E-Mail aus: Indien

Von: Robert Könitzer

Betreff: Das klare Land

Liebe Redaktion!

Immer noch schwingen die Erinnerungen an meine Reise nach Nordwest–indien nach. Lachende Kinder, die aufgeregt dem Bus nachwinken. Bettelnde Kinder, die einer Touristin einen Stecken nachwerfen, weil sie nichts bekommen haben. Kunstvolle Palastanlagen, die von unermesslichem Reichtum zeugen. Arme Massen, ohne deren Arbeit es diese Paläste nie gegeben hätte. Der markante Ruf des Pfaus in Parks und Hotelanlagen. Das bodenerschütternde Donnern der Panzergranaten bei der Militärübung nahe der pakistanischen Grenze. Männer und Frauen, die dir mit einem unvermittelten Lächeln Freude für den ganzen Tag schenken. Personen, die Geld dafür wollen, dass sie dir etwas erklären, das du weder willst noch brauchst. Heilige Kühe, um die jedes Auto einen Bogen macht. Verdreckte Unberührbare, um die ihre Mitmenschen einen Bogen machen. Frei lebende Tiger in atemberaubender Natur.

Millionen Menschen in nicht enden wollenden Hochhäuserschluchten, die den blauen Himmel hinter dem Smog nur erahnen können. Unbekannte Düfte und Geschmackserlebnisse. Unbekannte Reaktionen des Magen-Darm-Traktes.

So ambivalent die Eindrücke zu Beginn auf mich gewirkt haben, so ehrlich und klar war das Land stets zu mir. Nie verschnörkelt oder verhehlend, weder erklärend noch entschuldigend hat es mich an der Hand genommen und gesagt: „Schau, fühle, rieche, schmecke, höre“. Das habe ich getan. Danke dir, Indien! Namaskar!

Grüße, Robert