Mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe fordert der NGO-Dachverband „Globale Verantwortung“ im Rahmen seiner neuen Kampagne. Mit Geschäftsführerin Ruth Picker sprach Südwind-Redakteurin Nora Holzmann.
Südwind-Magazin: Länder wie Großbritannien oder Deutschland erhöhen auch in Krisenzeiten die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. Österreich ist meilenweit von den für 2015 vereinbarten 0,7% des Bruttonationaleinkommens entfernt. Warum hat Österreich so wenig für Entwicklungszusammenarbeit über?
Ruth Picker: Es ist der Politik nicht wichtig genug. Ich denke, dass wir generell ein Land sind, das zur Kleingeistigkeit neigt. Man tendiert dazu, an den eigenen Landesgrenzen Halt zu machen. Gerade deswegen ist es Aufgabe der Politik, einen Kurs vorzugeben, der tatsächlich zu einer guten und nachhaltigen Zukunftspolitik beiträgt.
Am Rande des Forum Alpach kritisierte EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs Österreich, vor allem wegen der geringen Summen für bilaterale Hilfe. Ist das der österreichischen Regierung eigentlich peinlich?
Gute Frage. Ich gehe davon aus, dass es ihr nicht egal sein kann. Es kann sogar ausgesprochen unangenehm werden, weil die anderen EU-Mitgliedstaaten natürlich fragen, wie es kommt, dass wir im vergangenen Jahr nur eine 0,27%-Quote beigesteuert haben – als eines der reichsten Länder der Welt. Davon beträgt der Anteil an bilateraler Hilfe rund 10%. Auch hier ist Österreich bei den Schlusslichtern. Was dies in der Praxis heißt: Es gibt einen verschwindend geringen Anteil von Mitteln für konkrete, gestaltbare Projekte im Ausland.
Die Kampagne „Meine globale Verantwortung“ will nun weitere Kürzungen der Mittel verhindern. Warum sollte diese Kampagne schaffen können, was bisherige Bemühungen nicht erreicht haben?
Innerhalb der Nichtregierungsorganisationen, die wir als Dachverband vertreten, gibt es ein starkes Bewusstsein, dass nur ein gemeinsames Vorgehen einen Kürzungsstopp bewirken kann. Die Kürzungen, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden, sind radikal. Dementsprechend ist auch die Stimmung bei den Organisationen, deren tägliche Arbeit beinhaltet, sich solidarisch für andere Menschen einzusetzen. Die Politik denkt, sie kann es sich einfach machen: Sie kürzt dort, wo am wenigsten Aufschrei zu erwarten ist. Wir werden unter Beweis stellen, dass dies nicht der Fall ist.
Nicht wurscht
„Mir wurscht, wenn 3.000 Kinder verhungern“, provoziert ein Slogan der neuen Kampagne des Dachverbands „Globale Verantwortung“. Seinen 42 Mitgliedsorganisationen ist es eben nicht egal. Bei einer Auftaktveranstaltung vor dem Parlament und anschließenden Gesprächen mit Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Bundespräsident Heinz Fischer fiel am 14. September der Startschuss für die Kampagne, die weitere Kürzungen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und Humanitäre Hilfe verhindern soll.
Österreich steht im Europavergleich der OECD-Mitglieder bei EZA-Ausgaben an drittletzter Stelle. Die Gelder der bilateralen Hilfe, die für konkrete Projekte reserviert sind, sollen weiter gekürzt werden. 2014 sind nur noch 53 Mio. Euro dafür reserviert, 2010 waren es noch 85 Mio. Euro. Reinhold Lopatka, der im September als neuer Staatssekretär im Außenministerium angelobt wurde, verkündete aber schon wenige Tage nach Start der Kampage einen Kürzungstopp für 2013. Ob es allerdings wirklich zu einer Trendumkehr kommt, bleibt abzuwarten. Versprechungen, so NGO-VertreterInnen, hätten sie schon oft gehört.
Mehr Informationen zur Kampagne: www.mirwurscht.org
Welche Strategie soll zum Erfolg führen?
In einer ersten offensiven Phase führen wir Gespräche mit allen Abgeordneten, vor allem im Hinblick auf den für Mitte November vorgesehenen Budgetbeschluss. Unsere dringlichste Forderung ist: Keine weiteren Kürzungen! Und damit ist es natürlich nicht genug. Wir fordern die Regierung auf, einen zukunftsweisenden und verbindlichen Stufenplan zu entwicklen. Wir wollen 20 Mio. Euro für den Auslandskatastrophenfonds und die Aufstockung der bilateralen Mittel auf 200 Mio. Euro, so wie es vor einigen Jahren schon zugesagt war. Und natürlich sollen die 0,7% in absehbarer Zeit erreicht werden. Sie sind Grundlage dafür, dass die schmerzhaftesten Symptome einer grundsätzlich ungerechten Weltordnung gelindert werden.
Wie können sich interessierte Menschen einbringen?
Wir laden die Leute ein, an die Entscheidungsträger und -trägerinnen ihrer Wahlkreise heranzutreten – etwa über unsere Website. Und viele unsere Mitgliedsorganisationen werden den ganzen Herbst über Aktionen im öffentlichen Raum durchführen, an denen man sich beteiligen kann.
Gesetzt den Fall, die Kampagne bringt nicht die erwünschte Trendwende in der österreichischen Entwicklungspolitik: Was dann?
Der heiße Herbst ist erst der Beginn, wir machen weiter. Die Regierung wird dieses Thema nicht so leicht wieder los. Wir brauchen eine gute zukunftsfähige Lösung. Und wir werden sehen, wie weit wir gehen, um das durchzusetzen. Wir sind keine blinden Idealistinnen und Idealisten, wir sehen auch die Erfordernisse der Realpolitik. Aber es ist an der Zeit seitens der Bundesregierung unter Beweis zu stellen, dass sie bereit ist, an konstruktiven Lösungen zu arbeiten.
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