Die geplante „Entwicklungsbank“ soll nun bei der Kontrollbank angesiedelt werden, einer im Eigentum privater Banken stehenden Institution. Wie können da entwicklungspolitische Prioritäten sichergestellt werden, fragt sich Werner Raza.
Im aktuellen Regierungsprogramm wurde die Einrichtung einer österreichischen Entwicklungsbank vereinbart. Nachdem ursprünglich die staatliche Austria Wirtschaftsservice als Trägerorganisation vorgesehen war, fiel mit dem Zusatz, „dabei die einschlägige Erfahrung und Kostengünstigkeit der OeKB in der Ausfuhrförderung [zu berücksichtigen]“, bereits eine Vorentscheidung zugunsten der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB). In der Tat beauftragten die Staatssekretäre Hans Winkler (BMeiA) und Christoph Matznetter (BMF) im Mai dieses Jahres die OeKB, ein Konzept für die Entwicklungsbank auszuarbeiten. Dieses Konzept bildete die Grundlage für einen Ende August in die Begutachtung ausgesandten Gesetzesentwurf. Darin wird die Einrichtung der Entwicklungsbank als 100%ige Tochter der OeKB vorgeschlagen.
Mit dieser Konstruktion spart sich die Republik zwar die Kosten für die Einbringung des notwendigen Eigenkapitals der Bank und kann sich darauf beschränken, die zu erwartenden Anfangsverluste abzudecken bzw. die Ausfallshaftung für die geförderten Projekte zu übernehmen. Zugleich weicht Österreich aber von der internationalen Praxis ab, Entwicklungsbanken als im öffentlichen Eigentum stehende Gesellschaften zu führen. Ist das zu rechtfertigen? Die OeKB steht schließlich im Eigentum privater Geschäftsbanken. Wie wird sichergestellt, dass der öffentliche Auftrag, nämlich die Förderung von Privatsektorprojekten in Entwicklungsländern, die der nachhaltigen Entwicklung und insbesondere der Armutsbekämpfung dienen, dabei nicht zu kurz kommt? Nun, das wird entscheidend von den Beteiligungs- und Entscheidungsmechanismen der Entwicklungsbank abhängen.
Dazu sieht der vom Ministerrat am 17. Oktober beschlossene Gesetzesentwurf vor, ein Gremium „Wirtschaft und Entwicklung“ einzurichten. Den Vorsitz führt das Finanzministerium (BMF). Daneben mit Stimmrecht vertreten sind: BMeiA, BMWA, BKA, die Austrian Development Agency (ADA), die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und die Bundesarbeitskammer (AK). Dem Gremium soll die „entwicklungspolitische Beratung und […] Begutachtung“ der Förderansuchen obliegen. Diese Besetzung ist bemerkenswert, stellt sich doch schlicht die Frage nach der entwicklungspolitischen Kompetenz und Repräsentativität des Gremiums: die fachzuständigen Mitglieder sind mit dem BMeiA und der ADA eindeutig in der Minderheit. Zwar sind im Gegensatz zum ersten Gesetzesentwurf vom August nun auch die AK und das BKA im Gremium vertreten. Diese bis zuletzt heftig umstrittene Nachnominierung wird allerdings dadurch relativiert, dass nur vier der sieben Gremiumsmitglieder, nämlich jene von BMF, BMeiA, BMWA und dem BKA, sich auf die Geschäftsordnung des Gremiums einigen müssen. Damit droht eine Aufspaltung der stimmberechtigten Mitglieder in solche erster und zweiter Klasse. Mag das im Erstentwurf vom August enthaltene Vetorecht des BMeiA zu Geschäftsordnungsfragen aus entwicklungspolitischer Sicht noch gerechtfertigt erscheinen, ist eine sachliche Begründung für die nunmehrige Regelung kaum gegeben. Das ist wohl schlicht Ausdruck politischer Rangeleien in der Regierung.
Zur Frage der Repräsentativität des Gremiums fällt zunächst auf, dass die Sozialpartner nur in einer „Light-Version“ ohne ÖGB und Landwirtschaftskammer vertreten sind. Verwunderlicher aber ist, dass keinerlei Vertreter oder Vertreterinnen der entwicklungspolitischen Organisationen vorgesehen sind. Die AGEZ, der Dachverband der österreichischen Entwicklungsorganisationen, hat vorgeschlagen, je einen Vertreter aus dem Bereich der Wissenschaft und einen vom entwicklungspolitischen Beirat entsandten Vertreter in das Gremium zu nominieren. Dass dieser Vorschlag einfach ignoriert wurde und man offenbar meint, auf die entwicklungspolitische Expertise der einschlägigen NGOs verzichten zu können, verwundert doch einigermaßen. Vielleicht ist die plausibelste Erklärung dafür, dass es bei diesem ganzen Vorhaben eigentlich gar nicht um Entwicklungspolitik, sondern primär um Exportförderung geht. Darauf deutet hin, dass die vehementeste Befürworterin des Projekts die Exportwirtschaft selbst ist, und der regionale Schwerpunkt auf den „heißen“ Zukunftsmärkten Südosteuropa und dem westlichen Balkan liegen soll.
Nun müssen Exportförderung und Entwicklungszusammenarbeit einander nicht zwangsläufig ausschließen, sondern können sich sinnvoll ergänzen. Grundsätzlich spricht daher nichts gegen die Einrichtung einer Entwicklungsbank. Es braucht aber die Herstellung von Politikkohärenz, und zwar vor allem in der Praxis der Projektprüfung und -umsetzung. Das ist nicht ohne die Einbindung und Mitsprache aller kompetenten Stakeholder möglich. Zu Politikkohärenz gehört aber auch, dass die Geschäftstätigkeit der Entwicklungsbank international anerkannten Standards, wie z.B. jenen der Weltbank zur Projektprüfung, unterliegt und regelmäßig von unabhängiger Stelle evaluiert wird. Selbstverständlich sollte auch sein, dass sich geförderte Unternehmen zur Einhaltung von einschlägigen Wohlverhaltensnormen wie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen verpflichten. Zu all dem findet sich im Gesetzesentwurf leider bislang nichts.
Noch hat die Politik Zeit, die von vielen Seiten geäußerte Kritik am Gesetzesvorschlag aufzugreifen und diesen zu überarbeiten. Das wäre wohl der Lackmustest dafür, ob der verheißungsvolle Name „Österreichische Entwicklungsbank“ auch in Tat und Praxis für entwicklungspolitische Substanz steht.
Werner Raza ist Mitarbeiter der Arbeiterkammer Wien sowie Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Fachhochschule des Berufsförderungsinstituts Wien.