E-Mail aus: Ecuador

Von: Daniela Schier

Betreff: Señor Lopez’ letzte Reise

Liebe Redaktion,

Auf dem Weg von Quito auf die Galapagosinseln hatten wir einen Zwischenstopp in Guayaquil. Ich beobachtete eine ecuadorianische Familie beim Zusteigen ins Flugzeug: Die Personen verteilen sich auf die umliegenden freigewordenen Sitze gleich neben uns. Es reist ein Ehepaar mit zwei Kindern, einem pubertierenden Sohn und einer etwas jüngeren Tochter. Sie sind modern leger gekleidet, wirken beschwingt. Ich vermute, dass sie auf dem Weg zu einem Familienausflug sind. Mein Blick fällt auf die Frau, die ich für die Mutter halte. Mit ihren drei überdimensionierten Taschen erinnert sie mich an meine eigenen nicht vorhandenen Packkünste. Ich schmunzle. Nachdem mühsam alle großen Teile richtliniengerecht ihren Platz gefunden haben, gilt mein besonders Interesse nun einer zarten dunkelbraunen Holzbox, die die Mutter vorsichtig mit beiden Händen hält und den ganzen Flug über auf ihrem Schoß behält. Sie ist glänzend lackiert und auf zwei Seiten mit einem transparenten Klebeband verschlossen.

Als ich nach einiger Zeit aufstehe, fällt mein Blick erneut auf die Frau am Sitz vor mir und die geheimnisvolle Box. Diesmal sehe ich sie von oben und lese in gedruckter, geschwungener Schrift „Antonio José Lopez“ auf dem weißen Zettel, der den Deckel beschriftet. Ich halte inne, lese ein zweites Mal. Dann glaube ich zu verstehen und denke mir: „Gute Reise, Señor Lopez!“

Liebe Grüße 

Daniela