Das Dorf Usenda in Tansania ist keine Ausnahme. Bei der illegalen Alkoholproduktion kommt es häufig zu Verwicklungen. Die Grenzen zwischen Bier und härteren Getränken verschwimmen.
Es kann einen ins Gefängnis bringen, und das für längere Zeit, als ob man gestohlen hätte. Ein Bürgermeister, der nicht am Geschäft beteiligt ist, bringt daher entweder über kurz oder lang alle hinter Schloss und Riegel, oder er blockiert diese einzige Möglichkeit der DorfbewohnerInnen, etwas für sich selbst zu tun, sodass es keiner mehr wagt, die Sache weiterzuführen.
Das Geschäft kann im Dorf nicht betrieben werden, ohne dass der Bürgermeister informiert ist. Denn alle, die etwas zum Gären ansetzen, und sei es der illegale Hochprozentige, wollen das möglichst bekannt machen, damit die Leute im Dorf auch in die Lage kommen können, große Mengen davon zu erstehen. Deswegen ist das Geheimnis um den Spiritus immer ein Geheimnis des ganzen Dorfes.
Nun, als mein Cousin Donanti mit seinen Problemen daherkam, da war ich soeben zum dritten Mal in Folge zum Bürgermeister von unserem Dorf Usenda gewählt worden.
Was die Herstellung von diesem hochprozentigen Schnaps, diesem Gongo, betrifft: Ich selbst brenne keinen Schnaps. Aber meine Frau fährt von Zeit zu Zeit zu den Ihrigen ins Nachbardorf und setzt dort etwas an. Dadurch hilft sie mir eben auch ein wenig dabei, dem einen oder anderen Bedürfnis ihrer elf Kinder nachzukommen.
Und was meine beiden Onkel anbelangt, die wiederum hier in unserem Dorf leben, die zählen zu den berühmten Schnapsbrennern. Ich bin also gezwungen obwohl ich der Regierung Recht gebe, Schnaps gehört verboten, ich sehe mit eigenen Augen, wie er uns arm macht und umbringt, wie er uns überwältigt und wir nicht widerstehen können zu berücksichtigen, wie meine Mitbürgerinnen und Mitbürger das Problem sehen. Und schließlich gibt es ja auch noch gewöhnliche Leute wie mich, die das Recht haben, sich ein wenig zu erfrischen. Der legale Schnaps wird nur mehr am Wochenende ausgeschenkt, und wir haben eben nicht was-weiß-ich sechs Schilling für eine Flasche Rinderpisse, welche von denen, die genug Geld haben, um sich diese Europäerhirse, diesen Hopfen, zu leisten, Bier genannt wird. Uns Bäuerinnen und Bauern bleibt also für den Rest der Woche eben wieder nur unser Gongo-Schnaps.
Gongo um sechs Schilling macht zwei Flaschen, und ein gewöhnlicher Schnapstrinker braucht nur ein halbes Glas, wer mehr als ein ganzes Glas kippt, zählt als Säufer. Außerdem bringt Gongo, von Seiten der Herstellerinnen und Hersteller betrachtet, mehr Profit.
Für ein Fass Mapuya oder Kangara ist es schwer, 200 Schilling zu bekommen, aber wenn du Gongo destillierst vorausgesetzt du hast eine gute Hand dafür steigst du nicht unter vierhundert für ein Fass aus.
Und uns, die wir in der politischen Führung unseres Dorfes vertreten sind, erinnert Gongo gelegentlich ein wenig daran, dass nicht die Brauer und Käufer allein in Gefahr sind. Es versteht sich von selbst, und zwar für alle, die diese Getränke brauen, dass sie dem Bürgermeister, allen Funktionären, dem Ratsvorsitzenden und dem Leiter der Jugendorganisation im Dorf an jedem Tag, an dem sie ihr Produkt verkaufen, eine Flasche zukommen lassen.
Kurz gesagt, Bier und Schnaps beeinflussen inzwischen das Leben von allen im Dorf. Um ehrlich zu sein, wenn die Leute ihren Bürgermeister und die anderen Funktionäre des Dorfes wählen, wird eigentlich als erstes bedacht, wie die Zusammenarbeit im Hinblick auf das große gemeinsame Geheimnis aussehen wird.
Textauszug aus: Kisa cha mlevi wa gongo na mchwa (Die Geschichte vom Schnapstrinker und der Termite), Übersetzung aus dem Kisuaheli: Birgit Englert und Irmi Hanak, beide Afrikanistinnen in Wien. Die Kurzgeschichte entstammt dem Buch: Gabriel Ruhumbika, Uwike usiwike kutakucha (Ob du krähst oder nicht, der Tag bricht an), 1978.
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