In zahlreichen Programmen versuchen die EU-Innenminister, AsylwerberInnen zu einer Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen.
Derzeit im Mittelpunkt der umstrittenen Bemühungen: Afghanistan.
Mehr als sechs Millionen Afghanen, Männer, Frauen und Kinder, mussten in den vergangenen 20 Jahren ihr Land verlassen. Die meisten fanden in den Nachbarländern Pakistan und Iran Zuflucht. Nach der Neuordnung der politischen Machtverhältnisse in Afghanistan setzte eine Welle der Flüchtlingsrückkehr ein. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes waren innerhalb des Jahres 2002 mehr als zwei Millionen AfghanInnen in ihr Heimatland zurückgekehrt. Dieser Prozess ist jedoch durch die Verschlechterung der Sicherheitssituation ins Stocken geraten.
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) unterstützt die Rückkehr durch logistische Hilfe und bietet Informationen über die Sicherheitslage in den Provinzen an. So wird etwa in Kooperation mit dem britischen Radiosender BBC eine wöchentliche Sendung für Rückkehrwillige in den wichtigsten Landessprachen Dari und Pashtu gestaltet.
Auch auf Ebene der EU-Innenminister wurde beschlossen, spezielle Rückkehrhilfeprogramme für Afghanistan zu starten. In Kooperation mit der International Organization for Migration (IOM) wurden zwei Programme entwickelt, die nicht nur auf eine Heimreise der AsylwerberInnen abzielen, sondern auch auf eine Verbesserung der Lebenssituation der RückkehrerInnen in ihrem Heimatland: RANA (Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals in Afghanistan) und RQA (Return of Qualified Afghans). Während RANA laut Ilijrana Gashi von der Österreichischen Niederlassung von IOM sich hauptsächlich an AsylwerberInnen wendet, wird im RQA-Programm versucht, Exil-AfghanInnen mit guten Qualifikationen zu einer Rückkehr zu bewegen. IOM bietet den RückkehrerInnen in Afghanistan Computer- und Sprachkurse an und hilft bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Das RQA-Programm basiert auf einer Datenbank, die qualifizierte AfghanInnen erfasst, die bei Bedarf an diverse Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vermittelt werden. Bislang kehrten im Rahmen des RQA-Programms drei Afghanen von Österreich aus zurück, im Rahmen des RANA-Programms waren es 67.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder die Gesellschaft für bedrohte Völker warnen übereinstimmend vor der prekären Sicherheitssituation in weiten Teilen Afghanistans. Viele Provinzen werden weiterhin, unbehelligt von der Kabuler Zentralregierung, von Warlords beherrscht. In den vergangenen Monaten sind immer wieder Kämpfe zwischen verfeindeten Milizen aufgeflammt. Lediglich im Großraum Kabul wird durch die Präsenz der internationalen Schutztruppen ein Minimum an Sicherheit aufrechterhalten. Durch die Anwesenheit vieler internationaler Organisationen und die Rückkehr Hunderttausender ist Wohnraum in der Hauptstadt jedoch knapp und teuer. Viele RückkehrerInnen finden ihr Grundstück oder ihr Haus von anderen besetzt wieder, was oftmals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führt.
Um die vielfältigen Voraussetzungen für eine sinnvolle und sichere Flüchtlingsrückkehr abklären zu können, arbeitet die Asylkoordination Österreich derzeit an einem Evaluierungsprojekt. Dadurch sollen Qualitätskriterien für die Flüchlingsrückkehr nach Bosnien, in den Kosovo und nach Afghanistan definiert werden. Dabei legt man besonderen Wert auf die Partizipation von FlüchtlingsvertreterInnen aus den jeweiligen Ländern, betont die Projektverantwortliche, Marion Kremmla. Im Herbst 2004 wird eine Aufklärungsreise nach Afghanistan durchgeführt, um RückkehrerInnen zu deren Situation zu befragen.
Von einer Afghanistan-Aufklärungsreise gerade zurückgekehrt ist Christian Fackler von der Rückkehrhilfe der Caritas Wien. Gemeinsam mit anderen europäischen Organisationen sucht die Caritas Möglichkeiten zur Schaffung von Überlebensgrundlagen für RückkehrerInnen. Auch Fackler betont, dass eine dauerhafte Befriedung des Landes die unumgängliche Voraussetzung für Repatriierungsprojekte darstellt.
Trotz übereinstimmender Warnungen vor der unsicheren Lage in Afghanistan haben mehrere Staaten begonnen, Flüchtlinge auch gegen ihren Willen abzuschieben. Aus Großbritannien wurden bereits über 100 AfghanInnen abgeschoben, auch in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland stehen Deportationen bevor. In Österreich sind afghanische AsylwerberInnen derzeit durch das „Non-Refoulement“-Prinzip vor Abschiebungen geschützt. Diese Regelung verbietet Deportationen in Kriegsgebiete.
Christian Fackler befürchtet jedoch, dass Abschiebungen auch aus Österreich drohen und dass deshalb die Programme der freiwilligen Rückkehr forciert werden. Marion Kremmla hingegen äußert die Hoffnung, dass AfghanInnen in Österreich auch weiterhin Aufenthaltsgenehmigungen erhalten.
Der Autor studierte Kommunikationswissenschaften und Ethnologie. Er lebt in Wien.