Joseph Ki-Zerbo, einer der bekanntesten Historiker des afrikanischen Kontinents, ist Anfang Dezember gestorben.
Einer von Afrikas großen „alten Weisen“ ist tot: Der Historiker und Politiker Joseph Ki-Zerbo aus Burkina Faso starb Anfang Dezember im Alter von 84 Jahren in der Hauptstadt Ouagadougou. Als „ersten klassischen Historiker des frankophonen Afrika“ und als „einen der Wissenschaftler, die das Bild Afrikas in unseren Breitengraden geprägt haben“, bezeichnete ihn Walter Schicho, Leiter des Instituts für Afrikanistik der Universität Wien, gegenüber dem ORF. Ki-Zerbos „Geschichte Schwarzafrikas“ wurde nach ihrem Erscheinen 1972 zum Standardwerk der Geschichtsschreibung aus afrikanischer Perspektive. Darin war zum Beispiel – wohl zum ersten Mal für ein breites Lesepublikum – vom „schwarzen“ Anteil an der ägyptischen Hochkultur zu lesen. Das Buch räumte auf mit dem Vorurteil vom „Kontinent ohne Geschichte“, das bis zu Georg Wilhelm Friedrich Hegels „Philosophie der Weltgeschichte“ 1830 zurück reicht.
Ki-Zerbo war auch Herausgeber der von der UNESCO finanzierten voluminösen „Geschichte Afrikas“. Er lehrte in Frankreich – als erster schwarzer Dozent an der Pariser Sorbonne –, in Senegal, Niger und Burkina Faso.
Stets verknüpfte der Historiker seine wissenschaftlichen Forschungen mit Politik. Ki-Zerbo engagierte sich in der frühesten Unabhängigkeitsbewegung und trug als Wissenschaftler wesentlich zu einem nachkolonialen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein des afrikanischen Kontinents bei. „Wenn man die Geschichte der Menschheit in 100 Abschnitte teilt, war Afrika in 90 Prozent dieser Abschnitte voraus“, betonte er in einem Südwind-Interview aus dem Jahr 1996 (siehe SWM 9/1996, Seite 28).
Ki-Zerbo gehörte zeitweise auch dem Parlament seines Landes an. Zur Zeit der Militärjunta unter Thomas Sankara (1984-87) lebte er im Exil in Senegal. 1992 kehrte Ki-Zerbo nach Burkina Faso zurück und gründete die „Partei für Demokratie und Fortschritt“ mit sozialistischer Ausrichtung. Vier Monate vor seinem Tod hatte er sein Abgeordnetenmandat niedergelegt.
Als Politiker und Autor setzte er sich nach seinen eigenen Angaben dafür ein, den AfrikanerInnen die Kontrolle über ihr Schicksal zurückzugeben.
Einer eurozentristischen Entwicklungspolitik stand er stets kritisch gegenüber. Im Südwind-Gespräch forderte er: „Lasst Afrika sich selbst entwickeln. Afrika kann nicht entwickelt werden. Niemand kann einen anderen entwickeln.“
1997 wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet: „… für sein lebenslanges Forschen und seine Aktivitäten, die die Schlüsselprinzipien und Prozesse deutlich machten, mit denen sich Afrika eine bessere Zukunft erschaffen könnte.“
Ki-Zerbo werde in Erinnerung bleiben, meint Walter Schicho, „als Figur ohne Flecken, als einer, der sowohl in seiner politischen Karriere als auch in der Wissenschaft immer mit demokratischen und angemessenen Mitteln operiert hat, der nie korrupt oder auf den eigenen Vorteil bedacht war – ein echtes Vorbild“.