Durch Uran-Abbau von ihrem Territorium vertriebene Aborigines kehren zurück, um für die Wiedergewinnung ihres Lebensraumes zu kämpfen.
Der alte Eyre-See ruft uns Arabunna:
„Kommt nach Hause
fürs Leben.
Beginnt einen neuen und süßeren Weg –
frei zu sein.
Lindert den Schmerz. Werdet wieder eins.“
So poetisch beginnt die Einladung zu einem „Protestcamp“, wie die Weißen es bezeichnen. Für das Volk der See-Arabunna in Südaustralien ist es die Rückkehr in ihre alte, durch den Uranabbau bedrohte Heimat.
Der Fahrer des klapprigen Busses hat Mühe, im Licht der verstaubten Scheinwerfer den Reifenspuren zu folgen. Hier, mitten in der Wüste, gibt es keine Straßen. Am Vormittag ist der vollbesetzte Bus von Adelaide aufgebrochen. Die Passagiere, hauptsächlich junge „weiße“ Australier, sind dem Ruf der „Wächter des Eyre-Sees“ gefolgt. Kevin Buzzaccott, einer der Ältesten der Arabunna, und einige seiner Leute haben in der Nähe des Eyre-Salzsees ihr Lager aufgeschlagen, um gegen den Ausbau der Uranmine Olympic Dam bei Roxby Downs ein Zeichen zu setzen.
1975 entdeckte die Western Mining Corporation (WMC) im Territorium der Arabunna eine Kupfer- und Uranlagerstätte. Seit 1988 baut das australische Unternehmen Uranerz ab und verarbeitet es vor Ort zu Uranoxid. Für diesen Prozess sind große Mengen an Wasser erforderlich, die WMC den Grundwasservorkommen rund um die Salzseen Lake Eyre North und Lake Eyre South entnimmt.
Dadurch sind die meisten Wasserlöcher allmählich ausgetrocknet, die See-Arabunna mussten ihre Heimat verlassen. Jetzt sind einige von ihnen zurückgekehrt und haben eine Grundwasser-Bohrstelle von WMC „besetzt“. Wo sollen sie das zum Überleben notwendige Trinkwasser sonst hernehmen?
Um drei Uhr Früh trifft der Bus im Lager ein. Die Fahrt hat länger gedauert als geplant, da die Polizei die direkt nach Roxby führende Straße gesperrt hat. Mit vereinten Kräften bauen die Neuankömmlinge bei starkem Wind und beißender Kälte ihre Zelte auf. Vier Nächte wollen sie hier ausharren, um ihren Protest gegen den Uranabbau und ihre Solidarität mit den Arabunna zu bekunden.
Im Licht der aufgehenden Sonne wirkt die Gegend ebenso unwirtlich wie in der Nacht davor. Es ist immer noch kalt und stürmisch. Rund um die zerzausten Zelte und staubigen Fahrzeuge erstreckt sich eine rötliche, von vereinzelten „Saltbush“-Sträuchern bewachsene Sand- und Steinwüste bis an den Horizont. In der Ferne sieht man ein silbriges Band glitzern – Lake Eyre South.
Rund 140 km entfernt, in Olympic Dam, eröffnet WMC vor Politikern und Journalisten feierlich den neuen Schacht zur Förderung von Uranerz. Die Pumpstation Borefield B, die die zusätzliche Wassermenge liefern soll, hat bereits den Betrieb aufgenommen.
Zur gleichen Zeit begrüßt „Uncle Kev“ Kevin Buzzaccott im Lager die in der Nacht eingetroffenen Gäste. Die Arabunna haben sich gegen eine direkte Konfrontation – und damit gegen eine Protestkundgebung bei der Eröffnungsfeier in Olympic Dam – entschieden. Kevin spricht ruhig und sachlich: „Das Land am Eyre-See ist das traditionelle Gebiet der Arabunna. Nach dem Gesetz der Weißen gehört es der Western Mining, und die Arabunna betreten es unbefugt. Das Land war in der Vergangenheit Schauplatz von Massakern an unserem Volk. Jetzt pumpt Western Mining das Grundwasser rund um den See zur Uranmine, unsere Brunnen trocknen aus. Für uns ist das Wasser heilig, alle Lebewesen sind aus dem Wasser entstanden. Wir wollen, dass Western Mining uns, den Wächtern des Eyre-Sees, das Land zurückgibt und sich bei uns entschuldigt.“
Zwischen dem Protestcamp und dem zwölf Meter unter Meeresniveau liegenden, stark salzhaltigen Lake Eyre South befindet sich Borefield A, die ältere der beiden Pumpstationen von WMC. Kevin zeigt seinen Gästen mehrere Brunnen, von denen die Arabunna früher ihr Wasser geholt haben. Jetzt sind die meisten versiegt.
Die Erlebnisse ihres ersten Tages in der Wüste haben bei den Gästen der Arabunna einen starken Eindruck hinterlassen. Am Abend sitzen sie beim Lagerfeuer und diskutieren, wie man eine weitere Ausbeutung der knappen Grundwasservorräte verhindern könnte. Über den Zaun klettern und der Pumpstation den Hahn zudrehen? Davon hält Kevin nicht viel. Die Arabunna haben andere Methoden.
