E-Mail Aus: Myanmar

Von: Michaela Krimmer

Betreff: Aufbruchsstimmung

Liebe Redaktion,

ich bin per Motorrad im Norden Myanmars unterwegs, bis vor kurzem war diese Region Sperrgebiet für AusländerInnen. Ich erinnere mich: Vor einigen Jahren gab es im Südwind-Magazin einen Artikel aus Myanmar. Die Militärjunta war damals an der Macht und die myanmarische Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi in Hausarrest. Den Autor des Textes hat die Redaktion anonymisiert, zu seinem Schutz. Seit 2011 haben sich die Dinge geändert. Ein Visum habe ich innerhalb von einer Stunde online bekommen. Auf der Staats-Website steht: „Sie können 28 Tage bleiben. Wenn Sie überziehen, machen Sie sich keine Sorgen. Sie zahlen drei US-Dollar pro Tag und es hat keine rechtlichen Konsequenzen.“

In dem Bergdorf Kyaw kommt eines Abends der Dorflehrer Pa Pa Phyo auf mich zu. Er zieht sein Handy aus der Tasche und zeigt mir seinen Bildschirmschoner: Es ist ein Bild von Aung San Suu Kyi. „Our leader“, sagt er. „She has an iron will.“ Im November haben die ersten freien Wahlen in Myanmar stattgefunden. Aung San Suu Kyi hat mit ihrer Partei die absolute Mehrheit gewonnen. Ob er hingegangen sei, wollte ich von Pa Pa Phyo wissen. „Yes, yes“, sagt er und nickt heftig. „Everybody go. Everybody.“ Ich sehe seine Begeisterung und denke daran, wie wahlmüde wir oft sind in Österreich. Der Wandel zieht ein in Myanmar. Und eine Freiheitskämpferin, bis vor kurzem noch Staatsfeind Nr. 1, darf zwar per Verfassung immer noch nicht Präsidentin werden, doch ohne Probleme als Bildschirmschoner dienen.

Liebe Grüße

Micha