Über Korruption in der Entwicklungszusammenarbeit wollte viele Jahre niemand reden. Nun wächst die Erkenntnis, dass Schweigen den Schaden vergrößert. Zunehmend werden Strategien zur Bekämpfung diskutiert und realisiert. Doch was ist zielführend?
Ein Kommentar von Georg Cremer
Korruption in den „eigenen“ Projekten? Für verantwortungsvolle PraktikerInnen der Entwicklungszusammenarbeit ist dies aus gutem Grund ein Gräuel. In allen Entwicklungsorganisationen wurde das Thema lange Zeit totgeschwiegen. Zu groß war die Angst, Wasser auf die Mühlen der GegnerInnen der Entwicklungshilfe zu leiten oder SpenderInnen zu verprellen. Auf die offizielle Agenda kam das Thema erst nach Ende des Kalten Krieges. Bis dahin war es für Regierungen nützlich, auch an korrupte Regierungen Hilfe zu leisten, wenn dies ihre Loyalität sicherte.
In Ländern, in denen Korruption ein Alltagsphänomen ist, sind auch Entwicklungsprojekte von Korruption betroffen. Der größte Teil der Mittel wird von staatlichen Instanzen ausgegeben. Warum sollten BeamtInnen Projektmittel penibel korrekt verwenden, wenn sie ansonsten das ihnen anvertraute Geld veruntreuen können? Administrative Kontrollverfahren sind wichtig, aber unter den Bedingungen fehlender Rechtssicherheit ist die Wirkung begrenzt.
Doch was ist mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs)? Gerade in Ländern mit verbreiteter Korruption im staatlichen Sektor wurden sie zu einer viel versprechenden Alternative. Aber auch hier kann es Missbrauch geben. Einige Geberorganisationen haben die schmerzvolle Erfahrung machen müssen, dass ihre Vorschusslorbeeren unberechtigt waren.
Wer Korruption begrenzen will, muss die Risiken kennen. In der Entwicklungszusammenarbeit ist es vorrangig die Veruntreuung von Mitteln. Verantwortliche vergeben Aufträge zu überhöhten Preisen und erhalten die Differenz als „kick-back“ zur privaten Verfügung. Dafür müssen sie die Ausschreibungsverfahren manipulieren, etwa indem sie günstige Anbieter erst gar nicht zur Ausschreibung zulassen oder die Regeln zur Bestbieterbestimmung missbräuchlich anwenden. Auftragnehmern wird gestattet, schlechte Qualität abzuliefern. Die Verfahren, Korruption abzusichern, sind so vielfältig wie die Kreativität der Beteiligten.
Was ist zu tun? Der wichtigste Schritt ist es, das Thema nicht mehr totzuschweigen. Da wurden in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht, nicht zuletzt dank der Weltbank, die hier der Vorreiter war. Nur wenn über die Gefahren der Korruption offen gesprochen wird, können die Hilfsorganisationen von den Erfahrungen ihrer MitarbeiterInnen lernen, die meist mehr wissen, als offiziell zur Kenntnis genommen wird.
Natürlich braucht es angemessene Kontrollverfahren. Hier gibt es noch Defizite, gerade bei vielen NGOs des Südens. Lange Zeit galten klare Absprachen über die Finanzkontrolle als unvereinbar mit dem Geist der Partnerschaft.
Kontrolle ist gut. Information ist besser. Je verlässlicher unser Wissen über die Ergebnisse eines Projektes ist, desto größer sind unsere Chancen, Korruption zu begrenzen. Es mag den Verantwortlichen gelingen, Veruntreuung in den Finanzberichten geschickt zu verbergen. Weil das veruntreute Geld an wichtigen Stellen fehlt, wird das Projekt nicht den geplanten Erfolg haben. Es braucht also auch wirkungsbezogene Kontrolle.
Hilfsorganisationen tun gut daran, ihre eigenen Strukturen darauf hin zu überprüfen, ob sie eine erfolgreiche Korruptionskontrolle verhindern. Der Zwang zur Ausgabe von Geldmitteln beispielsweise ist Gift, denn er verleitet MitarbeiterInnen dazu, notwendige Prüfungen zu unterlassen oder auch Empfänger zu fördern, deren Ruf oder Leistungsfähigkeit zweifelhaft sind. Was auch Not tut, ist, das Risiko für korrupte Auftragnehmer großer Entwicklungsprojekte zu erhöhen. Das Verfahren der „schwarzen Listen“ der Weltbank sei der bilateralen Entwicklungshilfe zur Nachahmung empfohlen.
Was wir nicht brauchen, ist ein Kreuzzug. Eine Organisation, die von sich behauptet, sie habe eine Null-Toleranz-Strategie, wird erneut tabuisieren müssen, wenn sie ihre Entwicklungsarbeit nicht abbrechen will. Notwendig dagegen ist eine Politik, schrittweise die Bedingungen für die Kontrolle von Korruption zu verbessern. Entwicklungsorganisationen können Reformprozesse in den Empfängerländern unterstützen. Und auf die kommt es an.
Literaturhinweis:
Georg Cremer: Korruption begrenzen. Praxisfeld Entwicklungspolitik, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br. 2000, 180 Seiten, € 13,-
Georg Cremer, Wirtschaftswissenschaftler, war unter anderem von 1986 1989 Projektleiter in Indonesien und von 1990 1999 Mitarbeiter bei Caritas international. Seit 2000 ist er Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes.