Diskussion: Synergien gegen die Armut

Von Claudia Bonk / Benita Ferrero-Waldner · · 2001/03

ťComprehensive Development FrameworkŤ nennt sich der neue Ansatz der Weltbank1. Wo liegen seine Chancen, wo seine Risken? Antworten geben Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Bonk.

Der Comprehensive Development Framework (CDF) wurde 1999 von Präsident Wolfensohn eingeführt und wird seitdem in 13 sogenannten Pilotländern (Äthiopien, Bolivien, Côte d’Ivoire, die Dominikanische Republik, Eritrea, Ghana, Jordanien, die Kirgisische Republik, Marokko, Rumänien, Uganda, Vietnam, West Bank und Gaza) angewendet. Mit dem neuen, ganzheitlichen Ansatz wird das Zusammenwirken aller Elemente von Entwicklung, also soziale, strukturelle, menschliche, ökologische, ökonomische und finanzielle Bedingungen, betont. Mit dem CDF soll eine höhere Effektivität bei der Armutsbekämpfung erreicht werden. Er dient aber auch als Werkzeug, mit dem unter Leitung der nationalen Regierungen die Aktivitäten aller Beteiligten gesteuert werden.

Claudia Bonk: Im Februar 1999 präsentierte Weltbankpräsident James D. Wolfensohn in Wien den CDF als neue Wunderwaffe der Weltbank zur Armutsbekämpfung. Zwei positive Aspekte offenbarten sich sofort. Der erste war, dass die Weltbank offenbar endlich eingesehen hatte, dass Entwicklungspolitik mehr ist als Strukturanpassungs- und Wirtschaftspolitik, nämlich ein komplexer multidimensionaler Prozess, der auch soziale, menschliche und ökologische Elemente enthält. Der zweite bestand in der offensichtlichen Erkenntnis der Weltbank, dass Entwicklung nicht allein „von außen“ verordnet werden kann, sondern von möglichst vielen Beteiligten (Regierung, Privatsektor, NGOs, Gewerkschaften etc.) und ihren Bedürfnissen in einem von ihnen bestimmten Tempo gesteuert werden muss.
Skepsis ausgelöst hat die Tatsache, dass Wolfensohn diese für Weltbankverhältnisse wirklich spektakuläre Kehrtwende mit den alten, mehrheitlich dem ökonomisch-neoliberalen Lager angehörenden MitarbeiterInnen durchziehen wollte. Die Aufsehen erregenden Rücktritte zweier echter Anhänger der neuen Strategie, von Chefökonom Joseph Stiglitz und von Ravi Kanbur, dem Hauptautor des Weltentwicklungsberichts vom letzten Jahr, zeigen, dass noch immer der Wachstumsmythos regiert.
Doch selbst wenn sich der neue Ansatz in der Weltbank durchsetzt, bleiben Zweifel am CDF: Was ist, wenn die betreffende Regierung die Zivilgesellschaft nicht einbeziehen will? Wer entscheidet, wer die Zivilgesellschaft vertritt und welche Gruppen mit an den Verhandlungstisch dürfen? Wer sorgt dafür, dass die zivilgesellschaftlichen Bedürfnisse tatsächlich wichtiger Teil des CDF sind? Besonders wenn sie regierungs- und weltbankkritisch sind. Wer trifft die endgültigen Entscheidungen, wenn ein Land nicht „Good governance“, Strukturanpassung und makroökonomische Stabilität als oberste Prioritäten anerkennt?
Wirklich beängstigend am CDF ist jedoch, dass die Weltbank wieder einmal mit ihrer neusten Idee mit Millionen Menschenleben experimentiert. Sollte der Ansatz durchfallen, wird sie – wie auch in der Vergangenheit – sicher keine Verantwortung übernehmen und einen neuen Schuldenberg hinterlassen.

Benita Ferrero-Waldner: Die Ergebnisse der letzten Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit haben bi- und multilaterale Organisationen davon überzeugt, dass nur ein ganzheitlicher Ansatz zu Entwicklung und Reduktion von Armut führt.
Dieser als Comprehensive Development Framework bezeichnete Ansatz beruht auf Grundlagen und Begriffen wie langfristiger strategischer Planung, Eigenverantwortung der betroffenen Länder, enger Zusammenarbeit zwischen den Partnern sowie Erreichung messbarer Ergebnisse. Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit versucht vor allem in den Partnerländern mit Koordinationsbüros an diesem Prozess mitzuwirken.
Die Formulierung einer längerfristigen Strategie soll die Kontinuität, Kohärenz und Schwerpunktsetzung von finanzierten Maßnahmen ermöglichen. Zusätzlich wird eine Bewertung des jährlichen Fortschritts in der Zielerreichung erleichtert. Eine Festlegung und Einigung auf konkrete messbare Indikatoren erleichtert einerseits die Rechenschaft für eingesetzte Mittel und andererseits auch eine gezielte Abstimmung politischer Maßnahmen.
Durch diese Gesamtstrategie wird im Idealfall eine ausgewogene Gewichtung makro-ökonomischer und sozialer Ziele sowie von Infrastrukturinvestitionen geschaffen. Es wird daher in Zukunft nicht zu gesonderten Wnanzpolitischen Abkommen zwischen Internationalem Währungsfonds und Ländern der Dritten Welt ohne Berücksichtigung von Armutszielen und Mitsprache der verschiedenen Partnerländer kommen.
Eine strategische Zusammenarbeit und Partnerschaft mit anderen Gebern kann vor allem dazu beitragen, höhere Transparenz, Lerneffekte aus verschiedenen Erfahrungen und höhere Effektivität zu erzielen. Für Geber mit begrenzter Finanzkraft wie Österreich hat die Kooperation mit anderen Geberländern schon immer eine wichtige Rolle gespielt.
Diese Grundsätze sind nicht neu und wurden bereits von zahlreichen Gebern in ihren jeweiligen Kooperationen angestrebt. Wesentlich an der „Neueinführung“ dieser Prinzipien unter dem Titel „CDF“ ist, dass damit eine stärkere Verpflichtung der Industrieländer und vor allem der multilateralen Organisationen zu erwarten ist. Die Einführung des CDF-Ansatzes soll Synergien und höhere Effektivität in der Umsetzung von Zielvorgaben schaffen sowie zu einer intensiveren Kooperation zwischen multilateralen Institutionen und bilateralen Gebern führen


An dieser Stelle des SÜDWIND-Magazins werden aktuelle entwicklungspolitisch relevante Fragen gestellt. Antworten geben die politisch für Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Außenministerin Benita Ferrero-Waldner sowie vom SÜDWIND eingeladene ExpertInnen.

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