Diese „Methoden“ schließen Mittel ein, die selbst von den Gästen, die sich mit der Kultur der australischen UreinwohnerInnen auseinander gesetzt haben, bestenfalls als „interessant“ eingestuft werden. Dass Rituale vor der radioaktiven Strahlung, die beim Uranabbau frei wird, schützen können, glaubt kaum jemand von ihnen.
Einige der Gäste reagieren daher mit Enttäuschung und Unverständnis, als die Arabunna-Frauen verbieten, dass bei ihrem rituellen Tanz fotografiert oder gefilmt wird – sonst „wirkt“ er nicht. Eine Frau nach der anderen tanzt aus der Dunkelheit zum Feuer, während die anderen singen und trommeln. Die Tänzerinnen, am ganzen Körper mit weißen Mustern bemalt, wiegen sich in den Hüften und strecken die rechte Hand mit aufgestellter Handfläche in Richtung Olympic Dam, um das von dort kommende Unheil abzuwehren.
Am nächsten Morgen laden die Frauen der Arabunna ihre weiblichen Gäste ein, sie zu einem heiligen Ort in der Wüste zu begleiten, den Männer nicht betreten dürfen. Die Gäste ahnen, dass auch dort etwas stattfinden soll, das mit der Uranmine zu tun hat. Ein noch mächtigeres Ritual? – Als die Frauen zurückkehren, wirken sie irgendwie verändert. Auf die Fragen der im Lager zurückgebliebenen Männer schweigen sie. Wer etwas verrät, zieht den Fluch der Arabunna-Frauen auf sich.
Die Gäste der Arabunna wollen endlich eine „richtige“ Aktion setzen. Wie am Vortag nach stundenlanger Diskussion beschlossen, machen sich Kevin und seine Gäste am Morgen des dritten Tages auf den Weg zu Borefield B, der neuen Pumpstation von WMC auf der anderen Seite von Lake Eyre South.
Auf der Fahrt zu Borefield B kreuzt nur ab und zu ein Wallaby, ein kleines Känguruh, den Weg. Keine WMC-Patrouille, mit der die meisten gerechnet haben. Umso größer ist die Überraschung, als das Tor im Zaun rund um die Pumpstation offen steht. Auf dem Gelände befindet sich ein Mann, anscheinend ein Angestellter von WMC.
Nachdem Kevin keine Anstalten macht, eine Aktion zu setzen, schreiten seine Gäste zur Tat. Zuerst wagen sich ein paar mit ihren Kameras ins Gelände, dann holen einige die für den „Fall des Falles“ im Bus mitgeführten Spruchbänder und stellen sich vor der Pumpanlage für Fotos in Pose. Diese wollen sie an die Presse weitergeben. Was helfen Proteste, wenn niemand sie dokumentiert und die Öffentlichkeit nichts davon erfährt?
INI: Als zwei Burschen das in einem Container untergebrachte Büro stürmen und sich nach Unterlagen über die geförderte Wassermenge umsehen, kommt es zu einem Handgemenge mit dem WMC-Angestellten, einem Servicetechniker. Kevin greift ein und beruhigt den Mann. Die Aktivisten werden das Gelände der Pumpstation sofort verlassen, versichert er ihm.
Langsam und sichtlich wenig begeistert packen Kevins Gäste die Spruchbänder wieder in den Bus. Sie hätten gern noch ein paar Fotos gemacht – Bilder, auf denen „ihr“ Uncle Kev auch drauf ist. Können sie haben! Kevin dirigiert den Bus zu einer Umpumpstation, in der nicht gerade ein Servicetechniker am Werk ist. Er stellt sich, umringt von seinen Gästen, die Transparente und Anti-Atom-Wimpel halten, vor dem Maschendrahtzaun auf. Schließlich hat jeder, der seine Kamera mitgebracht hat, ein paar Mal auf den Auslöser gedrückt, und alle klettern wieder in den Bus.
Am letzten Morgen herrscht Abschiedsstimmung. Die Gäste der Arabunna bedanken sich bei Kevin für seine Gastfreundschaft. Sie berichten ihm von ihrer in letzter Minute getroffenen Entscheidung: Der Bus wird nicht direkt nach Adelaide zurückfahren, sondern davor einen Abstecher nach Olympic Dam machen. Uncle Kev soll doch einfach mitkommen!
Nein, Kevin Buzzaccott bleibt lieber hier bei seinen Leuten. – Ein paar Stunden später erfährt er, was sich bei der Uranmine abgespielt hat: Die Aktivisten haben ein Spruchband ans Werkstor gehängt und eine Fahne mit WMC-Logo verbrannt. Als die Polizei angerückt ist, sind sie friedlich abgezogen …
Die Western Mining pumpt immer noch Grundwasser zur Uranmine. Doch auch die Proteste gegen den Uranabbau in Olympic Dam gehen weiter – und sie haben eine neue Qualität erhalten: Drei Tage im Lager haben die Arabunna und die weiße AktivistInnen, trotz unterschiedlicher Motive und Methoden, zu Verbündeten gemacht, die gemeinsam über den gefährdeten Lebensraum rund um den Eyre-See wachen wollen.
Die Autorin arbeitet jahrelang bei Greenpeace und lebt nun als freie Journalistin in Wien. Sie beschäftigt sich vor allem mit den Themen Entwicklungspolitik und Umweltschutz.
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