Seit nunmehr fast einem Jahr hat Wanni Ruengsamut in ihrem Holzpfahlhaus an der Phang Nga Bucht einen stetigen Strom von BesucherInnen empfangen. Ihre Gäste sind keine verschollenen Verwandten, die ihre Familienbande mit der 38-jährigen Mutter zweier Kinder neu knüpfen wollen. Es sind TouristInnen, die einmal etwas anderes erleben wollen als in Destinationen wie der benachbarten Insel Phuket, wo der Massentourismus triumphiert hat. Bisher hat Wanni zehn Gruppen von TouristInnen beherbergt, AusländerInnen, die in Thailand Urlaub machen, aber auch Landsleute aus Bangkok.
„Sie bleiben zwei oder drei Tage in unserem Haus und lernen, wie wir leben“, erklärt sie an einem Samstag nachmittag, nachdem sie zwei Gästen ein selbst gekochtes Essen serviert hat – ein fünfgängiges Festmahl mit gedünsteten Krabben, Garnelen und Fisch, gewürzt mit Knoblauch und Limonensauce. Gegessen wird im hinteren Teil ihres Hauses, in einem nach drei Seiten offenen Raum, der die von der Bucht kommende Brise hereinlässt. Die Speisen werden auf Matten serviert, nach dem Brauch auf der Insel, die Wanni ihre Heimat nennt, Koh Yao Noi. Zwei der vier Räume in ihrem Haus wurden für Gäste reserviert und mit bequemem, auf dem Holzboden ausgebreitetem Bettzeug ausgestattet.
Für Wanni ist diese Form des Tourismus, bei der Gäste an vielen Bereichen des täglichen Lebens dieser weitgehend muslimischen Fischergemeinschaft teilnehmen, noch relativ neu. „Ich habe mich entschieden, mitzumachen, nachdem mir klar wurde, dass es vieles gibt, das meine Familie bekommen kann und das wir unseren Gästen geben und mit ihnen teilen können“, sagt sie über das Community Based Tourism-Programm. „Bei diesem Programm geht es nicht bloß darum, Koh Yao Noi zu besuchen und kurze Zeit bei uns zu wohnen. Wichtig ist auch, dass wir zeigen, wie wir versuchen, unsere natürlichen Ressourcen zu schützen, und dass wir die Kultur unserer Fischergemeinschaft vermitteln.“
Tatsächlich gibt es diese einzigartige Initiative, den „Koh Yao Noi Community-based Ecotourism Club“, schon seit zwölf Jahren. Derzeit gehören 80 Familien dazu; 25 Häuser in sieben Dörfern der Insel mit ihren 5.000 EinwohnerInnen stehen für Gäste bereit. Die meisten sind entweder von Reisfeldern und Gummibäumen umgeben oder liegen inmitten von Gärten mit leuchtenden Orchideen, Bougainvillea- und Hibiskus-Arten. Drei Häuser, darunter das von Wanni, liegen am Meer.
