopf allerdings nur 191 kWh.
In punkto Strom aus modernen erneuerbaren Energiequellen (abgesehen von dezentralen Anlagen) ist der Subkontinent bisher eine „Wüste“ mit einer einzigen „Oase“, Kenia (Erdwärme, Kapazität 163 MW), die sogar expandiert: Das von der Afrikanischen Entwicklungsbank unterstützte Lake Turkana Wind Power Project (300 MW) scheint durch eine Kreditzusage der spanischen Regierung vom März 2010 gesichert (150 Mio. US-Dollar für die mehr als 400 km lange Verbindungsleitung zum Stromnetz). Kenias größter Kraftwerksbetreiber, KenGen, will auch die Erdwärmekapazitäten bis 2015 auf 675 MW ausbauen. Das Potenzial erneuerbarer Energien – Wasser, Wind, Sonne, Erdwärme, Agrotreibstoffe –ist jedoch quer durch den Subkontinent enorm, in der Regel ein Vielfaches des aktuellen Energieverbrauchs. Spitzenreiter ist einem Weltbank-Paper von 2007 zufolge Namibia mit einem Faktor 100. Der Median liegt beim 10 bis 12-fachen!
Selbst Südafrika könnte 130% seines aktuellen Bedarfs mit „grünen“ Energien decken, und ein Teil dieses Potenzials will die Regierung auch ausschöpfen – im Rahmen der langfristigen Klimaschutzstrategie des Landes. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen Südafrikas zwischen 2020 und 2025 den Maximalwert erreichen, ca. zehn Jahre auf diesem Niveau verbleiben und dann sinken. Vorgesehen sind nachfrageseitige Maßnahmen (Energieeffizienz, Installation von einer Million Warmwasser-Kollektoranlagen bis 2015), 5 Gigawatt an erneuerbaren Energien (vor allem solarthermische Kraftwerke) sowie 4,5 Gigawatt Wasser- und Gaskraftwerke – neben mindestens 10,5 Gigawatt Kernenergie allerdings. Diese Pläne betrachtet das Medupi-Expertenpanel der Weltbank als durchaus ausbaufähig. rp
Mehr dazu im Bericht des Panels unter http://siteresources.worldbank.org/INTENERGY2/
Resources/ExpertPanelFinalReport.pdf
Dieser Forderung trägt bereits das Darlehen selbst in gewissem Umfang Rechnung. Es beinhaltet eine Kofinanzierung von 260 Mio. Dollar für den ersten großen Windpark und das erste solarthermische Kraftwerk Südafrikas (mit jeweils 100 Megawatt Kapazität) sowie 485 Mio. Dollar für Energieeffizienzprojekte, inkl. einer Eisenbahnlinie für den Transport der Kohle. Die Weltbank hofft, dass die Erfahrungen aus diesen Eskom-Pilotprojekten (im Rahmen der Klimaschutzstrategie, siehe Kasten) den Ausbau erneuerbarer Energien in ganz Afrika vorantreiben werden. Das aber nur nebenbei: Hauptzweck ist die Sicherung der Energieversorgung – mit der „Armutsbekämpfung“, unverzichtbarer Bestandteil des Statements von Obiageli Ezekwesili, der Weltbank-Vizepräsidentin für Afrika, als indirekter Effekt.
Dass die arme Bevölkerung von einem möglichen Kollaps der Wirtschaft nicht gerade profitieren würde, scheint klar, obwohl die von Eskom geplanten massiven Tariferhöhungen von den Medupi-GegnerInnen als Gegenbeweis angeführt wurden. Tatsächlich könnte sich das Darlehen positiv auswirken, da die Weltbank Südafrika extrem günstige Kreditkonditionen gewährt hat: 0,5% über dem Londoner Interbanken-Zinssatz (Libor) für 6 Monate (derzeit ca. 0,45%) plus 0,24% (variabel je nach Finanzierungskosten der Weltbank), Laufzeit 28,5 Jahre und sieben Jahre rückzahlungsfrei. Vor allem bei lokaler Finanzierung hätte Eskom weit mehr zahlen müssen: Eine 2018 fällige Eskom-Anleihe rentiert derzeit mehr als 9%, was noch schmerzhaftere Tariferhöhungen erzwungen hätte. Diese werden übrigens vor allem die mittleren Einkommensgruppen treffen – arme Haushalte bekommen 50 kWh monatlich gratis.
Als Notfallkredit scheint das Medupi-Darlehen auch keinen Präzedenzfall zu schaffen. Südafrika plant zwar noch ein weiteres Kohlekraftwerk ähnlicher Dimension (Kusile, 2014), wird aber sicher nicht mehr an die Weltbank herantreten. Es könnte sich also um einen einmaligen „Ausreißer“ handeln, entgegen dem Trend: Im letzten Budgetjahr entfielen nur 3% des Energieportfolios der Weltbank auf Kohlekraft, 76% auf nicht-fossile Brennstoffe. Einer Besserung der Welt durch die Weltbank sind de facto ohnehin Grenzen gesetzt, denn bei den größten Kohleverbrauchern im Süden hat sie nichts zu reden: In China sind derzeit etwa Kohlekraftwerke mit 80 Gigawatt in Bau.
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