Ein neuer Ort der Begegnung

Von Ursula Taborsky · · 2007/05

Ein interkultureller Gemeinschaftsgarten ermöglicht mehr als die Ernte von frischem Gemüse – er kann die Basis von Integration und gegenseitigem Verständnis sein.

Die Eingewöhnung in eine neue Gesellschaft sowie eine noch fremde Landschaft und Kultur ist nicht einfach. Es fehlen Orte und Strukturen, die einen Brückenschlag zu Vertrautem ermöglichen.
Klagen über mangelnden Integrationswillen von MigrantInnen und Isolation von manchen kulturellen Gruppen blenden aus, dass es kaum Orte gibt, wo interkulturelle Begegnung im Alltag stattfinden kann oder gefördert wird, wo Themen und Praktiken im Mittelpunkt stehen, die eine breite Anziehungskraft über kulturelle Grenzen hinweg finden. Ein solcher Ort kann ein Gemeinschaftsgarten sein.
1996 während der Jugoslawienkriege wurden Frauen aus Bosnien, die aus ihrer Heimat nach Deutschland geflüchtet waren, gefragt, was sie denn am meisten vermissen. „Unsere Gärten“, war die Antwort. Die Folge dieses Gesprächs war das Entstehen von interkulturellen Gemeinschaftsgärten – beginnend mit dem ersten „Internationalen Garten“ in Göttingen. Seitdem entstanden ca. 100 solcher Gartenprojekte in Deutschland, davon allein in Berlin 21.
In den Gemeinschaftsgärten entsteht eine bunte Vielfalt von Gartengestaltungen in Verbindung mit einer Vielzahl von Pflanzenarten und -sorten. Die GärtnerInnen pflanzen auf ihren Parzellen in der Regel jene Nahrungsmittel an, die ihren kulinarischen Bedürfnissen entsprechen und die sie aus ihrer Heimat kennen. Sie schließen mit der Tätigkeit im Garten an Gewohnheiten und alltägliche Praktiken an, die ihnen vertraut sind und die ihnen Sicherheit und Selbstvertrauen wiedergeben. Der Garten ist Ort für Tätigsein und Erholung, Treffpunkt und auch Ort alternativer Sprachaneignung.

Gerade ältere Menschen brauchen oft eine entspannte Umgebung, um neue Inhalte aufzunehmen, können aber gleichzeitig durch ihre Erfahrungen sehr viel in die Gartengemeinschaft einbringen. So bringt eine ältere Analphabetin vielleicht großes gartentechnisches Wissen mit und wird von einem jungen Nachbarskind von ihren Alltagssorgen abgelenkt. Auf diese Weise entstehen soziale Austauschbeziehungen und es bilden sich neue Arten von Familienstrukturen.
Obwohl sich die einzelnen Gartenprojekte im Detail unterscheiden, haben sie doch gewisse Gemeinsamkeiten. Sie bestehen aus Parzellen, die von Einzelpersonen oder Familien individuell bewirtschaftet werden, und Gemeinschaftsflächen, die für eine gemeinsame Nutzung vorgesehen sind. Die Grundstücke werden häufig von Kirchen oder Stadtgemeinden, aber auch von Privatpersonen zur Verfügung gestellt. Die GärtnerInnen sind in Bezug auf kulturelle und soziale Herkunft und Alter bunt gemischt; sie können, müssen aber nicht einen Migrationshintergrund haben. Die Gärten werden biologisch bewirtschaftet, die Gartengemeinschaft ist auch für die Organisation des Gartens zuständig. Die TeilnehmerInnen übernehmen Verantwortung für verschiedene Aspekte des Gartenalltags, veranstalten gemeinsame Feste und Exkursionen. Die Gärten sind in einem größeren Netzwerk zusammengeschlossen, das über die Stiftung Interkultur in München unterstützt wird und über die auch ein intra- und internationaler Austausch zu verschiedenen Themen und praktischen Herangehensweisen stattfindet.

Die Idee von Gemeinschaftsgärten ist nicht neu. Seit den 1970er Jahren entstanden v.a. in den USA und Kanada so genannte Community Gardens, oft in marginalisierten Stadtvierteln gelegen, wo sie bis heute die Nachbarschaft positiv beeinflussen. Auch in London oder Buenos Aires entwickelten sich Gartengemeinschaften. Die Besonderheit an den Gärten in Deutschland ist ihre explizite Ausrichtung auf den interkulturellen Dialog.
In Österreich hat sich der heuer gegründete Verein „Gartenpolylog – GärtnerInnen der Welt kooperieren“ zum Ziel gesetzt, die Idee der Interkulturellen Gärten zu verbreiten, bestehende Initiativen in Österreich zu fördern und das Entstehen von neuen Gemeinschaftsgärten zu unterstützen. Bei den bisher angesprochenen Stellen in Österreich – vor allem im Bereich der Stadt Wien – ist die Idee zwar auf große Zustimmung gestoßen, aber bei der konkreten Umsetzung sind noch einige Hürden vor allem bürokratischer Art zu überspringen. In Greifenstein an der Donau ist bereits ein konkretes interkulturelles Gartenprojekt im Entstehen. Im Rahmen des Festivals Soho in Ottakring in Wien (siehe auch Beitrag Seite 9) wird sich die Initiative Gartenpolylog mit dem „Yppengarten“ vorstellen.

www.stiftung-interkultur.de www.communitygardens.org www.arche-noah.at

Ursula Taborsky hat in Wien Philosophie studiert und ihre Diplomarbeit über die Bedeutung Interkultureller Gärten geschrieben. Sie ist seit 6 Jahren als freie Mitarbeiterin bei Arche Noah tätig.

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