„Die TouristInnen, die von unserem Programm gehört haben, wollen etwas über unsere Fischergemeinschaft lernen und an unserer täglichen Arbeit teilnehmen“, erklärt Samrung Raketh, Koordinator des Tourismusprogramms. „Es geht dabei nicht um unseren Gewinn, denn das Geld, das die Klubmitglieder verdienen, ist ein Nebeneinkommen. Die meisten Familien leben in erster Linie vom Fischen. Letztes Jahr hatten wir 800 Gäste, die meisten von ihnen ThailänderInnen.“
Worachat Kongkua ist eines der Mitglieder, die Neugierigen für einen Tag die Möglichkeit geben, traditionelle Handwerkskunst zu erlernen. Im Fall der 39-jährigen Worachat handelt es sich um das Färben von Stoffen mit der Knüpfbatik-Technik, und das praktiziert sie in einem kleinen Schuppen unter einem breit ausladenden Tamarindenbaum. „Es macht den BesucherInnen Spaß, hier einen Tag zu verbringen und zu lernen, wie wir natürliche Farben einsetzen, um die Muster zu erzeugen“, erzählt sie. Worachat verwendet Farbstoffe aus gekochtem Ingwer oder aus Blättern einheimischer Bäume. „Wir ermutigen sie, ihre eigenen Geschenke herzustellen anstatt sie in einem Touristengeschäft zu kaufen.“
Ebenso sind auch die Fischer bereit, ihre Fertigkeiten und ihr Wissen über das Meer mit Gästen zu teilen, die sich für eine frühmorgendliche Expedition in den kleinen Holzbooten mit Außenbordmotor entscheiden. „Wir zeigen ihnen, wie wir Garnelen und Krabben fangen, und welche Netze wir dafür jeweils verwenden“, schildert Sompong Nunuwan, während er an einem Sonntag-Morgen ein Netz einholt, in dem sich eine ansehnliche Menge Garnelen verfangen hat. Sompong erklärt, was passiert, wenn sich eine weibliche Garnele mit einem schweren Eierklumpen im Fang befindet. „Wir bringen sie in ein Gehege, das wir in der Bucht angelegt haben, um sie zu schützen. Wir wollen sie nicht sofort zerstören. Das ist unseren Mitgliedern verboten. Wir können später profitieren.“
Rücksicht auf die Umwelt war seit den Anfängen des Community Based Tourism auf der Insel Mitte der 1990er Jahre ein Eckpfeiler des Projekts. Damals begannen die kleinen Fischer von Koh Yao Noi mit den großen Fischkuttern zu kämpfen, die mit ihren Schleppnetzen den Meeresboden in der Bucht zerstörten. Die Kutter kommen nicht mehr, aber die Fischergemeinschaft hat sich ihren Kampfgeist in Sachen Umweltschutz bewahrt. TouristInnen erhalten Informationsbroschüren, die Regeln wie „Werfen Sie keinen Abfall weg“ oder „Holen Sie keine Muscheln oder Korallen aus dem Meer“ enthalten.
Auch zur Entscheidung, ihre Häuser für TouristInnen zu öffnen, kam es in Zusammenhang mit dem Konflikt mit den großen Fischkuttern und den mächtigen Kreisen aus Politik und Wirtschaft, die einen derart umweltzerstörerischen Fischfang unterstützten. Damals wurden die Fischer von Koh Yao Noi von StudentInnen aus den USA unterstützt. Sie schlossen sich der Flotte aus kleinen Fischerbooten an, die sich in der Bucht den Fischkuttern entgegenstellten. Die lokalen Führungspersönlichkeiten begriffen rasch, dass ihnen die thailändischen Behörden mehr Respekt entgegenbrachten und ihren Anliegen positiver gegenüberstanden, seit sie von AusländerInnen unterstützt wurden. Kein Wunder, dass dieses Projekt eines Community Based Tourism anderen als Modell dient, die in Thailand alternative Reisemöglichkeiten anbieten wollen.
„Andere Gemeinschaften sollten es ebenso machen wie wir, unser Erfolg hat uns zusammengeschmiedet. Wir lernen, wie man zusammenarbeitet und etwas organisiert, und den TouristInnen macht es offenbar Spaß, etwas von unserer Arbeit zu erfahren“, meint Sompong Nunuwan. „Ob andere Gemeinschaften Erfolg haben werden, ist schwer zu sagen. Was uns attraktiv machte, waren das Meer und unsere Aktivitäten zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen.“
Sogar aus den Problemen, mit denen diese Initiative zu kämpfen hat, können andere Gemeinschaften lernen. Die Insel macht nach wie vor einen eher ruhigen und verschlafenen Eindruck, und die Zahl der BesucherInnen hält sich in Grenzen – besonders im Vergleich zu Phuket, das im letzten Jahr fünf Millionen Gäste verzeichnete. „Im großen Maßstab kann das nicht funktionieren“, betont der Koordinator des Programms, Samrung Raketh. „Wenn zu viele TouristInnen kommen, dann werden wir die Kontrolle verlieren und es wird zu sozialen Problemen kommen. Es kann sein, dass sich das Interesse dann mehr darauf konzentriert, Geld zu machen und sonst nichts. Wir hatten bereits zwei Familien, die den Klub verließen, weil sie sich nur für den Profit interessierten.“
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