Wenn von Krise gesprochen wird, geht es rasch um Werte. Und welchen Wert messen wir uns selbst zu?
Man liest und hört, dass Werte in Krisenzeiten wichtiger genommen würden oder dass auch die Werte selbst in der Krise seien. Um Werte geht es auch im neuesten Buch von Attac-Mitbegründer und Buchautor Christian Felber (siehe Rezension auf Seite 39). Er diagnostiziert im herrschenden Wirtschaftsmodell die Herrschaft der falschen, weil nur einer Elite dienenden Werte und entwirft das Modell einer am Gemeinwohl orientierten Ökonomie: die die Natur schont und die Menschen glücklich macht. Schließlich gehören Gemeinschaft und gelingende Beziehungen zu den wichtigsten Glücksfaktoren, sagt die boomende Forschung zum Thema. Eine große Idee. Großartig wird sie durch das positive Menschenbild, auf dem sie beruht: Handlungsfähige BürgerInnen als politischer Souverän, die nicht vor sich selbst (und auch ihren autoritären Tendenzen) beschützt werden müssen. Politische Beteiligung aller schafft demnach nicht die Hölle auf Erden, sondern kann eine Politik bewirken, die breite Zustimmung findet, sozial und ökologisch nachhaltig ist und sogar glücklich machen kann.
Dieses Menschenbild liegt derzeit nicht im Trend. Mit vielem, was passiert, sind die von der Berufspolitik repräsentierten Menschen nicht einverstanden. Während ihnen beim Konsumieren und Entsorgen viel Macht und Wirkung zugeschrieben wird, herrscht der hohen Politik gegenüber das unbehagliche Gefühl der Ohnmacht. Allzu leicht wird vor dem Faktischen kapituliert. Es findet eine kollektive Selbstentmachtung gegenüber der Politik statt. Wir glauben, die Verhältnisse, unter denen wir leben, nicht mitzubestimmen und räumen das Feld für ExpertInnen, „das System“, „die Wirtschaft“ u.a.m. In diesem geistigen Milieu gedeihen Egoismus und Ungerechtigkeit vortrefflich.
Das Modell einer Gemeinwohl-orientierten Wirtschaft ist untrennbar mit der Forderung nach einer Weiterentwicklung der Demokratie verbunden. Felber fordert daher, unser System der repräsentativen Demokratie zu ergänzen: durch Verfahren der direkten Demokratie – wie BürgerInnen-Initiativen, Volksabstimmungen und Instrumente der partizipativen Demokratie, wie zum Beispiel Beteiligungsbudgets. Nur auf breiter demokratischer Basis ist es legitim, über Gemeinwohl zu sprechen. Wer sonst, wenn nicht möglichst alle, sollte denn entscheiden, was das Gemeinwohl ist?
Die Gemeinwohl-orientierte Wirtschaft hat das Potenzial, unsere Lebenswelt von der Basis bis in die „hohe Politik“ zu durchdringen. Sozialethischer Konsum ist dann genauso selbstverständlich wie politische Beteiligung. Kein „Entweder – Oder“, das die Journalistin Kathrin Hartmann in ihrem aktuellen Buch „Das Ende der Märchenstunde“ feststellt. Sie kritisiert die so genannten Lohas – kaufkräftige Menschen, die bio und fair konsumieren, um ihr Gewissen zu beruhigen und sich darüber hinaus wenig um Politik scheren.
Wer einmal begriffen hat, wie weit er privat und politisch der Schöpfer seiner Welt ist, wird auf allen Ebenen versuchen, mitzugestalten. Und das macht Mut.
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